Twisters – Kritik

Moderne und Trump-Hinterland prallen in der Fortsetzung des Katastrophenfilm-Klassikers wie Warm- und Kaltfronten aufeinander. Doch obwohl Regisseur Lee Isaac Chung das persönliche Drama betont, weiß er seinem Publikum auch die Stürme um die Ohren zu hauen.

Cowboys, Stiere, wilde Pferde und die Zuschauermenge drum herum: Wir befinden uns bei einem Rodeo, als plötzlich der Wind anhebt und der Tornadoflüsterin Kate Carter (Daisy Edgar-Jones) ein Blatt vor die Füße geweht wird. Erschrocken schaut sie in die Luft, und schon fällt die eben erst diagnostizierte Windhose über die Gemeinde hinweg. Chaos bricht mal wieder aus in Twisters. Die Rodeozuschauer jagen durcheinander. Panisch gesteuerte Autos touchieren sich auf dem Parkplatz. Die Stiere rennen unkontrolliert durch die Manege. Oder scheinbar unkontrolliert, denn ganz brav laufen sie schließlich in die für sie vorgesehenen Gänge. Das Rodeo ist schnell abgehakt.

Bloß nicht fortgerissen werden

Kate landet unterdessen auf der Suche nach einem Unterschlupf für sich und ihre unmittelbare Umwelt in einem Motel, wo sie sich mit Tornadowrangler Tyler Owens (Glen Powell) sowie einer Mutter und ihrem Kind an ein paar Rohre in einen leeren Swimmingpool klammert. Bloß nicht vom Wind aufgegriffen und fortgerissen werden, lautet die Devise – bis der Sturm auch noch einen Wohnwagen in die so schon kaum sichere Unterkunft weht und auf die Anwesenden zutreibt. In dieser ausweglosen Situation triumphiert Kate jedoch über ein persönliches Trauma, dessen Schmerz und Bewältigung quasi als Schutt und Trümmer den Leuten um den Kopf peitschen.

Tobten in Jan de Bonts Twister (1996) noch Fragen der Selbsterkenntnis durch den Sturm, handelt Lee Isaac Chungs lose Fortsetzung von einer tief gespaltenen Nation/Welt. Auf der einen Seite die Firma Storm Par, zu der Kate gehört und die mittels neuester Technik ein dreidimensionales Modell von Tornados ausmessen möchte. Das Team besteht aus jungen, uniformen, sauberen Collegeabsolventen, die für eine bessere Welt kämpfen und deren Arbeit von einem ruhigen bis plumpen Score Benjamin Wallfischs begleitet wird.

Auf der anderen Seite finden sich die Tornadowrangler um Tyler. Ein sehr heterogenes Team (u.a. TV-on-the-Radio-Sänger Tunde Adepimpe) in Bezug auf Alter sowie das Verhältnis zu Wissenschaft und Zahnhygiene. Youtuber, die für die Klickzahlen in Tornados fahren, um dort Feuerwerk zu zünden. T-Shirts und Merchandise werfen sie einem förmlich hinterher. Sobald sie energisch durch die Landschaft rasen, lassen sie Southern Rock und Country von Johnny Cash über Shania Twain bis Jelly Roll über die Lautsprecher aus ihren Jeeps durch die Landschaft dröhnen.

Wirbelsturm gewordene Konflikte

Stadt und Land, Bildungsschicht und (Lumpen-)Proletariat, hehre Ziele und Egoismus, progressive Moderne und Trump-Hinterland bilden die aufeinandertreffenden Warm- und Kaltluftfronten, die die Wirbelsturm gewordenen Konflikte des Films auslösen. Vor allem bildet sich so die Spannung zwischen der verunsicherten Idealistin Kate und dem Cowboyproll Tyler, zwischen Daisy Edgar-Jones, die mit endlos großen, weichen Augen in die Welt schaut, und Charmebolzen Glen Powell, der mit dem Spiel seiner Kiefermuskulatur (zeitweise) auf Macker macht.

Es beginnt mit einem der stärksten möglichen Tornados, einem F5 auf der Fujita-Skala. Wie so oft im Vorgänger wird ein Auto knapp vor einen Tornado gefahren, um Messinstrumente abzustellen, die von ihm aufgesaugt werden sollen, und sich schnell aus dem Staub zu machen. Waren bei de Bont eine Windhose aber ein Wirbel in einer noch relativ klar strukturierten, übersichtlichen Landschaft, starten wir hier mit Hagel und einem nicht vorhandenen Sichtfeld, durch das kleine bis riesige Trümmer jagen. Mit einer Situation also, in der nicht mehr zu erahnen ist, was eigentlich geschieht. Auch wenn Chung im Weiteren wieder auf die alte Optik (mehr oder weniger) zurückgreift, bereitet er uns hier schon auf den kommenden Film vor: auf ein Grau-in-Grau, dessen Kinetik einem die Stürme um die Ohren zu hauen weiß.

Ein sich wiederholendes Thema sind in sich zusammenfallende Wirbelstürme – wenn einer der beiden Kontrahenten den falschen von zwei Tornados verfolgt oder wenn alles Forschen und Streben Kates ganz lapidar darauf aus ist, die Stürme unschädlich zu machen. Und genauso wiederholt sich, dass Twisters nicht ans Ende der Fujita-Skala für Katastrophenfilme vordringen möchte. Mal weil er das Rodeo Rodeo sein und alle katastrophalen Potenziale sich verflüchtigen lässt, nur um sich auf das persönliche Drama konzentrieren zu können. Mal weil er den makabren Versuchungen seines Genres nicht nachgibt – während des Rodeovorfalls trifft Kate auch zwei Ungläubige, die die Warnungen arrogant in den Wind schlagen und dafür zwar sterben müssen, aber einfach nur in einem sich überschlagenden Auto aus dem Film geweht werden, statt hämisch beim Ableben vorgeführt zu werden.

Die Leinwand wegfegen

Nun liegt nahe, dass dem Filmemacher das Genre nicht ganz liegt – zumindest solange die Action nichts Persönliches transportiert. Chungs Werk verschlüsselte seine Dramen bisher nicht mit Genre-Elementen. Sein erfolgreichster Film, Minari (2020), erzählt beispielsweise von den Problemen einer koreanischen Familie, die in die USA zieht. Wenn nun Twisters wiederholt die Kamera durch die Katastrophen fahren lässt, die ein Tornado hinterließ, dann geht es anders als im Vorgänger nicht darum, direkt wieder atemlose Rettungsaktionen einzubauen, sondern um das Leid der Überlebenden. Um Schicksalsschläge armer Menschen (die als Motivation dienen). Im Hinterkopf kann der Vorschlag von Marvel an Lucretia Martel auftauchen, dass sie sich nicht um die Actionszenen von Black Widow (2020) kümmern bräuchte, wenn sie die Regie übernehme.

Doch das Problem liegt viel tiefer. Die grobe, unpersönliche Dramaturgie will auch nicht aufgehen. Relativ schnell hat sich vollzogen, was vollzogen werden muss. Die einen stellen sich als dubioser heraus, als es schien, die anderen weit weniger egozentrisch als gedacht. Aus der Liebesgeschichte zwischen Kate und Tyler ist deshalb relativ schnell die Luft raus, wie auch die zweite Hälfte des Films nun davon angetrieben wird, der Welt zu beweisen, dass man zu den Guten gehört. Solange aber eine Leinwand, auf der Frankenstein (1931) gespielt wird, weggefegt wird, um einem verzagten Publikum den Blick auf einen gewaltigen Tornado zu bieten, solange Twisters nur marginal an sich scheitert, ist er doch ein großes Vergnügen.

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