Tron: Ares – Kritik

Quatschige Handlung, stylisches Retro-Türkis und Fernweh der leereren Sorte: Joachim Rønnings Tron: Ares sieht teils fantastisch aus, kann aber insbesondere auf emotionaler Ebene nicht ganz mit seinen beiden Vorgängern mithalten.

Leicht melancholisch schaut Ares (Jared Leto) aus seinem schicken, verglasten Büro auf das digitale Reich, das sein Gefängnis ist. Eine dystopisch urbane Landschaft öffnet sich vor ihm, mit mächtigen, finsteren Bauten, die wie schlafende Ungeheuer wirken. Das Tron-Franchises dreht sich um eine virtuelle Welt, in der Computerprogramme als menschenähnliche Wesen leben. Der nach dem griechischen Kriegsgott benannte Protagonist aus Tron: Ares ist eines dieser Programme – ein so hoch entwickeltes, das nicht nur ein Bewusstsein in ihm keimt, sondern auch der Wunsch, seiner Heimat den Rücken zu kehren.

Der unter der Regie von Joachim Rønning entstandene dritte Tron-Kinofilm handelt unter anderem von diesem Fernweh, was eine etwas unglückliche Prämisse ist. Denn der Reiz der beiden Vorgänger bestand gerade darin, wie sie ihre kühl fremdartigen, ihren eigenen Regeln folgenden Fantasiewelten ausgiebig erforschten. Selbst eine kurze Verfolgungsjagd, die in Tron: Ares durch dieses virtuelle Industriemoloch führt, zeigt wenig von der Umgebung und dafür umso mehr abstraktes Neongewitter. Als Trostpflaster präsentiert der Film eine Wirklichkeit, die dem Computerreich zumindest teilweise verblüffend ähnelt: eine nicht minder menschenfeindliche, in tiefste Dunkelheit getauchte Wolkenkratzerkulisse.

Der Nerd führt nichts Gutes im Schilde

Zunächst ist Ares noch der Sklave Julian Dillingers (Evan Peters) – Enkel des bösen Computerkonzern-Chefs aus dem ersten Teil. Mit einer beeindruckenden Laser-Apparatur gelingt es ihm, Virtuelles in die Realität zu holen. Jedoch nur für eine halbe Stunde, dann zerfallen Ares und seine Gefolgschaft wieder zu schwarzem Staub. Julians eiskalte Mutter (Gillian Anderson) beginnt derweil zu ahnen, dass ihr zum Größenwahn neigender Nerd-Sohn nichts Gutes im Schilde führt.

Bei Ares' erstem Auftritt in der realen Welt bedient sich der Film seiner Wahrnehmung. Mit geschäftigem Piepsen und blitzschnell überlappenden Rastern scannt die personifizierte Software ihre Umgebung, identifiziert Personen und liest ihre Emotionen. Eigentlich macht Ares nur, wozu Menschen ohnehin fähig sind, aber bei ihm ist es ausgefeilter und macht optisch mehr her. Ansonsten erweist es sich nicht durchgehend als gelungene Idee, ein Computer-Programm zum Protagonisten zu erheben. Jared Leto ist zwar perfekt gestylt und besitzt mit seinen alles durchbohrenden blauen Augen eine eindrucksvolle Leinwandpräsenz, aber sein Ausdrucksrepertoire bleibt notgedrungen äußerst begrenzt.

Enge Anzüge, kantige Schultern

Um diesen Mangel auszugleichen, bekommt Ares Eve (Greta Lee) an die Seite gestellt. Sie ist die Chefin des Spieleherstellers ENCOM, für den auch der sagenumwobene Flynn (Jeff Bridges) arbeitete, mit dem das Franchise einst begann. Eve ist gewissermaßen die Gutmensch-Version von Julian: empfindsam und empathisch. Der frühe Tod ihrer Schwester hat sie zu wissenschaftlichen Höchstleistungen angestachelt, was sie bald zur Zielscheibe von Julians Handlangern macht.

Von Joseph Kosinskis Vorgänger Tron: Legacy grenzt sich Rønning ab, indem er die blau schimmernden Linien seiner virtuellen Welt durch rote ersetzt. Darren Gilfords Produktionsdesign ist mit seinen stilisiert geschwungenen Gefährten und minimalistisch kühlen Settings erneut eindrucksvoll geraten. Ebenso die hautengen Motorradanzüge mit kantigen Schulterpolstern (Kostüme: Christine Bieselin und Clark Alix Friedberg), die den „Programmen“ einen mysteriösen retrofuturistischen Sex-Appeal verleihen. Der pumpende und röhrende Emo-Industrial-Pop der Nine Inch Nails verleiht dem Ganzen die nötige Größe und Dramatik.

Ewiges Leben in der Computerwelt

Auch das Spiel mit Spannung und Action beherrscht Tron: Ares bisweilen. Im Gedächtnis bleibt etwa eine längere Jagd auf Motorrädern, die gelbe Lichtschweife hinter sich herziehen und Autos entzweien können. In solchen Szenen erweist sich Rønning als solider Routinier, wobei seine Kampf- und Actionszenen durchaus ein bisschen opulenter und fantasievoller ausfallen könnten.

Das ewige Leben sucht Ares schließlich in jener analogen 80er-Computerwelt, in der Flynn noch immer feststeckt. Statt sich zu ironischen Nostalgie-Jokes hinreißen zu lassen, berauschst sich Tron: Ares ganz an seiner milchig rosa-türkisen Retro-Ästhetik. Während des bedeutungsvollen Gesprächs mit Flynn wird klar, was dem Film fehlt. Die Handlung ist erwartbar quatschig, aber man hätte zumindest entweder Ares' menschliches Erwachen oder seine Beziehung zu Eve emotional ausbauen können. Das Talent von Rønnings Vorgänger Kosinski bestand darin, die Lücken des Stoffs mit melancholischem Pathos zu füllen. Tron: Ares bleibt dagegen ein wenig leer, zumindest solange, bis sich die Kamera wieder in Bewegung setzt und die Musik aufgedreht wird.

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