Tides - Kampf um die Zukunft – Kritik
In Tim Fehlbaums Tides muss sich ein junger Mensch aus dem Weltall zwischen der vom Vater gegründeten dunklen Seite und der hellen entscheiden. Nur das Wattenmeer darf dabei seine Grautöne behalten.

Mit seinem Debütfilm, dem clever benannten Endzeit-Thriller Hell (2011), bewies Tim Fehlbaum, dass es allen Unkenrufen zum Trotz durchaus möglich ist, innerhalb des deutschen Filmsystems einen starken Genre-Beitrag abzuliefern. Damals war es die brennende Sonne, die die Erde unbewohnbar machte. In Fehlbaums zweitem Langfilm, dem dystopischen Sci-Fi-Thriller Tides, ist es nun das Wasser: Der Klimawandel hat Fluten entfesselt und damit fast den gesamten Planeten überschwemmt. Die Elite ist deshalb bereits vor ein paar Jahrzehnten auf einen fernen Planeten geflüchtet und hat den Rest der Menschheit seinem Schicksal überlassen. Allerdings hat das Leben auf dem neuen Stern die Geflohenen unfruchtbar gemacht. Die dreiköpfige Raumfahrer-Mission Ulysses 2 soll deshalb erkunden, ob man die Erde retten und wieder bewohnbar machen kann.
Von der Kampfmaschine zur Mutter

Schon in den ersten Minuten, in denen das Raumschiff abstürzt und im Wattenmeer landet, geht es los mit den Klischees: Fehlbaum hat Tides auf Englisch gedreht, also vermutlich für den internationalen Markt – die Astronauten-Crew ist deshalb akribisch divers aufgestellt: eine Weiße, eine Asiatin, ein Schwarzer. Doch nach zehn Filmminuten ist nur noch die weiße Astronautin am Leben, den Schwarzen und die Asiatin hat das Drehbuch dahingerafft. Aber immerhin ist die Protagonistin Blake (Nora Arnezeder) so androgyn gestylt, dass man sie vielleicht 20 Minuten lang für einen Mann hält – wenn schon die „racial diversity“ abhanden kommt, bleibt so zumindest die „gender fluidity“ erhalten. Aber auch die ebbt im Verlauf des Flutfilms ab, denn Blake entwickelt sich zunehmend von einer geschlechtslosen Kampfmaschine zur Frau (mit der ersten Regelblutung ihres Lebens und plötzlich sichtbarer Oberweite) – und auch dies scheint nur ein Zwischenschritt zu sein auf dem Weg zu ihrer gerade im Genrefilm typischen Bestimmung: dem Aufstieg von der Frau zur Mutter.
Narratives Schwarz-Weiß

Leider geht es ähnlich formelhaft weiter: Sternenkriegerin Blake soll eigentlich das Vermächtnis ihres Vaters retten, der einst mit der Ulysses-1-Mission zur Erde aufbrach, um sie für die Rückkehr der Menschen vorzubereiten. Blake stellt aber fest, dass die Crew der Ulysses 1 – mit Ausnahme ihres Vaters, an dessen Güte sie durch ständige Kindheits-Flashbacks erinnert wird – eine Tyrannei etabliert hat und die verbliebenen Indigenen unterdrückt. Blake muss also rasch von der Seite der Kolonisatoren auf die Seite der Kolonisierten wechseln. Gut, dass die Verhältnisse in Tides so säuberlich in Schwarz und Weiß aufgeteilt sind wie die Figuren in die Guten und die Bösen, das erleichtert die Entscheidung (und die Vorhersehbarkeit des Plots).

Dass Mainstream-Genrefilme sich oft nicht allzu viel um Subtilität und Grautöne scheren, ist bekannt. Aber Fehlbaum holt den Holzhammer derart oft raus, dass Tides zunehmend wie eine Visitenkarte wirkt, mit der er sich in Hollywood für größere Genre-Produktionen empfehlen will: Zu der eher plumpen, weil nicht weiter beleuchteten Öko-Message stoßen sentimentale Zeitlupen, übererklärende Dialoge und ein stereotyper Musikeinsatz, der – je nach Szene und emotionaler Zielsetzung – großzügig mit Streichern, Trommeln oder düster dräuenden Drones umgeht. Und ständig müssen Referenzen und Metaphern mit dem Zaunpfahl winken: Eine Figur heißt Neil (man denke: Armstrong), eine andere nennt sich Christopher Kolumbus, Bäume gemahnen an die Natur, Puppen an die Kindheit und Streichhölzer an den Vater.
Und Action, Action, Action!
Zudem schreibt sich die Entstehungsgeschichte auf zweierlei Weisen nachteilig in den Film ein: Die Astronauten stammen zwar aus einer englischsprachigen Zivilisation, allerdings werden mehrere Figuren merklich von Nicht-Muttersprachlern gespielt. Das mag der Filmförderung und den mit ihr einhergehenden Bedingungen geschuldet sein, trägt aber nicht gerade zur Glaubwürdigkeit bei. Schade ist außerdem, wie wenig Kameramann Markus Förderer aus den Wattlandschaften macht, mit deren visuellem Potenzial das Filmposter lockt. Das liegt möglicherweise daran, dass in Tides das Action-Spektakel im Vordergrund steht. Kaum ein Bild darf mal ein paar Sekunden stehen bleiben, immerzu kommen Handlung und Tempo dazwischen – vielleicht kein Wunder bei einem Film, dem Action-Guru Roland Emmerich als Executive Producer diente.
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