Drei Gesichter – Kritik
Der iranische Regisseur Jafar Panahi darf sein Land nicht verlassen, und irgendwie hat er auch Berufsverbot. In Drei Gesichter spielt er wieder eine Hauptrolle, guckt in der Provinz durch Zäune und gefällt sich selbst. Und doch kann man ihm dafür kaum böse sein.

Soziale Ächtung ist ein wiederkehrendes Thema bei Jafar Panahi, dem Regisseur von Taxi Teheran (2015), Offside (2006), Der Kreis (2000). Seit er 2010 unter Hausarrest gestellt, zu einer sechsjährigen Haftstrafe und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt wurde, hat er seine eigene Lage in Filmen ganz explizit verarbeitet und sich selbst zum Protagonisten gemacht. This Is Not a Film, Closed Curtain und jetzt Drei Gesichter sind Beispiele dafür. Die genaue Situation von Panahi zu verstehen ist wie vieles im Iran nicht einfach. Zahlreiche widersprüchliche Behauptungen kursieren dazu, und nicht wenige iranische Filmschaffende ärgern sich darüber, wie er im Westen durch seine Verfolgung an Renommee gewonnen hat.
Panahi sitzt wieder viel im Auto
Die absurde Geschichte, dass einer seiner Filme auf einem USB-Stick in einem Kuchen zum Festival von Cannes geschmuggelt wurde, wurde zwar im Nachhinein selbst von seinem Weltvertrieb als „schlechter Witz“ bezeichnet. Doch solche Bilder halten sich in den Medien. Weil seine jüngsten Filme alle auf seiner Verfolgung durch den Staat aufbauen, er gleichzeitig aber keine klarstellenden Informationen dazu verbreitet, regt sich immer lauterer Widerspruch im Iran, wonach seine Form des Dissidententums eine vom Staat sanktionierte sei. Immerhin kann er weiterhin Filme finanzieren, produzieren und verkaufen, ob wegen nicht vollstreckter oder möglicherweise sogar fallengelassener Strafen.

In Drei Gesichter sitzt Panahi als Panahi wieder viel im Auto. Er begleitet eine Schauspielerin, Behnaz Jafari, die sich selbst spielt, in den Teil der iranischen Provinz, in der die Menschen besser Türkisch als Persisch sprechen, um dort nach einem Mädchen zu suchen, das Schauspielerin werden wollte, gegen den Widerstand der Dorfgemeinschaft und ihrer Familie. Die erste Szene des Films ist hochkant gedreht, es ist das Handyvideo der jungen Protagonistin, die Behnaz, dem älteren Star, erklärt, warum sie sich jetzt das Leben nehme. Von hier an findet alles Entscheidende von Drei Gesichter im Off, also außerhalb des Bildes statt: Hilferuf oder das Ende einer Tragödie? Das wollen Panahi und Jafari herausfinden. Im Dorf sind sie allerdings nur so halb willkommen.
Ein gleichzeitig gelungener und verhinderter Film

Neben den zwei Schauspielerinnen ist das dritte titelgebende Gesicht das einer älteren Frau, der Panahi durch einen Zaun hindurch beim Malen in der Natur zuschaut. Auch bei ihr geht es um die Unmöglichkeit, gleichzeitig der eigenen Kunst zu folgen und von der Gesellschaft anerkannt zu werden. Kameramann Amin Jafari gibt dem Film eine hypermobile, zurückhaltende, aber deutlich in die Wahrnehmung eingreifende Perspektive, die nie dokumentarische Effekte erzielt, aber in ihrem beschränkten Bewegungsradius durchaus etwas von einem Außenstehenden mit limitiertem Zugang hat. Als Gestaltungselement kann die Bedeutung der nicht erreichbaren Position und des nicht Sichtbaren kaum überschätzt werden. Es gehört zur Politik von Drei Gesichter, immer gleichzeitig ein gelungener und ein verhinderter Film zu sein.
Schon weil Panahi in seine filmische Handschrift die Grauzone des Lebens im Iran einschreibt, aber auch weil er entgegen allen Paratexten sich selbst als Protagonisten nicht allzu wichtig nimmt, fällt es schwer, ihm die stellenweise aufkommende Nabelschau übel zu nehmen. Dafür interessiert sich Drei Gesichter zu sehr für die drei Frauen und für die Möglichkeiten, widerständige Positionen nicht in einem Antagonismus zur konservativen Provinz aufgehen zu lassen.
Politik mit dem ländlichen Raum

Das vielleicht zentrale erzählerische Motiv ist der Gegensatz von bescheidenem Dorfspirit und besserwissererischer Großstadtattitüde. Panahi setzt jedoch wiederholt darauf, die Zeichen umzukehren, also Dorfeinwohner als besserwisserisch darzustellen und die Großstädter als bescheiden. Überhaupt sind die Zuschreibungen fluider, als man erwarten könnte, die politische Positionierung pro Kunst, pro Freiheit, pro Mobilität hat wenig Deklamatorisches. Sie geriert sich als suchend, obwohl sie die Bewegung vielmehr dafür nutzt, Panoramen einzufangen und Politik mit dem ländlichen Raum zu machen, nicht für ihn. Wenn im letzten Bild sehr kalkuliert eine Straße in der Berglandschaft als Symbol herhalten soll, dann stört das nicht, weil Drei Gesichter sich da längst offenbart hat als Film, der unbedingt Film sein will und im Zweifel nimmt, was er kriegen kann.
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