Thor 4: Love And Thunder – Kritik

Quietschbunte Gockel-Aliens gegen einen düsteren Voldemort: Taika Waititi dreht in Thor 4: Love and Thunder erst närrisch frei, muss sich dann aber doch einem schwarz-weißen Kampf um die Existenz aller Götter widmen.

Bereits im dritten Teil von Marvels Thor-Filmen hat Regisseur Taika Waititi ein Element eingeführt, das nun auch in seinem neuen Film Thor: Love and Thunder eine kleine Rolle spielt: Fester Bestandteil des Lebens in Asgard ist durch den neuseeländischen Regisseur eine kleine Amateur-Theatergruppe geworden, die, angeführt von einem betont schöngeistigem Matt Damon, die bisherigen Kino-Filme für die Bewohner des Landes auf die Bühne bringt. Geprägt sind die Auftritte von exponiert theatralem Schauspiel und Spezialeffekten. Da fliegt dann etwa ein Hammer an einer gut sichtbaren Schnur langsam über die Bühne. Oder eine papierne Wand mimt ein Portal, das Melissa McCarthy als Cate Blanchetts Marvel-Figur Hela umständlich zerreißt, um sich auf die Bühne zu „teleportieren“.

Also sprach Waititi

Mit diesen Verfremdungseffekten wird das Marvel Cinematic Universe auf sich selbst zurückgeworfen: auf den eigenen Status als Attraktionskino, das von bombastischer Effekttechnik lebt, die es den Zuschauern im zuverlässigen Takt kredenzt, oder eben auf all die schon durch das MCU getriebenen Star-Schauspieler. Wo die Marvel-Welt sich so selbst veräppelt, sagt sie aber auch etwas über eine eigene Tendenz: Das MCU ist eigentlich schon längst abgekippt in einen hyperironischen Humor, der letztlich jede noch so ernste Angelegenheit veralbert, wobei es einem oft genug so vorkommt, als müsste das gesamte Schicksal aller Lebewesen regelmäßig auf dem Spiel stehen, nur um neue Möglichkeiten für den nächsten comic relief zu kreieren.

Waititi arbeitete mit Thor: Tag der Entscheidung an einer Rolle in diesem Gefüge, die sich mit Nietzsches Zarathustra vergleichen ließe, der schließlich meinte: „Was fällt, das soll man auch noch stossen! Das Alles von Heute — das fällt, das verfällt: wer wollte es halten! Aber ich — ich will es noch stossen!“ Mit anderen Worten: Waititi könnte genau der Richtige sein, um das MCU zu einer bewussteren ästhetischen Konsequenz zu führen. Also eben nicht mehr so zu tun, als würde es hier noch um eine irgendwie geartete Spannung rund um die Figuren gehen, sondern einfach ein paar verlässliche Witzbolde über die Leinwand laufen zu lassen, die nebenbei ein bisschen Heldenzeug machen. Wobei Waititis filmische Komik mit seinem Gespür für Rhythmus im Zusammenspiel von Schauspiel (Paradebeispiel: Jeff Goldblum in Thor: Tag der Entscheidung), Schnitt und Bildkomposition noch mal einen qualitativen Sprung über die Marvelschen Formeln der buddy comedy und augenzwinkernden Querverweise durchs Superhelden-Universum hinaus macht.

Riesenziegen und der Gott der Teigbällchen

Thor: Love and Thunder leidet nun darunter, dass Waititi seine großen Stärken nicht so ungezügelt ausspielen darf wie noch in seinem ersten Film für Marvel. Stattdessen wirkt die Bewegung des neuen Thor-Films wie der Versuch, den Ausreißer Waititi doch wieder einzufangen, wieder in die Schranken zu weisen, den Regisseur erst ein wenig herumalbern zu lassen, um dann zu sagen: „Jetzt aber genug Spaß gehabt!“.

sponsored
 Teste dein Wissen über Marvels Superhelden im Thor-Quiz 
~

Etwa eine Stunde darf Thor: Love and Thunder sich wie gehabt in einigem Blödsinn ergehen. Das fängt schon damit an, dass Waititi wieder selbst in die Rolle des Steinwesens Korg springt und als Erzähler durch das einsame Liebesleben des Donnergottes führt. Der verdrängt dies nämlich durch ständige Einsätze mit den Guardians of the Galaxy, die ihn auf irgendwelche Planeten führen, auf denen wildgewordene Gockel-Aliens sich zu bewaffneten Rockerbanden formiert haben und nun einen heiligen Tempel mit Hieronymus-Bosch-Gedächtnisarchitektur besetzen. Nachdem Thor sich dann zu Guns n’ Roses’ Paradise City übertrieben cool durch Motorräder, Federn und Maschinengewehre geschnetzelt hat, obendrein noch einen Van Damme-Spagat vollzieht, schenken ihm die einheimischen Priester zum Dank zwei dauerhaft schreiende Riesenziegen, die von nun an den Film bevölkern. Und das alles endet mit einem Auftritt von Russell Crowe als eitlem Zeus mit einem breiten griechischen Dialekt, mit dem er als Gott aller Götter u.a. auch zum Gott der Teigbällchen spricht.

Göttliches Theater

Eh klar, dass das närrische Freidrehen auch ziemlich nerven kann, aber bei Waititi schleicht sich bestenfalls eben keine ernsthafte Weltrettungssentimentalität ein, die dann sowieso jede Wirkung verfehlen muss. Thor: Love and Thunder akzentuiert das Heldentum in Strumpfhosen gar noch durch ein ständiges Wechseln und Aufmotzen der barocken Kostüme, die ohnehin wieder mehr der Comic-Ästhetik der 1960er Jahre folgen. Es sind dann bezeichnenderweise gerade die Szenen um den Bösewicht Gorr (Christian Bale), die Waititis große Qualitäten immer wieder ausbremsen. Der hat die ein bisschen generische Motivation, alle Götter des Universums auszulöschen, weil sie sich nicht für seine sterbende Tochter interessiert haben. Und es ist wohl nicht zufällig, dass er Thor samt Gefährten in ein farbloses Schattenreich lockt und dabei den quietschbunten Spaß in einen schwarz-weißen Kampf um die Existenz aller Götter verwandelt.

Hatte sich die Todesgöttin Hela in Thor: Tag der Entscheidung mit elegantem Kampfstil noch ziemlich gut in die hochstilisierten Bilderwelten Waititis eingefügt, wirkt Bales Gorr hier wie ein Fremdkörper, der den Film ständig unterbricht und sein Programm unterwandert. Oder sogar selbst unterwandert wird: weil Bale in seiner Verkörperung des vor sich hin verwesenden Rächers groß aufspielt und eine für Marvel ungewohnte, voldemordeske Düsterkeit in den Film hineinträgt, die hier aber schlicht nie zu sich kommen kann. Wenn Waititi recht hat und das MCU ein großes Theater ist, dann wäre es im Großen und Ganzen als Komödie nicht lustig und als Drama oft langweilig. Weil Waititis eigener Film in beiden Feldern durchaus etwas zu bieten hat, beides aber nie zusammenfindet, ist Thor: Love and Thunder hingegen eine echte Tragödie geworden.

Neue Kritiken

Trailer zu „Thor 4: Love And Thunder“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.