Escape Plan – Kritik

Mikael Håfström täuscht einen Action-Film an, unterläuft die Erwartungen und macht schließlich doch einen Action-Film.

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Nach vielleicht 45 Minuten stehen sie sich dann endlich gegenüber, die gealterten Hünen. Schwarzenegger gegen Stallone, Auge in Auge, mit nichts als ihren blanken Fäusten. Schon knallt der erste Schlag in Arnies Gesicht, doch die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten und fällt noch mal brutaler aus. Mit fast stoischer Ruhe schlägt man sich im Schuss-Gegenschuss-Wechsel zusammen. Doch diese Szene ist alles andere als eine Klimax. Was auf den ersten Blick nur Höhepunkt sein kann, ist in Mikael Håfströms Escape Plan lediglich eines von unzähligen Täuschungsmanövern, ein Pseudo-Showdown mit gegenseitigem Einverständnis. Hinterher und vorher sehen wir die Action-Stars in betont passiven Posen: Stallone mit erhobenen Händen, wie er sich festnehmen lässt, machtlos gegen Polizisten jeglicher Couleur; Arnie wird später sogar (auf Deutsch) um Gnade winseln.

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Escape Plan verfolgt eine andere Strategie, mit den in die Jahre gekommenen Muskelpaketen umzugehen, als beispielsweise die R.E.D.-Filme (2010/2013). Wurde dort die Zenitüberschreitung von Hollywoodstars noch explizit thematisiert, ändert sich hier die Art der Ressourcen: Der von Stallone gespielte Ray Breslin ist nicht in erster Linie Kraftbolzen, sondern Intelligenzbestie. Und so sind auch die Gesten des Ergebens – nach dem Ausbruch aus einem Hochsicherheitsgefängnis und einer halbherzigen Flucht lässt sich Breslin bereitwillig wieder mitnehmen – schnell als Finten enttarnt. Oder genauer, als Breslins Beruf: Er lässt sich in scheinbar sichere Gefängnisse einschleusen, um aus ihnen auszubrechen und damit die Lücken in der Routine aufzudecken, seine Fluchten sind Mittel des Knast-Qualitätsmanagements. Für eine Stallone-Rolle ist das recht ausgefeilt, für genügend Superlative ist dennoch gesorgt: Es gibt kein von Menschen gemachtes Gefängnis, aus dem Breslin nicht entwischen kann, so führt sein Auftraggeber unseren Protagonisten ein. Der stahlharte Materialismus der Action-Heroes wird damit von den Füßen auf den Kopf gestellt: Stallones Stärke liegt hier nicht in der Konfrontation, sondern im gut vorbereiteten Entziehen, nicht im Angriff, sondern in der Flucht. Breslin verkörpert nicht ungeahnte Potenzen, sondern radikales Freiheitsstreben: Er ist keine Muskel-, sondern eine Denkmaschine, ein moderner Houdini, der Uninhaftierbare.

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Dass dieses steroide Mastermind seine Freude nicht aus dem Kampf gegen das System Einschließung speist, diesem System vielmehr selbst radikal verhaftet ist, erscheint nicht minder interessant. Denn Breslin performt seine radikale Freiheitskunst nicht aus Spaß am Ausbrechen, sondern um die Sicherheit der Gefängnisse zu prüfen, ein vergangener Schicksalsschlag lässt ihn nicht ruhen ohne das Wissen, dass die Bösewichte bleiben müssen, wo sie sind. Der freieste Mensch der Welt hat also nichts Besseres zu tun, als die Einsperrung der anderen zu sichern. An dieser Stelle kann man die Reflexionen über das Grundprinzip von Escape Plan aber auch getrost an den Rand drängen. Denn auch wenn Håfström nicht spart mit kritischen Anspielungen auf den war on terror und Knastprivatisierungen, wird von Minute zu Minute deutlicher, dass derlei Überlegungen bei der Entstehung dieses Films höchstens eine Nebenrolle gespielt haben dürften – schon bald werden sie in einer biederen Genre-Logik aufgelöst.

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Doch auch als konventioneller Actionfilm funktioniert Escape Plan gut, solange genügend Fragen offen bleiben. Und das ist durch die Grundkonstellation zunächst gewährleistet. Denn Breslins scheinbare Übermacht gegen jegliche Art von Einsperrung stößt bald an ihre Grenzen: Im Auftrag der CIA soll er in eine Einrichtung geschickt werden, in der jene Subjekte aufgenommen werden, für die keine Regierung der Welt mehr Verantwortung übernehmen will, eine Zone frei von jeder Gerichtsbarkeit. Breslin beginnt den Auftrag wie jeden anderen, doch nach einigen Irritationen kommt ihm der nicht ganz abwegige Gedanke, dass auch er vielleicht zu der Gruppe Mensch gehört, die besser nicht mehr frei herumläuft. Spätestens als sein Codewort zur Identifizierung, mit dem er sich sonst stets als einer von den Guten ausweisen kann, ignoriert wird, ist das Houdini-Spiel bitterer Ernst. Seine angekratzte Übermacht erleidet aber noch einen weiteren Schlag: Auf dem Schreibtisch des sadistischen Gefängnispatronen Hobbes (Jim Caviezel) entdeckt Breslin das von ihm verfasste Mammutwerk über ausbruchsresistente Sicherheitsverwahrung: Er ist Gefangener seiner eigenen Ideen.

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So ist das Fluchtgenie erstmals auf die Hilfe anderer angewiesen, vor allem auf die des von Schwarzenegger gespielten Top-Terroristen Rottmayer. So undurchsichtig wie dieser Verbündete bleibt lange auch die Natur des Gegners, mit dem er es zu tun hat. Gibt es hier wirklich noch eine Institution, die über alles Bescheid weiß, die Fäden zieht, oder gehorcht dieser panoptische Albtraum von einem Gefängnis mit seinen unheimlich maskierten Wärtern und den Glaszellen vielmehr gar keiner Führung mehr, hat sich längst verselbstständigt? Und was wäre eigentlich schlimmer? Zwischen Breslin und Hobbes entwickelt sich ein spannender Kampf um den längeren Hebel, doch schon bald lässt Håfström jegliche Subtilität hinter sich: Die Mindgames werden zugunsten handfester Gunpower aufgegeben, und das überlegte Finden von Schlupflöchern weicht dem üblichen Weg-frei-Ballern. So irritiert und fasziniert Escape Plan durch das konsequente Unterlaufen von Erwartungen und Håfströms wohl kaum intendierte, aber zum thematischen Leitmotiv wie zum Alter seiner Stars passende Behäbigkeit bei der Inszenierung. Schließlich aber reiht sich der Film dann doch allzu willig ein in die von Stallone mit The Expendables (2010) selbst eingeleitete Back-to-the-80s-Bewegung. Nur gut, dass man die im digitalen Zeitalter deutlich einfacher vollführen kann.

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