The Man Who Killed Don Quixote – Kritik
25 Jahre in Arbeit: Terry Gilliam beschließt das Festival von Cannes nach einer Produktionsgeschichte, die jeden Film in den Schatten stellen muss. Und doch ist The Man Who Killed Don Quixote mehr als der Reinfall, zu dem er jetzt leicht gemacht werden könnte.

Ein paar Schrifttafeln stehen diesem Film voran bei seiner Vorführung in Cannes. Die erste ist ein rechtlicher Disclaimer und heißt in etwa: Dass der Film in Cannes laufe, sei noch keine Vorentscheidung im Rechtsstreit darum, wem er gehöre. Der Saal lacht. Die Texte danach sind schon Teil des Films und versuchen, den Erwartungsdruck ein bisschen zu mindern: „And now … after more than 25 years in the making … and the unmaking … a Terry Gilliam film.“ Und dann das: Der Film ist weder eine Katastrophe noch ein Meisterwerk, sondern ein Stück Kino, dem man ganz einfach sein Alter ansieht.
Es war abzusehen, dass der Dokumentarfilm Lost in La Mancha (2002) von Keith Fulton und Louis Pepe über die gescheiterten Dreharbeiten im Herbst 2000 an Dramatik und metaphorischer Komik durch den fertigen Film von Gilliam nicht mehr zu übertreffen sein würde. Der Schrecken, die Verzweiflung, das Scheitern waren von Anfang an sinnbildlich für den Roman von Miguel de Cervantes, den Gilliam unbedingt und schon seit Jahren hatte frei adaptieren wollen. Einnehmend waren sie und zeitlos bleiben die Hinter-den-Kulissen-Aufnahmen von einst.
25 Jahre auf dem Buckel

Vielleicht zeichnet das Making-of-Material auch aus, dass der Regisseur von Brazil (1985), 12 Monkeys (1995) und The Zero Theorem (2013) hier nicht der Autor ist, sondern das Subjekt: Rührend jedenfalls, dem Regisseur dabei zuzusehen, wie er über Kostüme und Art Design berät, wie er dicke Laien castet, um die von Don Quijote eingebildeten Riesen zu spielen, und sich bei Probeaufnahmen, die er selbst dreht, amüsiert, während schon vorgezeichnet ist, dass es nichts wird werden können. Erst spielt das Wetter nicht mit, dann fällt der Hauptdarsteller aus. Für den jetzt fertigen Film wurde komplett neu besetzt.
Die 25 Jahre auf dem Buckel kann man The Man Who Killed Don Quixote durchaus ansehen, was ihn auf unglückliche Weise gleich zu Beginn überraschend aktuell macht: Sein Held, Werbefilmregisseur Toby (Adam Driver), ist ein Genie, das rufen ihm alle ständig zu, und seine erste Handlung ist es, auf dem Filmset eine Aushilfe gegen ihren Willen zu umschlingen und mit ihr zu tanzen. Fortan wird er sie immer wieder mit falschem Namen ansprechen, um sie links liegen zu lassen. Auch die Bilder der anderen Frauen, die sich ihm um den Hals werfen, egal ob sie vergeben sind oder sich mehr oder minder prostituieren, lassen Terry Gilliams Perspektive ziemlich alt aussehen. Die Männer handelnde Träumer, die Frauen lassen es geschehen: So ungefähr stimmt das leider wirklich.
Ein zynisch-desinteressierter Sancho Panza

The Man Who Killed Don Quixote ist ein merkwürdiger Abenteuerfilm, der ständig die Ebenen wechselt: Don Quijote (Jonathan Pryce) ist ein alter Mann, der bei Tobys Abschlussfilm an der Filmhochschule mitgespielt hat und sich seither einbildet, der wirkliche Don Quijote zu sein. Toby ist für einen Werbefilmdreh zurückgekommen in die spanische Provinz, in der er einst seine Laiendarsteller fand, und hat eine kleine, eitle Schaffenskrise, die ihn auf der Suche nach Inspiration zurück ins Bergdorf führt. In Form von kleinen Wahrnehmungs-Kapseln wechseln sich Rückblenden, Gegenwart und Fantasie ab,
Zunächst ist klar, dass der verwirrte alte Mann nur das ist, doch nach und nach will der Film die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen lassen. Don Quijote sieht in dem zynisch-desinteressierten Toby seinen Helfer Sancho Panza. Das ist der entscheidende Twist von Terry Gilliams Film: Auch der junge Mann aus der Gegenwart soll sich hineinversetzen in den Traum einer anderen Welt und den Kampf zur Befreiung der Angebeteten.
Verwirrung und Mitleid: Lost in La Mancha Teil 2

Die vielleicht auffälligste Herausforderung des Films ist es, sich für eine Perspektive zu entscheiden: Jede Einstellung ist im Prinzip eine Festlegung, zeigt entweder ein tatsächliches Feuer oder keins, echtes Gold oder wertlose Münzen, wählt eine Blickachse, die die Illusion befeuert, wirklich in einer anderen Zeit zu sein, oder entlarvt die Träume des Protagonisten als Träume. The Man Who Killed Don Quixote wählt überwiegend eine halbe Involvierung, betont die Smartness seines jungen Helden (und seine eigene), lässt Toby auf seiner Reise aber zumindest emotional ein bisschen mit Don Quijote mitleiden und die ein oder andere kurzzeitige Verwirrung erleben. Vom Gestus her nimmt das mitunter didaktische Züge an, und ein bisschen fühlt sich Gilliams Werk auch wie ein Kinderfilm an.

Die meiste Zeit ist The Man Who Killed Don Quixote damit beschäftigt, einen Film entstehen zu lassen, und tatsächlich gibt es ihn nun. Denkt man ihn von dem her, woran Gilliam schon in dem Dokumentarfilm über ihn arbeitete, nämlich konkreten Schauwerten, den Kostümen, dem Setdesign und einem lustvollen Aufgehen in seiner Imagination (nicht nur seiner Altherrenfantasie), dann ist auch dieser Film das lebhafte und anregende Zeugnis einer Zeit. Quasi Lost in La Mancha Teil 2.
Gilliam und seine Vorstellungen vom Kino mögen ihre besten Tage hinter sich haben und die Visionen des Künstlers noch weniger zum Glauben inspirieren als einst, der Film weiß das aber sehr wohl. Dieses Bröckeln einer früheren Weltwahrnehmung ist tatsächlich sein visueller und erzählerischer Kern. Der ganze Zwiespalt, den die Erfahrung der wiederholt stockenden Dramaturgie und der nur halb geglückten Effekte produziert, gehört deshalb auch zum Erlebnis vom Mythos Don Quijote. Ein bisschen Mitleid muss sein.
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