The Legend of Tarzan – Kritik
Der White Savior in Zeiten von Black Lives Matter: In David Yates Klassiker-Update dekolonisiert Tarzan den Kongo.

Mit der Anfangssequenz deutet sich schon an: Der Rahmen ist etwas arg ernst-pompös geraten für die Albernheiten, die sich in ihm abspielen. Da führt Christoph Waltz als Leon Rom eine schwer bewaffnete Gruppe von Kolonialisten an und liefert sich zunächst mit einem kongolesischen Stammesanführer einen heftigen Zweikampf, bei dem dann aber schnell gemeinsame Interessen ausgemacht werden. Rom fragt den Hünen nach dem Namen jenes Mannes, den er ihm im Austausch gegen wertvolle Diamanten ausliefern soll. Die Antwort liefert nicht der Angesprochene, sondern der Film, mit dem handelsüblichen Opening-Credit-Affekt der Blockbuster-Welt: tiefste Bässe, riesige Lettern, die sich ganz langsam pathetisch aufrichten und zu uns drehen: The Legend of Tarzan. Bam. Könnte ironisch und spaßig sein, ist aber irgendwie schräg, und lässt nichts Gutes ahnen.
Why not Samuel L. Jackson?

Tarzan ist in der Gegenwart von David Yates’ The Legend of Tarzan längst angekommen in der Zivilisation, lebt als John Clayton III., Lord Greystoke (Alexander Skarsgård) zusammen mit seiner Jane (Margot Robbie) im England der 1880er Jahre. Nun soll er zurück in den Kongo, wo er einst bei einer Affenfamilie aufgewachsen war, und eine koloniale Expedition im Namen des belgischen Königs Leopold II. begleiten. Doch Clayton sträubt sich, hat abgeschlossen mit dem wilden Leben. Dem Film fehlt eh noch ein Samuel L. Jackson, mag sich das dreiköpfige Autorenteam da gedacht haben, und so darf der US-amerikanische Abenteurer und Menschenrechtler avant la lettre George Washington Williams dem Edelmann einreden, dass er die Aufgabe nicht aus Eigeninteresse, sondern aus Liebe zu seinen vom Sklavenhandel bedrohten Freunden auf sich nehmen müsse. Nachdenklich bleibt Clayton im Auto sitzen, und Rupert Gregson-Williams anschwellende Musik behauptet doch tatsächlich, wir fühlten in diesem Moment genau nach, was es heißt, als spätzivilisiertes Dschungelkind vor einer Reise in die Vergangenheit zu stehen.
CGI-Werden

Was Tarzan nicht weiß: Im Kongo erwartet ihn ein perfider Plot, für ihn nicht so vorhersehbar wie für uns. Der diamantengeile Rom entführt Jane, um Tarzan in die Finger zu bekommen und dessen Erzfeind auszuliefern. Nunja, zumindest bietet Tarzans Rückkehr einen nicht uninteressanten filmischen Fluchtpunkt, verspricht doch hier eins zu werden, was The Legend of Tarzan zunächst fein säuberlich voneinander trennt: hier der Kongo mit seiner Kolonialgewalt und allerlei mehr schlecht als recht animierten Raubtieren; dort der allzu menschliche Tarzan, dem man in seinen aristokratischen Verkleidungen erstmal nicht ohne Weiteres an die Liane lassen würde. Das Tier-Werden des Lord Greystoke impliziert also ein CGI-Werden. Und wenn nach der großen Rückkehr Alexander Skarsgård und eine Leopardendame aus dem Computer die Köpfe aneinanderlegen, dann ist das tatsächlich ein ganz hübsches Bild gegenwärtigen Hybridkinos. Tarzans stählerner Computer-Körper, mit dem er sich in die ziemlich zerschnittenen Kampf-Sequenzen wirft ist dann aber doch wieder ernüchternd.

So gerät auch die Rückkehr ins Tierische allzu schlicht: Tarzan wird weniger zu einem Geschöpf zwischen den Welten als zu jenem amerikanischen Männlichkeits-Traum, als der er einst von Autor Edgar Rice Burroughs geboren ward: perfekter Cyborg aus Mensch und Tier, Meister der Zivilisation wie der Wildnis, Herr über seinen gebildeten Geist wie über seinen weißen Körper. Und das alles noch als urtypischer self-made-man – „no man ever started with less“, raunt Jane an einer Stelle. Anders ausgedrückt: Wir haben es mit einem strunzlangweiligen Protagonisten zu tun – der zudem von ziemlich comichaften Figuren umgeben ist: Samuel L. Jackson staunt als Sidekick über Tarzans Kletterkünste und folgt ihm ängstlich in alle möglichen waghalsigen Sprünge, und Christoph Waltz spult sein eloquent-villain-Ding so routiniert herunter, er könnte eigentlich auch CGI sein. Margot Robbie darf ihrem Gatten anfangs zwar direkt klar machen, dass der Dschungel nicht nur seine Heimat, sondern auch ihre ist – Janes innere Wildnis beschränkt sich aber darauf, flink vor Flusspferden davonzulaufen. Ansonsten darf sie ganz menschlich ihre kongolesischen Freunde von früher umarmen, während sich Tarzan an Leoparden reibt.
Tarzan, Befreier der Tiere und schwarzen Männer

Apropos: Schwarze und Tiere! Es ist schon erstaunlich, wie deutlich sich da in die Bilder einschleicht, was zuvor so hübsch verdrängt worden ist. So viel Mühe gibt sich The Legend of Tarzan mit seinem kolonialismuskritischen Überbau: Der US-Abenteurer ist traumatisiert von irgendwelchen Feldzügen in Mexiko, in denen er Indianer massakriert hat; die Helden entdecken unterwegs die Ausmaße des Sklavenhandels, in den auch das belgische Königshaus verwickelt ist; und der „böse“ kongolesische Stamm ist mit Kreide bemalt, tritt also gewissermaßen in Whiteface auf (und ist am Ende natürlich gar nicht so richtig böse).

Nur all das nützt halt wenig, wenn Schwarze und Tiere gemeinsam als Doppelmotiv Edle Wilde/Große Gefahr posieren, und vor allem nützt das nichts, wenn der Showdown im Hafen – wo Versklavte und Büffelherden auf eintreffende Kolonialarmeen stoßen – derart klare Bilder sprechen lässt. Da wird der antikoloniale Aufstand der Tiere zum bloßen Vorspann für den Tarzan-Rom-Showdown degradiert, und am Ende antworten jubelnde Massen befreiter Afrikaner aufs Close-up des stählernen weißen Mannes, der sich gerade endgültig seines Widersachers entledigt hat. Da kann angeklagt werden was will, die Montage sieht dann eben doch altbekannte Kausalitäten und Hierarchien. „This is the house of Tarzan, the killer of beasts and many black men“, hieß es in Burroughs’ Geschichte einst. Das kommt heutzutage nicht mehr ganz so gut. Der gute alte white savior geht aber immer, und noch besser wenn man betreten ein bisschen Kolonialgeschichte drumherum erzählt.
Neue Kritiken

Kung Fu in Rome

Dangerous Animals

Versailles

Highest 2 Lowest
Trailer zu „The Legend of Tarzan“


Trailer ansehen (2)
Bilder




zur Galerie (30 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Daniel
Lieber Till, eine ungemein treffende Kritik, die meinem noch etwas wabernden Gefuehl und dem Durcheinander der Gedankenwelt zum gerade gesehenen, sehr seltsamen Film eine Schaerfe gibt. Gerade das Ende ist koestlich (das der Kritik, nicht des Films...) und bissig zugleich. Vielen Dank!
1 Kommentar