The Intruder – Kritik
Oben und unten, innen und außen, Traum und Realität: Natalia Meta schickt dem Körper ihrer Protagonistin gleich mehrere Eindringlinge auf den Hals, bis dieser von alleine tönt. The Intruder ist eine Art Anti-Exorzist.

Vom Synchronstudio ins Flugzeug, von der Tropfsteinhöhle zur Strandbar, von der Dachterrasse in den Kammermusiksaal. Profane Orte gibt es in Natalia Metas The Intruder nur in Gestalt von Inés’ kleiner Wohnung in Buenos Aires, aber auch die verschafft ihr keine Ruhe. Inés (Érica Rives) hat Angst vorm Fliegen, aber auch Angst vor den Fledermäusen in der Grotte, oben wird es schwindelerregend, tief unten lauern erst recht Gefahren. Und nirgendwo gibt’s Schutz vor Eindringlingen: Im Urlaub des Prologs will der neue Freund Liebesgeständnisse erzwingen, im Synchronstudio justiert der Regisseur ihre Performance bei der Vertonung japanischer Slasher-Filme stetig nach, im Musiksaal versetzt der Chorleiter sie in den Mezzosporan-Bereich. Affekte sind für Inés Effekte männlicher Regieanweisungen, ihre Stimme eine nur reaktive, und irgendwann setzt sich das Fremde sogar mitten hinein in diesen Körper, in diese Stimme, sind während der Synchronaufnahmen Störgeräusche zu hören, die sich digital verlangsamt wie gesprochene Wörter anhören. Laut der alten Schauspielkollegin Adela (Mirta Busnelli), die irgendwann unvermittelt hinter ihr steht, hat Inés die Eindringlinge eingeladen in ihren Körper und sollte sie nun tunlichst wieder loswerden.
Kartografie einer Psyche

Diese Adela erinnert an jene ältere Frau, die in Mulholland Drive vor einem großen Unheil warnte, so wie der Dirigent an den Zeremonienmeister aus dem Club Silencio des gleichen Films, und der sweete Orgelstimmer (große Wiedersehensfreude: Nahuel Pérez Biscayart), der irgendwo da oben unterm Dach arbeitet, bewegt sich auf dem Dancefloor wie Lynchs berühmter roter Zwerg. Das sind mehr als Zitate: Tatsächlich gelingt es auch Meta in ihrem zweiten Spielfilm, eine Psyche zu kartografieren, ohne dafür einen Freifahrtschein ins Reich der Fantasie zu lösen, Träume und Albträume stets rückzubinden an den sozialen Alltag ihrer Protagonistin. Traum und Wirklichkeit sind nicht Gegensätze, sondern durchdringen sich. Der Filmgeschichte, vor allem jener Linie männlicher Regisseure, die sich ins Unbewusste wagten, widmet sich The Intruder dabei stets zwischen Hommage und Seitenhieb: mit Polanski-Ekeligem, Cronenberg-Invasivem, Argento-Philarmonischem und Nolan’scher Traumebenenverwirrung.

Im Kern ist The Intruder wohl Geschichte eines Traumas und seines psychischen Niederschlags, intime Begleitung auf dem Weg vom Ereignis zum Zusammenbruch. Die Labilität ist nicht Thema, sondern steckt im filmischen Blick selbst, dem wir nicht trauen können. Eine bekannte Masche, hier aber meist aufregend. William Friedkin hat seinen Exorzisten einmal als realistischen Film über unerklärliche Dinge beschrieben. Auf mehrfache Weise dreht Meta diesen Urtext der moral panic um weibliche Körperlichkeit um: Beim Austreiben hilft kein Profi, der Teufel ist kein Mythos, sondern sozial und medial vermittelt – und The Intruder ein fantastischer Film über sehr erklärliche Dinge.
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