The Green Fog – Kritik
Wie es Guy Maddin einmal gelang, Chuck Norris, Meg Ryan, Michael Douglas, Donald Sutherland, *NSYNC und Godzilla in einem Film zu versammeln.

Eine Hetzjagd auf den Dächern der Stadt: Der Ganove rennt davon, der Detektiv hinterher, ein Sprung über den Abgrund, von einem Haus zum nächsten – plötzlich rutscht der Detektiv ab, krallt sich gerade noch an einer Regenrinne fest und hängt dort in schwindelerregender Höhe, während unten die Straßen von San Francisco auf seinen Absturz warten. Vertigo? Nein, Guy Maddin. Der große Archivar und Reanimateur des frühen Films hat sich – gemeinsam mit seinen Co-Regisseuren Evan und Galen Johnson – im Auftrag der San Francisco Film Society durch Unmengen von Filmen aus der kalifornischen Stadt gegraben und ihr ein Patchwork-Denkmal gesetzt.
Die spürbare Präsenz eines Abwesenden

Lose strukturiert wird The Green Fog ausgerechnet von eben jenem Film, dessen Bilder Maddin nicht – oder nur minimal – in seine Collage eingebaut hat: eben Vertigo. Stattdessen bastelt der Kanadier Szenen aus zahlreichen anderen Werken zusammen, die an denselben Orten spielen wie Hitchcocks Klassiker: am Fuße der Golden Gate Bridge, im imposanten Museum Legion of Honor, in einem Blumengeschäft, unter den Mammutbäumen des Redwood Nationalparks und natürlich im Glockenturm der Mission San Juan Bautista. Auch der titelgebende grüne Nebel, der ab und zu in die Bilder kriecht, geht wohl auf Vertigo zurück, in dem mehrere prominente Szenen vor giftgrünen Hintergründen ablaufen.

The Green Fog entwickelt sich allerdings nicht zu einer ehrerbietigen Ode an Vertigo oder San Francisco, sondern zu einem amüsanten Spiel mit Versatzstücken, Referenzen und Zitaten. Maddin zeigt etwa einen Ermittler, der in einem Farbfilm ein Telefongespräch abhört, um dann eine Szene aus einem schwarz-weißen Werk anzuschließen, in der jemand am Telefon plaudert. Ähnliche Situation, komplett anderer Film – über gemeinsame Orte, Handlungen oder Personen schafft Maddin Verbindungen, wo eigentlich keine sind. So blickt Chuck Norris in einer Sequenz auf sich selbst, weil die zwei aufeinanderfolgenden Ausschnitte ihn erst rechts und dann links im Bild positionieren. Überhaupt, Chuck Norris: Diesem eigentlich ziemlich egalen Schauspieler, der in den letzten zehn Jahren ohne eigenes Zutun zur Social-Media-Kultfigur avanciert ist, widmet Maddin eine längere, augenzwinkernde Passage mit etwas hölzernen Versuchen seitens Norris, den Emotionen seiner Figuren Ausdruck zu verleihen.
Der Detektiv und die Boyband

An anderen Stellen schneidet Maddin alle verbalen Äußerungen aus Szenen heraus, sodass aus Konversationen rucklige Jumpcut-Pantomimik wird. Mal beschneidet er den Bildkader so, dass ein Auto aus einem älteren Film wirkt, als fahre es autonom. Mal vermischt er Aufnahmen des Filmpioniers Eadweard Muybridge mit einer Szene aus einem Michael-Douglas-Streifen und lässt Douglas Komplimente an den eigenen Hintern ausrichten. Ein weiteres Highlight ist die Projektion eines *NSYNC-Musikvideos auf den Bildschirm eines Detektivs, dessen Ermittlungen locker 40 oder 50 Jahre vor der Gründung der Boyband stattfinden.
Irgendwann gehen aber auch Maddin die Gags aus, das Potenzial des Green-Fog-Konzepts erweist sich recht schnell als ausgeschöpft. Gut also, dass er dieses fröhliche Filmnerd-Ratespiel konsequent nach rund 60 Minuten beendet und nicht – wie es einige andere Berlinale-Beiträge tun – künstlich auf Spielfilmlänge streckt.
Neue Kritiken

Mein 20. Jahrhundert

Caught Stealing

Wenn der Herbst naht

In die Sonne schauen
Trailer zu „The Green Fog“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (8 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.