The Fall Guy – Kritik
Auch in The Fall Guy macht David Leitch ironisches Pop-Art-Actionkino, das eine genial blöde Idee an die nächste reiht. Mit der 1980er-Serie Ein Colt für alle Fälle hat die Kinofassung kaum etwas zu tun, ist aber wie diese sehr deutlich Kind ihrer Zeit.

Jody (Emily Blunt) befindet sich in einer Karaokebar. Traurig und wütend, weil sie versetzt wurde, beginnt sie Against All Odds von Phil Collins zu singen. How can you just walk away from me? When all I can do is watch you leave. Der Text, die Musik, alles passt perfekt zu ihrer Situation. Colt Seavers (Ryan Gosling), der Mann, der aus ihrem Leben verschwand und sie nun abermals versetzt, schlägt sich unterdessen, nicht weit von ihr entfernt, mit Entführern herum, die gerade eine Hundesitterin verschleppen, um an ein Handy zu kommen. Ein nur auf französische Befehle hörender Hund beißt dabei in Weichteile, auf einer Metallklappe wird über die Straße gesurft. Eine Schneise der Verwüstung ziehen die Kontrahenten hinter sich her. Eine Parallelmontage verwebt beides, und Collins’ Song liegt auch dramaturgisch passend über der Action.
Alles Ausdruck der eigenen Verspieltheit

Against All Odds wird in voller Länge gespielt, und zunächst scheint es so, als wolle der Film zu diesem Soundtrack seelischen und körperlichen Schmerz zusammenführen, harte Action mit den Gefühlen eines Liebesfilms. Je länger der Song aber läuft, desto deutlicher wird, dass Regisseur David Leitch (Atomic Blonde, Bullet Train) gar nicht die Absicht hat, sein Kino um emotionale Tiefe zu erweitern und hier mehr zu bieten als den Spaß, eine Klopperei zu einer der schönsten Schnulzen zu inszenieren. Weiterhin macht Leitch ironisches Pop-Art-Actionkino, das eine genial blöde Idee an die nächste reiht. Im Falle von The Fall Guy wirkt sein postmodernes Kino der Attraktionen so, als sollte das sich selbst feiernde Stuntkino des Duos Hal Needham/Burt Reynolds mit einer Pop-Oper vermählt werden.

Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson), der weltgrößte Actionstar, ist verschwunden, und wenn er nicht gefunden wird, wird bei Jodys Regiedebüt der Stecker gezogen. Deshalb kommt Colt Seavers unter dem Stein hervorgekrochen, unter dem er sich nach einem Unfall verzogen hat, und schlägt sich mit Unmengen dubioser Gestalten herum, während er gleichzeitig versucht, das gescheiterte Verhältnis zu Jody aufzuarbeiten, against all odds. Es entwickelt sich die entsprechend wendungsreiche Räuberpistole, die der Verschlungenheit so manchen Noir-Krimis liebevoll Tribut zollt, ohne diese jedoch als Ausdruckmittel von Weltschmerz ernst nehmen zu können. Es ist alles nur noch Ausdruck der eigenen Verspieltheit.
Liebeserklärungen ans Filmdrehen

Was erst einmal heißt, dass ein ständiges Spiel mit filmischen Metaebenen geführt wird. So sind Stunt Coordinator Dan Tucker (Winston Duke) und Colt über die gesamte Spielzeit am Filmzitate-Raten. In Jodys Drehbuch für ein Science-Fiction-Epos, in dem eine außerirdische Übermacht die Erde angreift, spiegelt sich sehr vordergründig, wie sie von Colt verlassen wurde. Die filmische Form von The Fall Guy kopiert wiederholt den Film im Film. Beispielsweise wird in Splitscreens über die mögliche Verwendung von Splitscreens debattiert. Oder es wird offen über die optische Verbindung von Trennung und Gemeinsamkeit gesprochen, die der Film gerade selbst anwendet. Es gibt einen Fake-Trailer des Films im Film, Filmplakate, ironische Cameos sich auf die Schippe nehmender Actionstars usw usf.

All diese (Selbst-)Referenzen laufen aber weder auf eine Reflexion des eigenen Genres/Tuns hinaus, noch sind sie leere ironische Hülsen. Sie sind schlicht Teil einer Liebeserklärung an das Drehen von Filmen. Und vor allem an die Arbeit der Stuntmen. David Leitch – selbst lange für Stunts verantwortlich, bis er mit John Wick (gemeinsam mit Chad Stahelski) 2014 auf den Regiestuhl wechselte – geht es in seinem neuen Film eben zuvorderst um Leute, die für eine Geschichte und das adrenalingeschwängerte Gefühl der eigenen Nützlichkeit Abhänge herunterfallen, in Brand gesteckt werden, an den Kufen eines Helikopters herumhangeln oder mit einem Motorboot durch eine Explosion springen. Es geht um kreative, sich ihrer eigenen Dämlichkeit sehr bewusste Kampfchoreografien und Set Pieces, bei denen sich an der eigenen Arbeit und Körperlichkeit erfreut wird. Einer Arbeit, bei der nie ganz klar ist, warum sie jemand macht, und die gerade deshalb faszinierend ist.
Eine Abfolge von Gifs und Memes

Das musikalische Leitmotiv des Films, mit dem er beginnt und das in diversen Variationen immer wieder aufgegriffen wird, ist I Was Made for Lovin’ You von Kiss. Nominell geht es um die Kraft der Liebe zwischen Colt und Jody. Ihre Liebe wird schließlich immer wieder über ausgestellte, filmisch choreografierte Songs ausgedrückt. Aber es ist trotzdem kaum zu übersehen, dass die größte Liebe des Films die der Macher zum Fallen und zu Explosionen ist. Davon getrennt zu sein, davor Angst entwickelt zu haben wie Colt zu Beginn des Films, ist die große Tragik dieser Actionoperette, die aus Liebe zu übertriebener, greller, kreativer Unvernunft gemacht wurde.

Kurz vor Schluss haben Lee Majors und Heather Thomas einen kleinen Auftritt, die Colt und Jody in den 1980ern gespielt hatten. Doch auch wenn die Namen übernommen wurden, hat der Film fast nichts mit der Serie um einen Stuntman zu tun, der in jeder Folge in seinem Nebenjob als Kopfgeldjäger Kriminalfälle löst. Ein Colt für alle Fälle (The Fall Guy, 1981–1986) bot seinerzeit gemeinsam mit Das A-Team (The A-Team, 1983–1987), Trio mit vier Fäusten (Riptide, 1984–1986) oder CHiPs (1977–1983) ein klar abgegrenztes Spektrum von Actionunterhaltung. Die Frischzellenkur des neuen Aufgusses lässt die Serie vollkommen hinter sich. Wie diese ist der Film aber sehr deutlich Teil des Zeitgeistes seiner Gegenwart. Letztlich bietet er auch nur eine Abfolge von Gifs und Memes, wenn er zum Beispiel etwas elaborierter einen schon klassischen Phil-Collins-Mash-up-Gag aufgreift. In ein paar Jahren wird das so altbacken wirken wie heute die besagten Serien, aber wie sie damals macht The Fall Guy in seiner Zeit enorm viel Spaß.
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