The Chaser – Kritik

Viele Polizeithriller enden mit dem Geständnis des Täters. Nicht jedoch der koreanische Publikumserfolg The Chaser. Der legt erst richtig los, als der Schuldige bereits sicher hinter Schloss und Riegel zu sein scheint.

The Chaser

„Ich habe die Frauen nicht verkauft“, murmelt Young-min (glänzend aufgelegt: Ha Jung-woo, bekannt aus den letzten beiden Filmen Kim Ki-duks, Breath, Soom, 2007 und Time, Shi gan, 2006) auf der Polizeiwache, „ich habe sie getötet“. Das Geständnis, über dessen Wahrheitsgehalt das Publikum dank einer äußerst finsteren Anfangsphase, die an die Exzesse der Saw-Reihe (Saw, 2004; Saw 2, 2005; Saw 3, 2006; Saw 4, 2007) erinnert, nur allzu gut Bescheid weiß, erfolgt bereits nach einer guten halben Stunde und also eigentlich viel zu früh im Film. Es ist ein kleines Meisterstück des Drehbuchhandwerks, wie es dem koreanischen Blockbuster The Chaser (Chugyeogja) gelingt, dieses Geständnis nicht zum Schluss-, sondern zum Ausgangspunkt eines äußerst effektiven Thrillerplots zu machen.

The Chaser

Young-min lässt sich auf dem Polizeirevier zwar über viele Details seiner Taten aus und deutet an, dass sein letztes Opfer, die Prostituierte Mi-jin (Seo Yeong-hie), noch am Leben sein könnte, die entscheidende Information behält er jedoch für sich: den Tatort. Es beginnt ein Rennen gegen die Zeit: Ohne konkrete Indizienbeweise können die Polizisten Young-min trotz seines Geständnisses nicht lange festhalten.

Viel Zeit verbringt der Film im Polizeiquartier. Wie Memories of Murder (Salinui chueok, 2003), der vielleicht beste koreanische Thriller der letzten Jahre, beschäftigt sich The Chaser mindestens ebenso ausgiebig mit Ermittlungspannen und ihren institutionellen Ursachen wie mit der eigentlichen Verbrecherjagd. Insbesondere die Angst vor Skandalen und Pressemeldungen über ihr Versagen sitzt den Beamten im Nacken, der drohende Gesichtsverlust lähmt die Tatkraft. Allerdings gibt es in Na Hong-jins Werk, anders als in Memories of Murder, einen aktiven, handlungsmächtigen Gegenentwurf zum ineffektiven, passiven Polizeiapparat: Der ehemalige Polizist Joong-ho (Kim Yun-seok) tritt als Einzelkämpfer auf den Plan, eckt bei seinen ehemaligen Kollegen an und unternimmt den Versuch, das gestammelte Geständnis Young-mins mit harten, blutigen Fakten zu untermauern.

The Chaser

Diese Figur rückt The Chaser nahe an altbekannte Handlungsmuster hauptsächlich amerikanischer Vigilante-Filme. Freilich ist dieser Joong-ho nicht einfach ein Charles-Bronson-Wiedergänger unter vielen. Das wird bereits durch sein Beruf deutlich: Seit dem Ausscheiden aus dem Polizeidienst verdient er seinen Lebensunterhalt als Zuhälter, in die Geschichte gerät er, weil er Angst hat, Young-min könnte Mi-jin, eine seiner verlässlichsten Angestellten, an die Konkurrenz verkaufen. Einen Zuhälter zum positiven Helden zu machen, noch dazu einen, dessen erstes Auftreten einen selbst für diesen Berufsstand zynischen Eindruck hinterlässt, das haben sich noch nicht viele Filme getraut. Und schon jetzt darf bezweifelt werden, dass das bereits angekündigte amerikanische Remake von The Chaser dieses Handlungselement übernehmen wird.

Zwar wandelt sich Joong-hos Verhalten genrekompatibel in dem Moment, in dem er auf Mi-jins junge, ebenso frühreife wie altkluge Tochter trifft; bis zum Schluss bleibt der Blick auf diese Figur jedoch gekennzeichnet von einer Ambivalenz, die dem Genre ansonsten zwar nicht ganz fremd ist, im Eifer des Gefechts aber meist auf der Strecke bleibt. Ein Reiz des Films liegt denn auch in der Spannung zwischen der Dynamik des Genres, die zur Identifikation mit dem handelnden Helden Joong-ho zwingt – und mit dessen moralischer Verkommenheit, die weit über die längst obligatorischen Charakterschwächen zeitgenössischer Heldentypen hinaus geht und sich im wiederum sehr rabiaten Finale noch einmal ganz nachdrücklich manifestiert.

The Chaser

Technisch überzeugt The Chaser ohnehin. Die Regie des äußerst talentierten Debütanten Na Hong-jin ist rasant und kraftvoll, der Film bleibt trotz leichter Überlänge deutlich ökonomischer als die meisten anderen koreanischen Blockbuster, denen ihr Hang zum plumpen Exzess nicht selten zum Verhängnis wird. Besonders effektiv sind die zahlreichen Verfolgungsjagden in den engen Gassen der ruhigen Wohngebiete Seouls. The Chaser spielt nicht im düsteren Großstadtdschungel der Neonlichter und Bordelle, sondern vor durch und durch bürgerlicher Kulisse. Nachts sind die Straßen menschenleer, wer sich draußen zeigt, ist automatisch verdächtig und wird von Joong-ho sowie einer sehr agilen Kamera gnadenlos gejagt. Wenn die Dämmerung naht, ist alles wieder vorbei. Nur vor einem Haus haben sich zahlreiche Polizisten versammelt, die den Vorgarten umgraben.

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