Talking About Trees – Kritik

VoD: Der sudanesische Filmemacher Suhaib Gasmelbari schaut in Talking About Tress vier alten Männer dabei zu, wie sie dabei zuschauen müssen, wie Popkultur in ihrem Land verhindert wird.

Die vier sehr sympathischen, interessanten alten Männer, aus denen der Sudanese Film Club besteht, sind Regisseure aus der Zeit, als es im Sudan noch eine Filmproduktion gab. Sie haben in Deutschland und in Moskau Film studiert, einer emigrierte nach Kanada; nun stemmen sie mit ihrem Filmclub auf Hinterhöfen nur noch kleine Gratiskinoevents, vor zwanzig, dreißig Leuten. Die Kinder und Eltern haben Spaß bei der Vorführung von Chaplins Modern Times, aber die vier würden gerne auch das alte Revolution Cinema wiederbeleben, ein großes, halb verfallenes Open-Air-Kino. Der Besitzer würde es ihnen gegen Nebenkostenerstattung zur Zwischennutzung überlassen. Jedenfalls so lange, bis seine chinesischen Investoren den Bau eines Kongresszentrums mit Riesenhallen für Hochzeiten usw. auf dem Grundstück starten. Die abendlichen Vorführungen sollen mit einer Tanzdarbietung beginnen. Dann eine Pause, damit die Zuschauer zum Beten in die sechs umliegenden Moscheen gehen können (die Regisseure, alte Kommunisten, tragen diesem konkurrierenden Bedürfnis ihres Publikums augenzwinkernd Rechnung). Und danach dann: Django Unchained. Das ist der Plan.

Die vier Filmer – geduldige und entspannte Leute, ein bisschen wie der Buenavista Social Club – haben viel Schlimmes erlebt. Drei Diktaturen, drei Demokratien, Gefängnis, Folter. Sie lagern abends in der tropischen Nacht beim Zirpen der Zikaden, trinken Wasser und erzählen einander und der Kamera von damals und von heute. Lieber wäre ich jetzt nicht in diesem stickigen Kino, sondern direkt bei ihnen. Einer von ihnen hat Geburtstag, und die anderen bringen ihm einen Kuchen mit drei Kerzen, von denen jede 22 1/3 Jahre präsentiert. Der Lustigste von ihnen zeigt und erklärt seinem Kamel das Revolution Cinema. Das Kamel ist interessiert und mild.

Während sie auf die offizielle Genehmigung der Behörden warten, schauen sie schon mal in einem verstaubten Lagerraum nach alten Filmrollen (u. a. Truffauts Die süße Haut) und kehren die Riesenleinwand mit Leitern und Besen. Einer massiert dem anderen danach den Rücken. Nebenan spielen Jungen Staubfußball. Die Filmer machen unter ihnen eine kleine Umfrage: Kaum jemand hat je einen Film im Kino gesehen. Aber im Fernsehen schauen sie gerne indische oder Actionfilme. Sie sagen, sie würden gern demnächst ins Revolution kommen, denn in Gesellschaft machen Filme mehr Spaß.

Doch Regierung und Verwaltung wollen nicht. Sie kommen mit immer neuen Einwänden und kafkaesk sinnlosen Fragen. Wahrscheinlich sind sie misstrauisch und fürchten größere Versammlungen (dass Kinos im Sudan abgeschafft wurden, war eine politische Entscheidung). Vielleicht haben sie auch religiöse, sittenstrenge Bedenken. Aussprechen tun sie das nicht. Sie kommen nur demonstrativ nicht aus den Puschen. Das kulturelle Leben im Sudan, wie es einmal war, ist hoffnungslos zerstört. „Es gibt Zeiten, wo sogar das Sprechen über Bäume verboten ist“, sagt einer der Regisseure. Sie nehmen es mit großartiger Fassung. „Let’s get back to our own lives. We are smarter, but not stronger.“

Der Film steht bis 07.10.2022 in der Arte-Mediathek.

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