Superman – Kritik

James Gunn schöpft in seinem Superman-Reboot beherzt aus dem nahezu grenzenlosen Fundus bunter Figuren, den ihm die Comic-Vorlage bietet. Wirklich lebendig wird der Film aber erst, wenn sich die Fantasy mit dem Alltäglichen das Bild teilen muss.

In jedem Superhelden-Film gibt es jenen Moment, an dem die bislang scheinbar unverwundbare Hauptfigur gebrochen am Boden liegt. Die übermenschliche Kraft hat sie verlassen und sie blickt der Tatsache ins Auge, dass auch der stärkste Körper nutzlos ist, wenn er nicht mehr funktioniert, dass auch dieser Körper kaputtgemacht werden kann. Meist passiert das gegen Ende des Films, ein kleines Memento Mori kurz vor dem dann doch unausweichlichen finalen Triumph. James Gunns Superman hingegen fängt direkt mit einem derartigen Moment der Gebrochenheit seines Helden an: In der ersten Einstellung fällt Superman hilflos aus dem Himmel und liegt danach blutend und röchelnd inmitten der antarktischen Eiswüste. Auch später malträtiert der Film seinen Helden so beständig mit Schlägen, Tritten und anderen Schikanen, dass die Schrammen und Blessuren irgendwann zu natürlichen Bestandteilen von Supermans Antlitz werden. Seine positiven Superkräfte – das Fliegen, die mythische Stärke, der Laserblick – kommen zwar zum Einsatz, machen aber in Superman nicht das eigentlich Herausragende der Titelfigur aus: Seine wahrhaft übermenschliche Fähigkeit besteht darin, körperliche Aggression auf sich zu ziehen und dann grenzenlos auszuhalten.

Die Fixierung auf Supermans körperliche Zerbrechlichkeit bedeutet allerdings nicht, dass Gunns Film einen betont ernsthaften oder gar existenzialistischen Einschlag hätte. Im Gegenteil: Wenn Gunn eine scheinbar endlose Reihe immer neuer Monster, Klonsoldaten und Roboterschwärme auftreten lässt, dann tut er dies, um eine Atmosphäre der spielerischen Unberechenbarkeit zu etablieren. Diese Kreaturen brauchen, da sie nun einmal da sind, auch etwas zu tun und von diesem Tun ist Superman unweigerlich der Leidtragende. Er ist gleichsam der Kollateralschaden von Gunns Vernarrtheit in den unerschöpflichen Fundus an Motiven, den seine Comic-Quelle ihm bietet. Dieser Enthusiasmus verleiht dem Film eine visuelle Überfülle, die aber leider bald ermüdend wirkt – vor allem, weil es Gunn nicht gelingt, dem Geschehen eine dramatische Form zu geben.

Alle sind von Anfang an auf Position

Zunächst ist es durchaus eine Wohltat, dass Superman gleichsam in medias res einsteigt und nicht erst die bekannten Stationen der Superhelden-Selbstfindung durchschreitet. Kein zaghaftes Erkennen der eigenen Kräfte, kein schockartiges Hinaustreten an die Öffentlichkeit, keine qualvolle Zerrissenheit zwischen höheren Pflichten und privaten Wünschen. Superman (David Corenswet) hat sich in Gunns Film schon längst in sein Helden-Dasein eingefunden und hat auch sein Alter Ego als unscheinbarer Zeitungsjournalist Clark Kent stabil in dieses Dasein integriert. Seine Kollegin Lois Lane (Rachel Brosnahan) weiß bereits um Clarks wahre Identität und auch die Zuneigung zwischen den beiden ist schon ausgesprochen und zu einer beginnenden Liebesbeziehung gediehen. Der glatzköpfige Großbösewicht Lex Luthor (Nicholas Hoult) hat ebenso seine Rolle voll eingenommen und lässt seinem Hass auf Superman von der ersten Filmminute an freien Lauf.

Der Verzicht auf die allzu vertrauten Handlungsstationen hat jedoch zur Folge, dass es kaum Szenen gibt, in denen man miterlebt, wie sich die Beziehungen zwischen den Figuren entwickeln, wie sie ihr Verhältnis zueinander aufbauen oder neu aushandeln. Auf Ebene der der Erzählung hat der Film dadurch – trotz des geschäftigen Treibens, das beständig die Leinwand füllt – etwas sehr Statisches. Es ist Gunn offenkundig ein Anliegen, uns ohne Umschweife die gesamte Welt von Superman mit all ihren liebgewonnenen Bestandteilen zu präsentieren. Doch vielleicht muss man, so mühsam das auch sein mag, einer Welt ein Stück weit beim Entstehen zuschauen, um sich in ihr zurechtfinden zu können.

Dabei ist Corenswet in der Titelrolle durchaus sympathisch und holt das Mythisch-Überhöhte der Figur zumindest emotional immer wieder auf ein menschliches Normalmaß herunter. Dadurch haben vor allem die (allzu wenigen) Szenen zwischen ihm und Lois Lane etwas angenehm Beiläufiges: Keine große Liebe, kein romantischer Überschwang, nur zwei Menschen, die irgendwie einen Weg finden müssen, den Alltag miteinander zu teilen. Doch das Nahbare der Figur hat auch zur Folge, dass Superman nie so naiv-heroisch und vor allem als Clark Kent nie so linkisch ist, wie etwa Christopher Reeve es in den Superman-Filmen der 70er und 80er war. Der unbeholfene Zwangsoptimist, der seiner eigenen Übermacht fremd und hilflos gegenübersteht – diese innere Spannung, die Superman in früheren Interpretationen als Figur ausmachte, fehlt in Gunns Film weitgehend.

Ein befreiender Mangel an Souveränität

An überbordender Dramatik scheint Gunn aus Prinzip nicht allzu viel zu liegen, der Grundmodus seiner Filme ist der einer entspannten Cabriolet-Fahrt zu halb-ironischem Classic Rock, der von Kassette aus den Lautsprechern scheppert. Die komischen Einschübe und absurden Spitzen, die man aus Gunns Guardians of the Galaxy-Filmen kennt, finden sich auch in Superman – auch wenn sie hier nur teilweise jene gelöste Atmosphäre entstehen lassen, die offenkundig das Ziel ist. Am witzigsten sind jene Handvoll Momente, in denen überzeichnete Fantasy und irdische Banalität gleichberechtigt das Bild teilen: ein Beziehungsstreit im Vordergrund, während im Hintergrund, unbeachtet von den Streitenden, ein Riesenmonster bekämpft wird, oder ein futuristisches Raumschiff, das in einer Garage geparkt wurde, deren Tor sich nur quälend langsam und unter lautem Quietschen öffnet.

Am deutlichsten erkennt man Gunns Sensibilität an der Tatsache, dass er die grundlegende Einsamkeit Supermans nicht aushält und ihm als Support Act ein zusammengewürfeltes Trio an Helden aus der zweiten Reihe zur Seite stellt. Dieses Grüppchen – eine Art verkleinerte Neuauflage der Guardians – ist mit seinem kleinlichen Gezänk und mit der Unsouveränität seiner vermeintlichen Heldentaten ein willkommener Unruhepol in Superman. Die drei, die unter dem hilflos uncoolen Namen „Justice Gang“ auftreten, sind die einzigen Figuren, die sich in Gunns Welt noch nicht sicher zurechtfinden und die noch nicht wirklich wissen, wer sie eigentlich sind. Sie probieren noch verschiedene Rollen für sich aus, geben sich mal großspurig, mal kleinlaut, handeln mal impulsiv, mal abgeklärt – und haben in ihrem Auftreten dadurch jenes Spielerische, das Gunns Film ansonsten, bei allem offenkundigen Unterhaltungswillen, allzu oft abgeht.

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