Strange World – Kritik

Strange World sieht aus wie ein wundersamer Mischmasch aus Sauriern, Insekten, Kraken, Einzellern und Gummibärchen. Doch so schön die Comicnachstellungen sind, der Geschichte um Väter, Söhne und Ökologie geht es vor allem um ihre Agenda.

Strange World wird durch Comicseiten gerahmt. Sie sollen unterstreichen, dass wir ein buntes Abenteuer erleben werden beziehungsweise erlebt haben. Entsprechend beginnt es auch gleich mit einer seltsamen Welt. Wir befinden uns in einem Tal, das von unüberwindlichen Bergen eingeschlossen ist. Der Abenteurer Jaeger Clade (im Original: Dennis Quaid) ist eine lebende Legende und Held unzähliger Comicerzählungen. Sein letztes Ziel ist es, das Tal zu verlassen und seine Zivilisation in eine glänzende Zukunft außerhalb der Berge zu führen.

Atemberaubende Landstriche

Diese fremde Welt wird in Strange World rasend schnell eingeführt. Keine Zeit gibt es, um die Ausgangslage, die Lebensrealität im Tal, nachzuvollziehen. Stattdessen wird eine Vater-Sohn-Beziehung etabliert. Denn Jaeger hat einen Sprössling, Searcher (Jake Gyllenhaal), der – ohne dass es der Vater bemerken würde – nicht darauf erpicht ist, in dessen Fußstapfen zu treten. Nach einem Zerwürfnis bleibt der Vater in den Bergen verschollen, und der Sohn schafft es mit einer Entdeckung aus den Bergen – einer Strom spendenden Pflanze namens Pando, die er folglich anbaut – seine Zivilisation umzukrempeln. Statt wie sein Vater den Stier ständig bei den Hörner packen zu wollen, die Welt mittels der eigenen Kraft zwanghaft zu unterwerfen, strebt er nach der Kultivierung seiner selbst und seiner Welt.

Diese ersten Minuten sind knapp, aber doch richtungsweisend für den Film. Denn noch weitere seltsame Welten werden in ihm bereist: die neue landwirtschaftlich geprägte Steampunkwelt, die durch das Pando entsteht, die noch seltsamere Welt unter der Erde, in die Searcher eine Expedition unternimmt, um die von einer Krankheit befallene Pandokultur zu retten, und die Welt, die sich wiederum hinter dieser verbirgt. Mehrmals bricht Strange World auf und entdeckt atemberaubende Landstriche mit atemberaubender Flora und Fauna. Ein wenig erinnert das Entdeckte an die von Roger Dean beeinflusste Welt von Avatar – Aufbruch nach Pandora (2009). Jules Verne kommt in verschiedenen Gewändern darin vor, und überhaupt sieht alles wie ein wundersamer, süßer Mischmasch aus Dinosauriern, Insekten, Kraken, Einzellern und Gummibärchen aus.

Bis es jeder versteht

Bezeichnend ist aber auch, dass Strange World den Höhepunkt seiner Schönheit in den Comicnachstellungen findet, in denen er auf expressive Stilisierung setzt und das Fremdartige nicht mit möglichst gängiger Computeranimationsoptik einzufangen versucht, die lediglich eine etwas ungewöhnliche Farbpalette benutzt. Nach kurzen Momenten des Staunens in diesen neuen Welten werden all die wundersamen Dinge schließlich auch recht bald wieder links liegen gelassen, weil es eben um die gar nicht geht. Sondern um die Väter und Söhne und um die Agenda, die der Film sehr plump mit ihnen verfolgt. Die er immer und immer wieder ausformuliert, bis es auch noch der letzte Begriffsstutzige verstanden hat.

Searcher hat inzwischen nämlich auch einen Sohn, Ethan (Jaboukie Young-White). Und so sehr er sich sonst von seinem Vater unterscheidet, auch er vermag diesen Sohn nicht als den zu erkennen, der er ist. Mehr noch: Er drückt aus Angst, sein Sohn könnte wie sein Vater werden, Ethans Hang zum Abenteurertum weg und will zwanghaft einen Farmer aus ihm machen. So zentral sind diese Konflikte, dass die seltsamen Welten in den Augenwinkel verbannt werden, wenn sich die ständigen Diskussionen der drei Generationen immerzu im Kreis drehen. Nicht dass die Dialoge dabei ein Interesse an den Figuren aufweisen würden, formulieren sie deren statische Beziehungen zueinander doch nur immer wieder und wieder aus.

Unnormal große Scheinwerfer

Überhaupt steckt hinter dem Verkennen der Väter ihrer Söhne und ihrem Willen, ihren Nachkommen etwas aufzuzwingen, etwas anderes. Die Väter stehen nämlich für die Zerstörung ihrer Welt. Da wo Jaeger, der seit seinem Verschwinden unter der Erde lebt, alles erstmal wegbrennt und dann fragt, da möchte der andere der Umwelt seinen Willen aufzwingen und sie zu seinem Feld machen. Keiner der beiden nimmt die Welt, wie sie ist, worauf Strange World die Verkündung seiner (nicht gerade komplexen) ökologischen Botschaft fußen lässt: Wir sollten unsere Erde als lebenden Organismus verstehen und keinen Raubbau mehr an ihr betreiben. (Einen Sinn für die abenteuerliche Widersprüchlichkeit, für diese Botschaft ein profitorientiertes Produkt eines Giganten unserer raubbauenden Welt zu nutzen, wird schon gar nicht gezeigt.)

So strebt Strange World immer wieder dahin, zur Bühne zu werden, auf der performt wird, dass man – die Filmemacher, Disney, der abnickende Zuschauer – auf der richtigen Seite steht. Ethan ist beispielsweise schwul. Ohne dass es größere Relevanz bekäme, wird es auffällig oft unmotiviert in den Raum gestellt. Und sehr auffällig wird es in Situation erwähnt, wo zu erwarten ist, dass ältere Generationen höchstwahrscheinlich ein Problem damit haben werden. Und genauso auffällig wird dann eben kein Problem daraus gemacht. Die Scheinwerfer, mit denen uns verkauft werden soll, wie normal dieses Schwulsein in Strange World ist, sind unnormal groß.

Faszinierenderweise scheint aber niemand mitbekommen zu haben, wie bei all der Ausstellung der eigenen sexuellen Toleranz und des Vater-Sohn-betriebenen ökologischen Gewissens die Frauen zu farblosen Randfiguren werden – noch mehr noch als die tollen Reiche des Außergewöhnlichen. Aber noch mehr Tugendbeweise hätte Strange World auch kaum vertragen. Zwar nehmen diese nicht überhand und behindern den trotzdem rasanten Film nur bedingt. Nur schieben sie sich wiederholt dröge vor die wundersamen seltsamen Welten, mit denen ästhetisch, dramaturgisch und intellektuell mehr zu holen gewesen wäre.

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