Spielerinnen – Kritik

Seit 30 Jahren porträtiert Regisseurin Aysun Bademsoy in einer feinfühligen Langzeitbeobachtung fünf deutschtürkische Fußballerinnen. Der mittlerweile vierte Film Spielerinnen zeigt, dass das Verhältnis zu Deutschland auch für die nächste Generation noch kompliziert ist.

Wie frei man als türkisches Mädchen leben kann, das vergleicht die mittlerweile 46-jährige Arzu mit einem Glücksspiel: Letztlich komme es darauf an, wie viele Onkels und Cousins man habe, wie diese so drauf wären und ob sie sich in die Erziehung einmischen. Die Deutschen würden oft nicht verstehen, wie schwer es ist, diesem Druck standzuhalten und welch hohen Preis man zahlen muss, wenn man sich gegen die eigene Familie auflehnt.

Arzu ist eine von fünf Deutschtürkinnen, denen sich die Regisseurin Aysun Bademsoy seit mittlerweile 30 Jahren im Rahmen einer Langzeitbeobachtung widmet. Los ging es mit dem Porträt eines Kreuzberger Fußballteams mit jungen Türkinnen. Mädchen am Ball (1995) fängt den Zusammenhalt, den Ehrgeiz und die Krisen einer Sportmannschaft in der unteren Liga ein. Wie in fast allen Filmen von Bademsoy geht es dabei außerdem um die zerrissene Identität von Migranten und ihren Nachkommen. Eine frühe Fernseharbeit der Regisseurin trägt diesen Widerspruch bereits im Titel: Nirgends ist man richtig da.

Die miteinander befreundeten Mädchen litten damals unter der Strenge ihrer türkischen Familien, aber auch unter der in mancher Hinsicht „lockereren“ deutschen Mehrheitsgesellschaft, die ihnen immer wieder zu spüren gab, nicht dazuzugehören. Am Anfang von Ich geh' jetzt rein (2008) sagt Türkan wütend in die Kamera, dass sie sich nur als Türkin fühle, weil man ihr ständig das Gefühl gebe, nicht deutsch zu sein.

Zwickmühlen in Verhältnissen, die man nicht ändern kann

In Mädchen am Ball scheint Arzu noch besonders darüber zerknirscht zu sein, dass man ihr bestimmte Freiräume nicht zugesteht. Denn in vielen deutschtürkischen Familien lautet die Regel für junge Frauen: Ausziehen darfst du erst, wenn du heiratest. Spielerinnen ist nun der bereits vierte Film, der sich den Mädchen von einst widmet und damit auch ihrem Alltag, ihrer Weltanschauung und ihren Zwickmühlen. Ziel der Frauen ist dabei kein utopischer Befreiungsschlag, sondern eine Existenz innerhalb von Verhältnissen, die man nicht ändern kann. Sie versuchen, ihrem Glück nahe zu kommen, aber nicht, sämtliche Widersprüche aus ihrem Leben zu eliminieren.

Arzu verkörpert diesen Kompromiss am deutlichsten. Mit Mitte 40 ist sie Single und düst auf ihrem Motorrad – dem ultimativen Freiheitssymbol – durch Berlin. Im Vergleich zu den alten Aufnahmen ist sie auch extrovertierter und lebensfroher geworden. Nach einer schweren Krise und laufenden Mieterhöhungen ist sie allerdings auch wieder bei ihren Eltern eingezogen – also dort, wo sie damals um jeden Preis wegwollte.

Lass uns feiern, die Seele soll es erfreuen“

In jedem der vier Fußballerinnen-Porträts taucht derselbe Clip auf, in dem die Mädchen nach einem Spiel ausgelassen auf Türkisch singen: „Lass uns feiern, die Seele soll es erfreuen“. Im Rückblick war es für die Spielerinnen eine der schönsten Zeiten ihres Lebens. Bezeichnenderweise beginnt Spielerinnen mit der Beerdigung des früheren Fußballtrainers und schließt diese Ära damit endgültig ab. Die Frauen stehen heute überwiegend mit beiden Beinen im Leben und haben Kinder. Die schüchternen Zwillinge Nalan und Nazan sind mittlerweile Geschäftsfrauen, die Hochzeiten organisieren oder in der Gastronomie arbeiten.

Die Gegenüberstellung mit der Vergangenheit zeigt, auf welch wunderliche Weise sich Menschen im Laufe der Zeit verändern. Nazan und Nalan sehen immer noch aus wie die neugierigen Mädchen von damals, wirken heute aber selbstbewusster und markanter. Aber haben sie sich auch ihre Ideale bewahrt? In der Mitte von Spielerinnen steht nicht zufällig eine Hochzeitszeremonie. War es in Mädchen am Ball der Sport, der zur Auflehnung gegen die Tradition diente, ist es nun die Ehe, mit der die Frauen von dieser Tradition wieder eingeholt werden.

Bademsoy zeichnet sich vor allem als zurückhaltende Beobachterin und gute Zuhörerin aus. Nur manchmal hakt die Regisseurin auf sanfte Art nach. Über die Jahrzehnte hat sie ihren Protagonistinnen manche Fragen immer wieder gestellt: „Türkische Mädchen dürfen keinen Freund haben, oder?“ schlussfolgert sie noch in Mädchen am Ball, nachdem die Zwillinge auf ihr Nachbohren mit peinlich berührtem Schweigen reagieren.

Der Wunsch, sich nicht mehr rechtfertigen und erklären zu müssen

Heute hat sich die Perspektive geändert, aber die ehemaligen Fußballerinnen drucksen bei diesem Thema immer noch ein wenig herum. Auf die Partnerwahl der Tochter will man keinen Einfluss nehmen, mal sehen, wo die Liebe hinführt. Weil Bademsoy aber nicht lockerlässt, folgt doch noch das Geständnis. dass man lieber einen Türken als einen Deutschen zum Schwiegersohn hätte. Vielleicht auch nur, weil sich die Tochter dann weniger erklären muss.

Ein wenig überraschend und schade ist es, dass es diesmal nur noch um vier statt um fünf Frauen geht: Mit Safiye hat sich ausgerechnet die kämpferischste und unangepassteste der Frauen dazu entschieden, nicht mehr vor die Kamera zu treten. Zudem ist sie auch die Einzige, die noch aktiv Fußball spielt. Gerade bei ihr wäre man neugierig gewesen, wie ihr Leben weiterverlaufen ist.

Für die Verbleibenden hat sich an dem zwiespältigen Verhältnis zu Deutschland nur bedingt etwas geändert. Arzu und die alleinerziehende Busfahrerin Türkan träumen davon, die Türkei zu ziehen, müssen sich allerdings auch eingestehen, dass sich dieser Wunsch vermutlich weniger auf ein konkretes Land als auf einen romantischen Sehnsuchtsort bezieht, an dem man sich nicht mehr rechtfertigen muss.

In Ich geh' jetzt rein wurde noch die Theorie aufgestellt, dass die Deutschtürken sich immer weiter anpassen und in mancher Hinsicht offener werden würden. Die Hochzeitsregel gilt jedoch auch heute noch. Aufschlussreich sind dabei die Interviews mit den Töchtern, die sich, wie einst ihre Mütter, an der Schwelle zum Erwachsensein befinden. Die jungen Frauen wirken entschlossener und haben ambitioniertere Berufsziele – eine studiert, die andere will Polizistin werden –, doch auch sie fremdeln gelegentlich mit Deutschland. Türkans Tochter wendet sich etwa wieder stärker der Religion zu und hat gar Angst, dass die Türken bei all der Assimilierung letztlich ihre Identität verlieren würden.

Spielerinnen findet eine gelungene Balance darin, einerseits die jeweiligen Persönlichkeiten der Frauen einzufangen, andererseits aber auch eine gemeinsame Erfahrung herauszubilden. Alle Beteiligten scheinen sich mehr oder weniger darauf einigen zu können, dass Deutschland ihre Heimat ist. Den Film interessiert dabei jedoch das „aber“, das meist darauf folgt.

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