Spider-Man: No Way Home – Kritik

Wer bemängelt an einer Achterbahnfahrt schon falsche Kurven? Spider-Man: No Way Home lässt unbekümmert Erzählwelten zusammenprallen und treibt das Marvel-Prinzip, mit jeder Szene auf Affekte zu zielen, auf die Spitze.

Die Ereignisse überschlagen sich zu Beginn des dritten Abenteuers für den von Tom Holland gespielten Peter Parker. Gerade den letzten Kampf aus dem Vorgänger Spider-Man: Far From Home (2019) hinter sich lassend, schwingt er durch New York – doch dann wird seine Identität aufgedeckt und er fälschlicherweise als Mörder in den Medien exponiert. Eine Hetzjagd beginnt, die nicht bei ihm vor der Haustür endet. Seine Freunde MJ (Zendaya) und Ned (Jacob Batalon) werden mit in sein Schlamassel gezogen.

Weder ein noch aus wissend, wendet sich der kurz vorm Collegeabschluss stehende Wandkrabbler an seinen Avengers-Kumpel Dr. Strange (Benedict Cumberbatch). Peter bittet ihn darum, aus seiner Identität außerhalb seines Superheldendaseins wieder ein Geheimnis zu machen. Doch der Zauber misslingt: Durch Dr. Stranges und Peters unüberlegtes Handeln kommen mehrere Bösewichte aus vorherigen Spider-Man-Universen (aus der Sam-Raimi-Trilogie und Marc Webbs Zweiteiler) in die Welt der Avengers. Jeder davon muss besiegt und anschließend in sein Heimatuniversum befördert werden. Alles andere als einfach, wie sich herausstellt.

Attraktionsreicher Freizeitpark

Seit Jahren folgen die Marvelfilme mit ihrer Masse an hastigen Erzählungen einem Prinzip, das zu den Anfangszeiten des Films zurückreicht. Früher fast ausschließlich auf Jahrmärkten aufgeführt, sollten Kurzfilme das Publikum in Staunen versetzen. Jene Eigenschaften aus dem späten 19. Jahrhundert sind nie ganz verschwunden, machen in Blockbustern meist einen großen Bestandteil aus. Marvel treibt das aber auf eine selten erreichte Spitze. Superheldenfilme, gerade diejenigen, die mehr als nur einen Helden auf der Leinwand heraufbeschwören, gleichen mehr einem attraktionsreichen Freizeitpark.

Egal, wo man hinschaut, jede Szene in No Way Home ordnet sich dem Ziel unter, Affekte beim Publikum auszulösen. Indem Figuren aus den eigenständigen Spider-Man-Filmreihen jetzt erstmals Einzug ins MCU erhalten, werden mit den fünf Schurken gleich fünf Attraktionen geboten, die man vor ein paar Monaten noch gar nicht für möglich hielt. Interaktionen mit dem Green Goblin (dargestellt von Willem Dafoe) und Doc Ock (Alfred Molina) aus Sam Raimis Spider-Man-Filmen lassen Fanherzen wie meines natürlich höherschlagen, sobald Tom Holland neben ihnen ins Bild huscht.

Logik und Physik spielen keine Rolle

Logiklöcher verwundern dort nicht, wo verschiedene Universen zusammenprallen. Massenweise gibt es Ungereimtheiten. Sollte man sensibler Natur bei solchen Drehbuchkatastrophen sein, wird der Film schnell unerträglich. Doch No Way Home schert sich nicht um eine stringente und sinnvolle Handlung – nahezu jede Szene ist dafür da, das nächste ‚Wow‘ aus den Zuschauer*innen zu kitzeln.

Wen kümmert es, dass der bislang planvoll agierende Stratege Dr. Strange zur irrational handelnden Figur verkommt, wenn das Publikum durch seinen verpatzten Zauber einen Kampf zwischen ihm und Peter in der visuell beeindruckenden Spiegelwelt bekommt, wo Gebäude sich geometrisch in alle Richtungen duplizieren und die Physik keine Rolle mehr spielt? Für Schauwerte geht man hier ins Kino. Bei einer Achterbahnfahrt ärgert man sich später auch nicht darüber, dass nach dem dritten Looping in Folge nicht noch eine letzte Kurve im passenden Winkel das Fahrerlebnis abrundet. Ähnliches gilt in No Way Home, der es zu oft versäumt, inmitten des Bombasts auch ruhige Szenen zu setzen, um sich kurz für die nächste Attraktion zu wappnen oder die Motivationen und Veränderungen seiner Charaktere zu ergründen.

Tumult mit einer Prise Nostalgie

Letzteres kann im Finale besonders schmerzhaft sein, bei dem fast auf den letzten Drücker noch weitere Figuren in die Erzählung gewoben werden. Ihr Auftritt geht aber dadurch, dass alle Szenen für offene Münder sorgen sollen, ohnehin in der zunehmend betäubenden Masse unter, in der alles und somit wenig wahrlich besonders ist. Ganz schafft es der neuste Teil nicht, seine Spektakel über die gesamte Laufzeit wirken zu lassen.

Zieht man den Vergleich zu Comics, gleicht No Way Home einem Tie-In. Das sind Kurzgeschichten, die während einer übergeordneten Superheldenstory stattfinden, selbst aber nur vage mit der Geschichte zu tun haben, unter anderem verschiedene Figuren zusammenbringen sollen. Inhaltlich sind diese Werke weitestgehend belanglos, sie sind Fanservice für die Leser*innen, die hier ihre geliebten Helden miteinander interagieren sehen. Nun vereint sich Peter Parker mit Dr. Strange auf der Leinwand, um Gegner XY aus früheren Filmen zu besiegen. Ein Spruch hier, ein schöner Moment da, im Tumult mit einer Prise Nostalgie. Irgendwo dazwischen verstecken sich die Drei-Akt-Struktur und Plotpoints. Dadurch begibt sich No Way Home auf ein erzählerisches Minimum. Manchmal, so hat es den Anschein, hat sich seit hundert Jahren kaum etwas verändert, die Filme sind nur länger geworden, gleichen weiterhin einem Rummelplatz – aber zelebrieren die Attraktion.

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