Solo: A Star Wars Story – Kritik

Würde dieser Han zuerst schießen? In Ron Howards Solo: A Star Wars Story erscheint die vermeintlich egoistische Söldnerseele von Anbeginn als geläuterter Held im Wartestand. Sein Nachname wird auch erklärt.

Als der junge Han beim Raumflughafen-Boarding angibt, keine Angehörigen zu haben, gibt ihm der Mann am Schalter den Nachnamen, unter dem ihn die globale Popkultur seit 1977 kennt. Dabei war dieser Name schon seit jeher so offensichtlich Programm, wie die Figur innerhalb der erzählten Welt eben nur zufällig so hieß. Die bescheuerte Idee, nun die irdische Bedeutung des Wortes „Solo“ ins Star-Wars-Universum erklärend einzuführen, ist dabei vielleicht weniger symptomatisch für Ron Howards Film als ganz generell für die Malaise, die man unter dem Namen „Prequel“ kennt. Der Drang, alles ausbuchstabierende Vorgeschichten auf die Leinwand zu bringen, mag vordergründig die Neugier des Publikums befriedigen, doch noch stets um den Preis seiner Vorstellungskraft.

Stillgestellte Fantasie

Denn gerade fantastische Welten gewinnen ihren Reiz daraus, nur ein kleiner Ausschnitt aus einem größeren Ganzen zu sein – und je beiläufiger auf dieses Ganze angespielt wird, desto mehr Freiheit bleibt uns, die erzählte Welt weit über das Gezeigte hinauswuchern zu lassen. Wenn im Original-Star Wars ein alter Eremit davon raunte, mit dem Vater des Helden „in den Klon-Kriegen gekämpft“ zu haben, wenn ein cowboyhafter Söldner damit prahlte, mit seiner Schrottmühle von Raumschiff „die Kessel-Strecke in weniger als zwölf Parsec“ geflogen zu sein, dann war es nicht nur nicht schlimm, dass damals noch kein Mensch wusste, was das alles genau zu bedeuten hatte. Gerade diese Unbestimmtheit erzeugte ein wie von selbst mitlaufendes mythisches Hintergrundrauschen, das mithalf, die Welt, die uns da wie aus dem Nichts vorgesetzt wurde, erscheinen zu lassen, als wäre sie schon immer da gewesen.

Seit Disney das Franchise übernommen und die Schlagzahl der Star-Wars-Filme Marvel-Dimensionen erreicht hat, gibt es nun neben den Hauptfilmen noch Zwischenwerke, die dieses Hintergrundrauschen nach und nach scharfstellen, Nebenschauplätze ausleuchten, offene Fragen beantworten und erzählerische Lücken schließen. Ließ sich Rogue One (2016) passgenau wie ein Puzzleteil vor Episode IV einfügen, so setzt Ron Howards Solo nun vieles ins Bild, was in den alten Filmen über die Vergangenheit des beliebtesten Helden der Saga nur angedeutet wurde: wie er seinen zotteligen Sidekick Chewbecca kennenlernte, wie er sein Raumschiff im Kartenspiel gegen seinen wenig vertrauenswürdigen Kumpel Lando gewann, und „die Kessel-Strecke in weniger als zwölf Parsec“ wird eine an die Verfolgungsjagd durchs Asteroidenfeld aus Episode V erinnernde Action-Sequenz, der der „Millenium Falcon“ sein bekanntes ramponiertes Äußeres verdankt.

Pflichtschuldige Referenzen

Doch all diese Momente, die magisch sein sollen, kommen ziemlich mau daher: Wenn Han Solo etwa das erste Mal vorm „Falcon“ steht, gibt es für uns, die wir ihn schon tausendmal dort stehen sahen, schlicht keinen Anlass, ergriffen zu sein, mag uns der jäh in klassische Motive wechselnde Score noch so sehr dazu überreden wollen. Ebenso wenig können wir die Einführung Chewbaccas als menschenfressendes Monster, zu dem Han in die Grube geworfen wird, auch nur für einen Augenblick als bedrohlich wahrnehmen. Und ein Kartenspiel, bei dem wir zwar den Ausgang, aber nicht die Regeln kennen, gibt dramaturgisch wenig her. Pflichtschuldig wird anreferenziert, warum Chewbecca seit jeher ein schlechter Verlierer war oder der Maschinenraum des „Falcon“ noch nie ein idealer Ort zum ungestörten Knutschen.

Abgehakt werden all diese Punkte im Rahmen eines Heist-Movie-Plots, in dem Solo auf Umwegen unter die Fittiche des älteren Gauners Tobias Beckett gerät und zusammen mit ihm im Auftrag eines Gangsterbosses eine Ladung wertvollen Treibstoffs stehlen soll. Dieser Plot springt in Star-Wars-üblicher Manier über verschiedene Planeten, die für sich genommen durchaus stimmungsvolle Settings hergeben, Solos Heimatwelt Correlia etwa, ein düster blau-grauer Industrie-und-Hafen-Planet in der Frühzeit des Imperiums, oder ein großer Eisenbahnraub-Air-Raid auf einem verschneiten Hochgebirgsplaneten, das inszenatorische Highlight das Films. Abseits des Prequel-Pflichtprogramms weiß vor allem Woody Harrelson als schillernd zwielichtiger Beckett mit bis zuletzt unklaren Motiven zu gefallen. Und die Romanze zwischen dem „pansexuellen“ Lando – dessen halbseidener Charme von Donald Glover sehr unterhaltsam rübergebracht wird – und einem feministischen Roboter kommt zwar in der Umsetzung eher kurios als berührend daher, gehört aber ebenfalls zu der Handvoll interessanter Einfälle in Solo.

Im Zweifel für das Gute

Doch trotz alledem entwickelt der Film vor dem Finale, als die Gut-Böse-Verteilung der Figuren, und wer wen gerade übervorteilt, mehrmals umgestülpt wird, aus sich heraus wenig dramatische Spannung. Ein Hauptproblem dabei ist die Konzeption der Titelfigur selbst. Alden Ehrenreich imitiert Harrison Fords Posen und Grinsen nach Kräften, ist aber machtlos gegen einen Plot, der Han Solo nie von seinen ersten Star-Wars-Auftritten als egoistische und erfrischend ungläubige Söldnerseele her denkt, sondern immer schon von seiner späteren Entwicklung zum in die Gemeinschaft integrierten Verantwortungsträger. Der vorlaute junge Pilot mag nach dem Rauswurf bei der imperialen Akademie zwar mit dem Verbrechen anbandeln, und die alte Frage, ob Han zuerst geschossen hat, mag an einer entscheidenden Stelle auch mit einem vorsichtigen Ja beantwortet werden, doch besteht in Solo nie ein Zweifel, dass er sich im Zweifel für das Gute entscheiden wird. Der vermeintliche Schurke, dem nicht ohne Grund bereits in diesem Film eine Mitgliedschaft in der Rebellen-Allianz angeboten wird, ist von Anbeginn ein geläuterter Held im Wartestand, und das Ziel, seine auf Correlia zurückgelassene Freundin (Emilia Clarke) nachzuholen, verliert er nicht aus den Augen. Die könnte somit nicht falscher liegen mit der Behauptung, sie allein erkenne den „good guy“ in ihm – wir sehen ihn ebenfalls die ganze Zeit.

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Kommentare


Los Paul

Der erste und letzte Satz der Kritik wirken auf mich, als hätte der Rezensent eine zentrale Szene des Film nicht gesehen. Vielleicht ist das ja eine Spoilervermeidungsstrategier, aber ich verstehe es trotzdem nicht.


Maurice

Nein, das war keine Spoilervermeidungsstrategie, sondern so schlicht und ergreifend falsch dargestellt. Ist jetzt begradigt.






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