Soldaten des Lichts – Kritik
Ein Reichsbürger-Fitness-Influencer und sein Gefolgsmann: Julian Vogels und Johannes Büttners Dokumentarfilm Soldaten des Lichts gibt einen beklemmenden Einblick in eine Welt zwischen Überzeugung und Kalkül, Ideologie und Profit.

Sport zum Zwecke der Selbstoptimierung ist en vogue, entsprechende Ernährungsprodukte verkaufen sich massenhaft und der Markt wächst. Ganz im Trend liegt daher das Bild eines Ensembles junger Männer in einem Heim-Fitnessstudio, mit dem Soldaten des Lichts, der Dokumentarfilm von Julian Vogel und Johannes Büttner, einsetzt. Aber wer sind die dort, die trainieren? Der Kamerablick in dieser zweiten Einstellung ist bereits mehrfach gerahmt – bildkompositorisch vor dem Umschnitt in den Innenraum durch eine Tür, die zum Putzen halb geschlossen wird, und kontextuell davor durch Texttafeln zum KRD („Königreich Deutschland“), jener verfassungsfeindlichen Reichsbürger-Vereinigung, die die Bundesrepublik als „Deutschland GmbH“ ablehnt, sich außerhalb der rechtsstaatlichen Institutionen selbstverwalten will und die vom Bundesinnenministerium im Frühjahr 2025 verboten wurde. Dieser Einstieg markiert bereits das extreme Umfeld, in dem sich die Menschen bewegen, und wirft die Frage ihrer Motivationen auf, die der beklemmende Film auslotet. Dabei changiert der Fokus beständig zwischen Glaubenssätzen, ideologischen Strukturen und konkreten Personen. Das Ganze endet tragisch, mit der Texttafel zu einem Einzelnen.
Welt der Kontraste: Abnehmende Körper und Egos mit Sendungsbewusstsein

Soldaten des Lichts bewegt sich durch eine Welt der Abgründe und strukturierenden Kontraste. Dabei springt er von einer statischen Einstellung zur nächsten und zeigt sorgsam kadrierte Körper, häufig beim Sprechen und meist in bürgerlichen Innenräumen, scheußlich eingerichteten Wohnzimmern oder weißen Einbauküchen. Im Zentrum stehen zwei Personen. Dreh- und Angelpunkt ist der Influencer David, der als Mr. Raw auf Social Media vegane Rohkost anpreist, eigene Produkte vertreibt und Fastenkuren gegen Krebs empfiehlt. Er redet schnell und viel und lässt in einer sektenartig anmutenden Lebensgemeinschaft andere für sich arbeiten. Vor allem Timo, der sich durch seine Dienste einerseits den Erwerb der höherpreisigen Nahrungsergänzungsmittel finanziert und sich andererseits von David auch Abhilfe gegen die seelische Dunkelheit erhofft, die ihn befallen hat. Dass es ihm psychisch nicht gut geht, ist sofort ersichtlich. An Timo knüpft sich, beginnend mit seinem Einzug, die zeitliche Entwicklung des Films. Nur selten verlässt Soldaten des Lichts dabei das esoterische Umfeld rund um David. So z. B. bei Timos zeitweiliger Rückkehr zu seinen Eltern, die ratlos vor der Frage stehen: Wie helfen, angesichts der Autonomie des Sohnes und seiner Entscheidungen?

David agiert mit seinem Rohkost- und Coachinggewerbe im KRD. Am heimeligen Gruppenabend mit Rollenspiel nimmt er teil, bei dem eine Frau, deren Gesicht geblurrt wird, in die Rolle der verachteten BRD schlüpft. An David, der mit dem Regisseur Johannes Büttner zur Grundschule ging, knüpft sich das Moment der Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren. Da ist Peter, der vermeintlich göttlich geleitete Gründer des KRD. Und da ist der Schweizer Geistheiler, der sich Sananda nennt und dem David vorschwärmt, er sei wichtiger als der Papst oder der Dalai Lama. Und ein missionarischer im KRD operierender Automechaniker, der sich darüber echauffiert, dass allen Rechten vorgeworfen werde, sie seien Holocaustleugner − bevor er selbst die historischen Fakten zum nationalsozialistischen Massenmord bezweifelt.

Es sind immer wieder Männer mit unerträglich übersteigertem Ego und großem (spirituellem) Sendungsbewusstsein. David, auch Autor eines esoterischen Werks, spricht bei einer Autofahrt davon, dass er seit Jahren kein Buch gelesen habe, auch keines von Peter. Habe dieser denn sein Buch gelesen? Eine Weltanschauung hat er sich schon vor Jahren gebaut. Mehr noch als stabil, muss sie in erster Linie flexibel genug sein, um jederzeit neue Verschwörungen aufzunehmen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, so die mit Ängsten spielende Catchphrase, die auf seiner Webseite prangt. Was an diesem Spiel mit paranoiden Fantasien innerer Überzeugung oder bloß ökonomischem Kalkül entspringt, ist bei dem selbstüberzeugten Influencer gar nicht so eindeutig zu entscheiden.

Soldaten des Lichts arbeitet Strukturen von Ungleichheit, Ausbeutung und Abhängigkeiten heraus. Einmal fragt eine Stimme aus dem Off, wie lange Timo glaubt, noch bei David zu bleiben. Der Bioscan laufe noch, so ohne Zögern dieser. Und er habe einen Vertrag. Dann ruft David schon nach seinem Shake, und Timo erkundigt sich, ob fest oder flüssig. Es ist einer von zwei Momenten, in denen sich das Filmteam ins Geschehen einschaltet. Ein anderes Mal tut es das in einem Gespräch mit David. Anlass ist ein öffentlich-rechtlicher Fernsehbericht zu einem Gerichtsprozess gegen Davids Geschäftspraktiken: Meint er das ernst mit den satanischen Blutritualen? Die Stimme der Filmer grenzt sich von den Glaubenssätzen ab, die David präsentiert und die er mit Ausgrenzungserfahrungen in jungen Jahren rechtfertigt. Im Kontakt mit David bleibt ein Unbehagen angesichts des Umstands, dass Menschenfängern wie ihm durch die Berichterstattung Sichtbarkeit und Reichweite gegeben wird. Der Dokumentarfilm ist jedoch ein anderes Medium als die Social Media, über die David längst für Timo einen dienlichen Nachfolger gefunden hat, einen Ersatz, dessen vierstündige Morgenroutine an ein virales Video von Ashton Hall erinnert und der sicherlich auch Davids digitalen „Inner Circle“-Zahlbereich abonniert.
Angriff auf die Realität

Als Soldaten des Lichts, der Kugeln abfangen würde, bezeichnet David, das Handy gezückt, Timo und präsentiert seinen Followern dessen angeblichen Sixpack, wobei eine kurze Pause die Leerstelle markiert, an der das Vorher-Bild von Timos Wandlung später im fertigen Clip eingefügt werden soll. Dieses Bild bleibt ungesehen, wie auch Davids Social-Media-Videos. Bloß einmal filmt die Kamera in Soldaten des Lichts eins davon auf Timos Handydisplay ab: Davids Interview mit dem Schweizer Geistheiler. Später kehrt der Film zum Moment der Aufnahme dieses Interviews zurück, als einer Art von Hinterbühne, wenn die beiden nach dem Dreh vom Balkon auf Sandanas teures Auto im Off blicken. Nach einem anderen Dreh für ein Video mit einem Krypto-Influencer spricht jener auf einem Parkplatz die Abmoderation: das Auto wird offen zur Schau gestellt und soll Stärke demonstrieren. David greift währenddessen seinerseits zum Handy und beginnt, ein Behind-the-Scenes-Video zu filmen, wobei er das Filmteam von Soldaten des Lichts erwähnt. Die beiden Stimmen überlagern sich in einer Totalen zu einem Wirrwarr. Das KRD mag Gewaltlosigkeit propagieren. Als Angriff erscheint aber dieses Sinnbild einer Sphäre zersplitterter Perspektiven.

Julian Vogel und Johannes Büttner machen in Soldaten des Lichts die Brüchigkeit unserer mit anderen Menschen geteilten Wirklichkeit unmittelbar deutlich. Nicht eine esoterisch bedingte Brüchigkeit im Sinne Peters, der behauptet, zwischen verschiedenen Realitäten springen und dadurch schwere Krankheiten heilen zu können. Sondern vielmehr und sehr eindringlich eine Brüchigkeit der Psyche, in der der Bezug zu einer materiellen Realität schließlich verloren gehen kann und der (fastende) Körper nicht mehr existiert.
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