Sky Captain and the World of Tomorrow – Kritik
Der schneidige Pilot Joe Sullivan (Jude Law) und die engagierte Reporterin Polly Perkins (Gwyneth Paltrow) retten eine komplett aus dem Computer entsprungene Welt. Der digital reanimierte Schauspieler Sir Laurence Olivier (†1989) versucht als Doktor Totenkopf (!) dies zu verhindern. Wir befinden uns in the World of Tomorrow, aber sieht so auch das Kino von Morgen aus?

New York 1939. Das Luftschiff „Hindenburg III“ dockt am Empire State Building an. Kurz darauf richtet eine Armee von Riesenrobotern in den Straßen Manhattans ein Meer der Verwüstung an. In weiteren Weltmetropolen wüten die Kampfmaschinen, die, wie sich herausstellen wird, Werkzeuge des deutschen Wissenschaftlers Doktor Totenkopf (Laurence Olivier) sind. Der Eifelturm in Paris liegt in Trümmern, der Reichstag in Berlin ist zerstört. Gleich zu Beginn wird das Konzept von Sky Captain and the World of Tomorrow unmissverständlich formuliert. Ikonen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – wie die Hindenburg, der zerstörte Reichstag oder der reanimierte Schauspieler Sir Laurence Olivier (†1989) – werden ohne Rücksicht auf historische Plausibilität durch einen digitalen Fleischwolf zu einer Paste bekannter Motive in einer fiktiven Welt verarbeitet. Abenteuerfilme der 30er Jahre wie King Kong und die weiße Frau (King Kong, 1933) und In den Fesseln von Shangri-La (Lost Horizon, 1937) sowie Superhelden-Comics der 40er Jahre sind weitere Zutaten dieser Medienmelange. Dabei kommt eine Abfolge kurzweiliger Abenteuerepisoden heraus, die in ihrem Erzählstil an Serienfilme, sogenannte Serials, wie Flash Gordon (1936) angelehnt sind.
Visuelle Einfältigkeit kann dem Film des Regiedebütanten Kerry Conran nicht vorgeworfen werden. Unermüdlich schöpft Conran aus einem Vermächtnis historischer und filmhistorischer Ikonen, wobei er Meistern der filmischen Allusion wie Steven Spielberg (Indiana Jones, 1981, ’84, ’89) und George Lucas (Krieg der Sterne, Star Wars, 1977) in der schieren Fülle von Filmzitaten und Verweisen gar zu übertreffen versucht.

Wann ist ein Film noch ein Film? Diese Frage lässt sich im Fall von Sky Captain ohne weiteres formulieren. Wie Michael Manns Collateral (2004) wurde auch dieses Leinwandabenteuer nicht auf 35 mm Film gedreht, es wurde ausschließlich mit einer hochauflösenden Digital-Videokamera gearbeitet (HDTV). Jedoch entstanden, im Gegensatz zu Manns Thriller, fast alle Aufnahmen, in denen (reale) Schauspieler zu sehen sind, vor einer Blue Screen. Kulissen, Autos, Flugzeuge teils auch Requisiten sind nachträglich eingefügte, computergenerierte Gebilde. Die bewusst unwirkliche visuelle Gestaltung der verschiedenen Bildelemente – Autos scheinen aus Gemälden Edward Hoppers entsprungen zu sein – und Kameraeffekte, wie Weichzeichner, scheinen den Zuschauer in einen surrealen Traum versetzen zu wollen, der an Hollywoodfilme der 30er Jahre angelehnt ist. Der Regisseur Conran versucht erst gar nicht den dokumentarischen Charakter des Medium Film zu imitieren, wie es George Lucas mit seiner 2. Star-Wars-Trilogie durch computerberechneten Detailrealismus vormacht. Wie ein wirrer Fiebertraum bleibt dann auch Conrans Film über weite Strecken unzusammenhängend.

In Anbetracht der sich häufenden Zahl von Filmen, die wie die neue Star-Wars-Trilogie Schauspieler in virtuellen Kulissen agieren lassen, und mit einer HDTV Kamera aufgenommen werden, schafft Conran im Grunde Nichts, was nicht schon da gewesen war. Anhand seines Leinwandspektakels wird aber der Wandel des Kinoerlebnisses besonders deutlich, von analogem Film zu digitalem Video. Es vollzieht sich ein Medienwandel, der eine nicht minder bedeutende Zäsur darstellt, wie der Sprung von Stumm- zum Tonfilm, nur verläuft dieser Wandel schrittweise und schleichend. Wann setzte der Medienwandel ein? War es als Filmemacher anfingen auf Digital-Video und später auf HDTV zu drehen? Die Digitalisierung des Medium Film hielt schon viel früher Einzug. So wurden für die Trickaufnahmen von Lucas’ Star Wars (1977) Kamerabewegungen vom Computer festgehalten, Francis Ford Coppola schnitt den Ton in der Postproduktion von Apocalypse Now (1979) mit der Hilfe einer Computersoftware und George Lucas erprobte für seine Fernsehserie Die Abenteuer des jungen Indiana Jones (The Young Indiana Jones Chronicles, 1992-93) erstmals den extensiven Einsatz virtueller Sets.
Wie ein unmissverständliches Statement lässt sich Conrans Sky Captain verstehen. Der ungewohnte, weil bewusst unfotografisch gestaltete visuelle Stil und die dreiste Bedienung des Konterfeis der Schauspielerikone Laurence Olivier lässt den Zuschauer keine andere Wahl, als davon überzeugt zu sein, dass im Kino die digitale Welt von Morgen bereits heute Realität ist. Aber müssen dann auch die Figuren so eindimensional und langweilig gezeichnet werden wie die Helden der Geschichte, der Weltretter Joe Sullivan (Jude Law) und die Reporterblondine Polly Perkins (Gwyneth Paltrow)?
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