Silent Night - Stumme Rache – Kritik

Zorniger die Glocken nie klingeln: Der neue Film von John Woo um den Rachefeldzug eines Familienvaters ist trotz Selbstjustiz und gesichtslosen Horden ideologisch eher lethargisch.

Es gibt den Film als Film und den Film als Objekt. Der Film als Film heißt Silent Night und spielt sich als reaktionärer Selbstjustizactioner mit dem zusätzlichen Twist, dass kein Wort gesprochen wird. Das konstante Schweigen ist in seinem Aushalten von Emotionen, die eigentlich ausgesprochen werden müssten – um zu trauern, zu trösten, zu heilen – zugleich zu erzwungen und wie in dem anfänglichen, langsamen Auseinandergleiten der Ehe irgendwie doch hypnotisch. Ein Mann (Joel Kinnaman – gibt gutes Gesicht in einer danklosen Rolle) verliert seinen Sohn im Streufeuer der spanischen Gangkriege von L.A., versucht sich an Rache und endet mit einer durchschossenen Trachea im Krankenhaus. Nach seiner Entlassung trinkt und trauert er, ehe er die eigene Garage in ein Gym umbaut, mit Messern zu töten lernt, driften probt und Schießunterricht nimmt. Zum zweiten Mal rächt er sich, diesmal erfolgreicher und stirbt dann, ohne die Konsequenzen zu tragen.

Ich bin dem konservativen Kitsch ja durchaus nicht abgeneigt – man denke an die Death-Wish-Serie –, aber trotz des offensichtlich rückschrittlichen Silent Majority Posturing und der gesichtslosen Horde an drogendealenden Chicanos ist mir dies alles zu charakternah geschrieben. Wenig kitscht hier oder lässt sich in Linie mit dem Hassausbruch eines Rambo: Last Blood (2019) lesen. Dies macht Silent Night ideologisch lethargisch, ein konstantes Abhaken der immergleichen Bulletpoints zu inner city crime, ohne sich in diesen aufzulösen und daraus eine neue konservative Ästhetik zu entwerfen. Ich will meinen konservativen Kitsch niemals wirklich lieben, aber immer neu verachten lernen.

Man trifft sich im Mainstream

Der Film als Objekt ist ein John-Woo-Film, sein letzter seit Manhunt (2017) und sein letzter amerikanischer seit Paycheck (2003). Er ist damit late style, also einer der Filme von Regisseuren, die auf das Ende ihrer Karriere zugehen, aber noch manchmal Filme produziert bekommen. Nur vereinzelte Momente – ein Match-Cut von einer Träne, die eine Wange runterfließt, zu einer auf dem Boden aufschallenden Patronenhülse – zeigen Woos Pathos und nur Einzelszenen die Art von in Slow Motion inszenierter Waffenakrobatik und damit einhergehender Bruderschaftsideologie, die ihn im Westen so bekannt machte.

Meistens dreht Woo effizient und gekonnt mit längeren Takes gegen die Trägheit des Films, was allerdings lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist, sondern längst Standard. Jesse V. Johnson und James Nunn realisieren dies schon länger im DTV-Umfeld, während das Produktions- und Stuntstudio 87Eleven mit u.a. dem John Wick Franchise eine Ableitung dieser Action-Choreographie in den Mainstream getragen hat. Das Ergebnis in Silent Night ist niemals die Art von kompletter Überforderung und erzwungenem Style, die man beispielsweise in dem Extraction-Franchise sieht, bietet aber auch selten die Klarheit und Geradlinigkeit von Woos früheren Filmen oder das konstante Überzeichnen und Überspielen, das seine amerikanische Periode so unterhaltsam machte.

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