Run Hide Fight – Kritik

Elephant meets Stirb langsam. In Run Hide Fight ruft ein Schul-Amoklauf eine junge Heldin mit ärmellosem Shirt auf den Plan. Regisseur Kyle Rankin bekommt bei diesem heiklen Mix leuchtende Augen.

Als Ganzkörperwunde im weißen Unterhemd, ein verletztes Bein nachziehend, schleppt sich Schülerin Zoe (Isabel May) durch die weiten, kalt leuchtenden Gänge einer Schule. Ein Gewehr hält sie in den Händen. Die Arme hängen schlaff herab. Sie sucht die verbleibenden Amokläufer, die weiterhin so viele Schüler wie möglich umbringen wollen. Run Hide Fight ist sichtlich das Kind zweier Eltern.

Völlige John-McClane-Werdung

Aber von vorn: Vier Schüler fahren mit einem Kleinbus voller Waffen und Sprengstoff in ihre High School. Die ersten Opfer erschießen sie kaltblütig. Doch dann zeigt sich, dass sie nicht einfach nur aufs Morden aus sind, sondern eine Strategie verfolgen. Sie sammeln Geiseln in der Cafeteria und spielen den für Amokläufe vorgesehenen Ablaufplan gegen seinen Zweck aus. Die Schule wird zur Bühne der eigenen Ermächtigung, live in die sozialen Medien übertragen. Tristan (Eli Brown) ist der charismatische Anführer, der die ganze Sache orchestriert, und Zoe ist die Schülerin, die die Täter nach und nach dezimiert und die einfach nicht tot zu kriegen ist. Die mal durch Lüftungsschächte kriecht, mal durch Scherben gehen muss.

Mit anderen Worten: Tristan ist Hans Gruber, Zoe ist John McClane, ihre Schule das sich waagerecht erstreckende Nakatomi-Hochhaus, und Run Hide Fight eine Variation von Stirb langsam (Die Hard, 1986). Die Zitate finden sich auf Handlungsebene, in den Bildern, in den Kleidern. Wenn Zoe irgendwann ihre Jacke auszieht und daraufhin im weißen, ärmellosen Hemd weiterkämpft, dann steht dieser Moment einerseits symbolisch für ihre Entwicklung – dazu später mehr –, andererseits ist ihre völlige John-McClane-Werdung eine zelebrierte Offenbarung: als würde Regisseur Kyle Rankin hier selbst mit leuchtenden Augen vor seinem Publikum stehen und sich für die Chuzpe feiern lassen, einen Schulamoklauf zum offensiven Stirb-langsam-Epigonen umfunktioniert zu haben. is

Die Gänge hätten es getan

Weniger detailverliebt, eher hölzern: die Reminiszenz an Gus Van Sants Elephant (2003), und dessen zeitlich verwinkeltes Labyrinth, in dem Täter und Opfer weitgefächerte Erklärungsansätze für Amokläufe in den Raum, beziehungswiese in die langen, hypnotischen Gänge der Schule stellen. Noch die krudeste Erklärung wird dabei transzendiert, weil sie Teil einer unkommentierten Liste ist, die mehr Erklärungsnot als tatsächliche Aufschlüsse transportiert. In Run Hide Fight steht nun jeder der vier Amokläufer für eine mögliche Erklärung ein: der Stimmen hörende Chris (Britton Sear) für geistige Krankheiten, seine Schwester Anna für unmotivierte Lust (am Sadismus), Tristan ist ein (heuchelnder) Ankläger der Medienlandschaft, und Kip (Cyrus Arnold) wurden Hose und Unterhose vor versammelter Schule heruntergezogen, weshalb er sich von Lachern verfolgt sieht.

Das Weitläufige des Originals verfällt hier zu einem Alibi von Tiefe. Wie wenig sich der Film für diese viel zu kurzen Argumente interessiert, wird besonders schmerzlich spürbar, wenn Zoe im Theatersaal Kip den Kopf wäscht. Durch einen trivialen Dialog kann dieser seine unwürdige Rolle in Tristans Spiel erkennen und damit seine Rolle im Plot ausführen. Das Mobbing Kips ist eben nur für eine motivierende Ansprache und einen Plotpoint wichtig, nicht aber für eine Auseinandersetzung mit einer Problematik. Die Gänge als Elephant-Referenz hätten es da auch getan.

Diese Gänge ohne Schutz und Halt, in denen der Terror der Verlorenheit herrscht, bilden im Grunde das perfekte Setting für einen Thriller, in dem es darum geht, anderen Menschen und den eigenen Emotionen ausgeliefert zu sein. Run Hide Fight benutzt sie aber nur gelegentlich wie ein nettes Assecoir und begnügt sich damit, ein solider Film mit soliden Schauspielern und soliden Thrills zu sein, der seine Potenziale durchgängig höchstens ankratzt. Für seine schwierige Ausgangslage – ein affektgeladener Thriller innerhalb einer höchst sensiblen Tragödie – ist er ausgesucht unbedarft, da er die Dissonanz zwischen seinen beiden Einflüssen nicht nutzbar macht. Das Ergebnis ist ein Actionfilm, der von seiner pflichtschuldig mitgeschleppten Thematik ausgebremst wird und sich damit begnügt, ein wenig edgy zu wirken, weil er Stirb langsam mit einem heiklen Thema koppelt.

Zu spät für Ambivalenzen

Zoes Ermächtigung von der Außenseiterin zur Heldin des Tages ist eine kathartische Entwicklung beigegeben. Jeden Tag geht sie mit der Armeejacke ihres Vaters (Thomas Jane) in die Schule. Nach dem Krebstod ihrer Mutter (Radha Mitchell) befindet sie sich im Krieg mit ihrer Umwelt und sich selbst. Der buchstäbliche Überlebenskampf weckt in ihr dann aber neuen Lebensmut und lässt sie den Tod verarbeiten. Aus dieser geradlinigen, hoffnungsvollen Entwicklung erwächst der interessanteste Aspekt des Films. Denn je sicherer und klarer Zoe sich in ihre Bestimmung einfindet, desto fragwürdiger wird sie, desto mehr gleicht sie denen, die sie jagt. Run Hide Fight endet dann auch nicht mit einem Duell, bei dem Zoe wie ihr Vorbild eine Pistole auf ihren Rücken geklebt hat, sondern mit einer Hinrichtung. Nur ist es an diesem Punkt für spannende Ambivalenzen längst zu spät.

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