Rafiki – Kritik

Das Festival von Cannes zeigt eine kenianische Liebesgeschichte, die im Herkunftsland noch vor ihrer Premiere verboten wurde. Rafiki strotzt vor Kraft, bejaht das Leben in Afrika, in Freiheit, mit Toleranz – und fordert heraus.

Wie großartig schwarze Haut auf der großen Leinwand aussehen kann, das sieht man im Kino und auf Festivals viel zu selten. Rafiki entfaltet ein ganzes Arsenal an Schattierungen, Reflexionen und Texturen und hat auch mit Farben einiges im Sinn. Körper sind dazu da, mit ihnen auf Tuchfühlung zu gehen, scheinen uns die Großaufnahmen sagen zu wollen. Die Blicke der jungen Frauen, die sich vielleicht auch ein bisschen deswegen ineinander verlieben, weil sie es nicht dürfen, bestätigen das. Ach, wie gerne gucken sie sich an. Nur das mit dem Berühren, das ist ein bisschen schwieriger. Die Erfahrungen und Perspektiven, die die kenianische Regisseurin Wanuri Kahiu inszeniert, sind primär stofflicher, rhythmischer, farblicher, sprich körperlicher Natur. Der erzählte Konflikt dagegen passt auf einen Bierdeckel.

My body is allergic to dresses“

Zwei rivalisierende Politiker, deren Töchter verlieben sich, die Handlung spielt in einem homophoben Land. Anders ausgedrückt: Rafiki (dt: Freund) weiß genau, was er will und verschwendet keine Sekunde auf dem Weg. Die Coming-of-Age- und Coming-out-Geschichte ist so konzis und auf den Punkt erzählt, dass keinerlei Zweifel auftauchen können: Es handelt sich um eine Erzählung, nicht um ein Nachleben von Wirklichkeit. Und tatsächlich ist alles auf dieses Erzählen von Beginn an ausgerichtet. Das Figurenarsenal etwa, das mit Eltern, besten Freunden, Tratschtante vom Dienst und Konkurrentin schön effektiv gesellschaftliche Dynamiken simuliert. Sehr früh fällt auch schon die erste beiläufige homophobe Bemerkung eines Kumpels, damit auch auf der Ebene glasklar ist: Die Probleme kommen, und sie sind nicht aufzuhalten.

Kena (Samantha Mugatsia) hat einen einfachen Satz parat: „My body is allergic to dresses.“ Ziki (Sheila Munyiva) trägt ein Top mit großen Lettern: „Bad News“. Kena fährt Skateboard und hängt mit Jungs ab. Ziki tanzt mit ihren besten Freundinnen einfach so auf der Straße, als wären sie Stars in einem Musikvideo. Die Gesellschaft, die hier in wenigen Straßenzügen, einem Café, einem Laden, einer Kirche, zwei Wohnungen und einem Refugium verdichtet ist, entspringt den Genrekonventionen der komödiantischen Übertreibung in Richtung Wahrheit. Kena spielt mit den Jungs Fußball, die Mädels wollen auch, Regen unterbricht’s, Ziki und Kena können romantische Zuflucht in einem ausrangierten Minibus nehmen.

Wo sie es will, wann sie es will, wie sie es will

Die ersten Bilder und die beschwingten Beats, die Montage, die mehr zur Musik arrangiert wirkt als umgekehrt, stimmen darauf ein, Rafiki als einen Prototyp zu verstehen. Als solcher ist er äußerst lebendig und hat auch schöne Zuspitzungen parat. Man täte dem Film sehr unrecht, wenn man ihn darin missverstünde, dass er sie selbst ernst nimmt. Vielmehr schenkt Wanuri Kahiu, die nach einem Studium in Großbritannien und den USA in Kenia arbeitet, ihren Protagonistinnen ein Meer an Klischees, samt rosarot gefärbter Montagesequenz des ersten gemeinsam verbrachten Tags. In diesem Sinn verbindet Rafiki womöglich einiges mit jüngeren Projekten wie Moonlight (2017), Die Mitte der Welt (2016) und Love, Simon (2018), die homosexuelle Liebe in populärkulturell kompatible Erzählmuster überführen. Wichtiger aber ist die völlig ungenierte Freiheit, manifest unsubtil und lustvoll überdeutlich zu sein, in Farben, Blicken und der Inszenierung schwarzer Haut für die große Leinwand. Denn diese Erzählung braucht sich nicht dafür zu schämen, zu zeigen, was sie zeigt, wo sie es will, wann sie es will, wie sie es will.

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