A World Beyond – Kritik
Nach dem Action-Hit Mission: Impossible – Phantom Protokoll hat Brad Bird nun Disneys Frühjahrs-Blockbuster inszeniert: ein Science-Fiction-Abenteuer, das alte Werte hochhält.

Die Welt der Gegenwart ist ein düsterer Ort. Casey (Britt Robertson) hört im Unterricht von Kriegen, Hungersnöten und Klimakatastrophen. Während aber ihre Mitschüler die zynischen Prognosen der Lehrer stumm ertragen, meldet sich der hochbegabte Teenager unentwegt. „How can we fix that?“, will sie eifrig wissen, so als würde sie am liebsten alle Probleme selbst lösen. Es ist dieser optimistische Fortschrittsglaube, der Casey zur Zielperson von Athena (Raffey Cassidy) macht, einem Mädchen aus der utopischen Parallelwelt Tomorrowland, das auf der Suche nach einer Heilsbringerin für die niedergehende Erde ist.
Früher war selbst die Zukunft besser

Caseys Heldinnenreise steht dramaturgisch fest im Dienste des Disney-typischen Wertesystems: Das Mädchen, das vom Glauben an das Gute im Menschen beseelt ist, muss seine individuelle Begabung entdecken, um diese für das Wohl der Gemeinschaft einsetzen und so die Welt zu einem besseren Ort machen zu können. Die Utopie dazu entwickelt der Film treffenderweise aus einer idealisierten Vergangenheit: Eine frühe Episode spielt auf der New Yorker Weltausstellung im Jahr 1964. Der kleine Frank (Thomas Robinson) will hier seine erste große Erfindung vorführen. Mit seinem Pioniergeist weckt er das Interesse von Athena, die ihn nach Tomorrowland führt. Plötzlich findet sich Frank in einer futuristischen Stadt mit silbernfunkelnden Wolkenkratzern, fliegenden Autos und baumhohen Robotern wieder. Hierhin, so erklärt ihm Athena, werden die begabtesten Menschen geholt, um gemeinsam an einer besseren Zukunft zu tüfteln. Beide Welten, die reale und die dahinter liegende, wirken in dieser Exposition erfüllt vom Glauben an die technologischen Verheißungen der Moderne. Die 1950er und frühen 60er waren in den USA eine sozial und ökonomisch goldene Zeit, in der die Begeisterung für Raumfahrt und positive Zukunftsfantasien wucherte. Die Sehnsucht nach diesen naiven Jahren vermeintlicher Unschuld, in denen Gut und Böse noch klar zu trennen waren und der American Dream nicht nur geträumt, sondern auch verwirklicht werden konnte, durchsetzt den ganzen Film.

Diesem retrospektiven Idealbild steht in der Jetztzeit die Drohung der Apokalypse gegenüber. In Casey glaubt Athena jedoch endlich die langgesuchte Retterin gefunden zu haben. Mit einem magischen Ansteckpinn versetzt sie den Teenager für kurze Zeit in das alte Tomorrowland und entfacht damit sofort ungestüme Begeisterung. Dabei ahnt Casey zunächst nicht, dass das Zukunftsreich mittlerweile ein rigider Polizeistaat unter der Führung des undurchsichtigen Wissenschaftlers David (Hugh Laurie) ist. Das dystopische Tomorrowland soll das Überwachungsregime, ja mehr noch: die Herzlosigkeit der postmodernen Gesellschaft widerspiegeln – aber natürlich ist auch genau hier der Schlüssel zur Erlösung versteckt. Um nach Tomorrowland zurückzukehren, brauchen die Mädchen die Hilfe des erwachsenen Frank (George Clooney), der seit Jahren desillusioniert inmitten eines Hauses voller genialer Erfindungen auf das Ende der Welt wartet. Die Erde, so das Credo des Films, lässt sich nur noch mit den guten Werten von früher retten: Kreativität, Produktivität, Solidarität.

Während sich diese uramerikanische Moral über den Großteil von A World Beyond im erträglichen Rahmen hält, verdichtet sie sich gegen Ende zu einem aufdringlichen Auserwählten-Mantra und schliddert im Zuge einer immer kruder werdenden Narration nur knapp am spirituellem Kitsch vorbei. Dass eine überkonstruierte Rahmenhandlung den Schluss noch hervorhebt, macht die Sache nicht besser und bringt den Film sogar in die Nähe zu ideologisch hochproblematischen Machwerken wie Battlefield Earth – Kampf um die Erde (Battlefield Earth: A Saga of the Year 3000, 2000) und After Earth (2013).
Mit kindlichem Staunen

Dies ist umso bedauerlicher bei einem Talent wie Brad Bird, dem Regisseur der Animationsfilme Die Unglaublichen (The Incredibles, 2004) und Ratatouille (2007), der für A World Beyond zusammen mit Lost-Miterfinder Damon Lindelof auch das Drehbuch geschrieben hat. Schon Birds Frühwerk sieht man an, dass er ein Kind der Science-Fiction-affinen 1960er ist. So erzählt sein wundervoll animiertes Debüt Der Gigant aus dem All (The Iron Giant, 1999), das im Jahr 1957 spielt, von der Freundschaft zwischen einem Jungen und einem außerirdischen Roboter. Unter dem Eindruck des Kalten Krieges ängstigen sich die Erwachsenen im Film vor allem Fremdartigen. Das aufgeschlossene Kind aber wird gerade davon magisch angezogen und erlebt mit dieser Offenheit das größte Abenteuer seines Lebens.

In seinem neuen Film versteckt Bird nicht nur zwei schöne Verweise auf den eisernen Riesen. In den besten Passagen ist auch A World Beyond ein perfekt getimter Abenteuerfilm. Bird hat nicht nur einen meisterhaften Sinn für Figurenchoreografie und Raumaufbau, er stattet seinen Film auch mit dem Einfallsreichtum eines Trickzeichners aus. Als etwa Casey und Frank vor einer Horde mechanischer Agenten flüchten, hält Frank die Verfolger mit einer wahnwitzigen Abfolge technischer Gimmicks in Schach. Noch deutlicher wird Birds liebevolle Detailversessenheit in der Gestaltung des Comic- und Memorabilia-Ladens „Blast from the Past“, in den Casey auf ihrer Suche nach Tomorrowland landet. Inmitten eines wüsten Sammelsuriums aus Science-Fiction-Verweisen steigert sich die unscheinbar beginnende Szene zu einem urkomischen Actionballett, an dessen Ende ein Angreifer unter einer Han-Solo-Plastik aus Karbonit begraben wird. Wie der Junge aus Der Gigant aus dem All findet Casey all diese Erlebnisse viel zu aufregend, um jemals wirklich Angst zu bekommen.

Bird ist immer dann am stärksten, wenn er seinen jugendlichen Figuren ganz dicht auf den Fersen bleibt und sich von ihrer Neugier führen lässt. Seine Magie liegt darin, dass ihr Staunen ein ums andere Mal zu unserem Staunen wird. Caseys ungestümer Blick, für jedes Abenteuer empfänglich, befreit sie sogar phasenweise aus jenem engen Wertekorsett, das das Drehbuch eigentlich für sie vorgesehen hat. A World Beyond ist ein nostalgischer Film über Träumer und Entdecker. Für alle, die diese Prämisse nicht zu sehr hinterfragen, gibt es auch hier Einiges zu entdecken.
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