Paris je t’aime – Kritik

Paris, das ist mehr als eine Stadt. Paris ist ein Lebensgefühl. Jedenfalls meinen das 21 Regisseure, die in der französischen Hauptstadt jeweils einen Kurzfilm abdrehten. Ihr Thema abseits der Kulisse: Natürlich die Liebe.

Paris je t’aime

Die Metropole an der Seine ist nicht nur die inoffizielle Welthauptstadt aller Verliebten, sondern auch für Filmemacher immer wieder ein äußerst beliebtes und lohnendes Motiv. Zuletzt drehte dort unter anderem Luc Besson mit Angel-A (2005) eine Hommage an seine Heimatstadt. In Schwarz-Weiß wirkten allseits bekannte Gebäude wie der Eiffelturm oder Sacré-Cœur der Realität entrückt. Ihre Silhouetten, längst architektonische Ikonen, spielten dabei die eigentliche Hauptrolle. Die Schauspieler mussten sich dem Rollentausch fügen und akzeptieren, dass sie lediglich als hübsche Staffage benötigt wurden.

So weit soll es bei dem ambitionierten Kurzfilmprojekt Paris je t’aime nicht kommen. Denn obwohl Paris allgegenwärtig ist, stehen bei den insgesamt 18 Geschichten – jeweils in einem anderen Stadtviertel gedreht – eindeutig die romantischen Intermezzi in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen im Mittelpunkt. Angefangen hat alles mit einem Kurzfilm von Tom Tykwer, der, wie es die Produzenten Emmanuel Benbihy und Claudie Ossard ausdrückten, als „Testballon“ herhalten musste, um weitere Geldgeber und Regisseure von der Idee zu überzeugen. Nach und nach fanden sich so 21 Filmemacher zusammen, aus Asien, den USA, Südamerika, Europa und auch Frankreich. Gerade letzteres stellte für Benbihy und Ossard eine Gratwanderung dar, wollten sie doch einen möglichst internationalen unverbrauchten Blick auf die Stadt für den Film konservieren. Da kam es dann auch vor, dass ein französischer Regisseur von Weltformat wie Jean-Pierre Jeunet nach reiflicher Überlegung ablehnte. Begründung: Er habe in seinen bisherigen Filmen bereits alles von Paris gezeigt, was es zu zeigen gäbe.

Paris je t’aime

Wer jedoch Paris je t’aime gesehen hat, der kann nicht anders, als Jeunet in diesem Punkt vehement zu widersprechen. Denn die 18 Episoden vereinen eine gewaltige Spannweite an Eindrücken und Stimmungen, nicht nur gemessen an Jeunets Filmographie. Die Geschichten spielen sich auch abseits der von Touristen stark frequentierten Orte, die selbstverständlich nicht fehlen dürfen, in den für Paris typischen Bars und Straßencafés, den kleinen Gassen und zahlreichen Parks ab. Dass die Coen-Brüder ihren Beitrag mit Steve Buscemi komplett in der U-Bahn-Station Tuileries gedreht haben, obwohl sich über ihnen in unmittelbarer Nähe weltbekannte Sehenswürdigkeiten wie der Louvre und die Ile de la Cité befinden, passt zu der These, dass es den Verantwortlichen nicht vornehmlich um eine simple Ausbeutung der bekannten Postkartenkulisse ging.

Der Reiz des Kurzfilms liegt nicht zuletzt darin, innerhalb einer knapp bemessenen Zeit – im Fall von Paris je t’aime sind es rund fünf Minuten – pointiert eine in sich schlüssige Handlung vorzustellen, ohne dass der Zuschauer das Gefühl hat, er werde mangels eines großzügigeren Zeitbudgets von Informationen, Anspielungen und Zitaten erschlagen. Die Reduktion auf das Wesentliche, auf die Essenz dessen, was ein Regisseur erzählen will, erweist sich als größter Fallstrick. Allen voran für Christopher Doyle, dessen stilistisch zwar wieder einmal außergewöhnlicher Film aus einer Abfolge von Absurditäten besteht, durch die er Barbet Schroeder und Li Xin jagt. Isabel Coixet mutet sich mit der Chronologie einer eigentlich gescheiterten Beziehung (Miranda Richardson, Sergio Castellitto), die nach der Diagnose Knochenkrebs aus einem Gefühl der Verantwortung neu auflebt, vielleicht zu viel zu. Jedenfalls ließe sich der Stoff problemlos auf Spielfilmlänge strecken, was man nicht unbedingt von vielen Geschichten behaupten kann.

Paris je t’aime

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Zusammenstellung stärkere und schwächere Episoden beinhaltet. Einige wird man bereits beim Verlassen des Kinos wieder vergessen haben, so belanglos und langweilig wurden sie inszeniert. Wirklich ärgerlich ist indes nur der Fünfminüter von Vincenzo Natali. Das Ganze erinnert nicht nur wegen Elijah Wood und der markanten stilisierten Farbgebung an eine Möchtegern-Kurzausgabe der letztjährigen Gewaltorgie Sin City. Gemeinsam mit Doyles Skurrilität ragen die beiden Filme wie zwei Fremdkörper aus einem ansonsten sehr harmonischen wenngleich nicht homogenen Bilderfluss heraus. Die – zumeist tragikomischen – Höhepunkte steuern Tykwer (Faubourg Saint Denis), die Coen-Brüder (Tuileries), Payne (14ième Arrondissement) und LaGravenese (Pigalle) bei.

Paris je t’aime dürfte weniger Paris-Liebhaber als Cineasten und ein grundsätzlich kinointeressiertes Publikum ansprechen. So lebt die Kurzfilm-Kollektion zu einem nicht unerheblichen Teil davon, dass man als Zuschauer die Handschrift der verschiedenen Regisseure „herauszulesen“ und Bezüge zu ihrer filmischen Agenda herzustellen versucht. Alfonso Cuarón verlässt sich wie schon in Children of Men (2006) auf eine ohne Schnitt gefilmte Handkamerasequenz, Trickfilmer Sylvain Chomet (Das große Rennen von Belleville, Les triplettes de Belleville, 2002) bedient das Comichafte, Gurinder Chadha (Kick it like Beckham, Bend it like Beckham, 2002) das Thema Integration und Gus van Sant die gleichgeschlechtliche Liebe. Da freut es einen umso mehr, dass die Vampir-Story nicht von Wes Craven stammt. Es gibt also noch Überraschendes und Neues zu entdecken. Sogar in Paris, Monsieur Jeunet.

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Kommentare


Arenz

Gemach...Jeunet hat sicher auch eher gemeint, ER habe schon alles gezeigt, was es zu diesem Zeitpunkt für IHN zu zeigen gebe. Kann man doch akzeptieren. Hätte er seine eigenen Paris-Klischees nochmal aufgebügelt, hätte man ihm das auch nur unter die Nase gerieben. Oder als brav erfüllte Pflichtnummer quittiert.






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