Nurse – Kritik
Die sexy männermordende Krankenschwester ist los. Douglas Aarniokoski verwebt Erotikthriller-, Krankenhausserien- und Splatterfragmente zu Glamourtrash.

Während die meisten (Neo-)Exploitationstreifen auf dem Filmplakat Versprechungen machen, die von der tatsächlichen Inszenierung kaum eingelöst werden, vermittelt das Plakat von Nurse ziemlich treffend, was man sich von dem Film erwarten kann. Wie eine Hexe auf einem Besen sitzt da Paz de la Huerta auf einer übergroßen, bedrohlichen Spritze. Auf ihrer Haut schimmert ein sexy Krankenschwesternoutfit aus Lack. Den Kopf hat sie im Profil leicht Richtung Betrachter geneigt, offenbar wohl gewahr, dass sie gerade angesehen wird. Diese Erscheinung erinnert bewusst an exploitive „Frauenfilme“ der 1970er Jahre, die sich um fetischisierte Frauen in uniformer Kleidung drehten (noch häufiger als um Krankenschwestern um Nonnen oder Gefängnisinsassinnen).
Vom weiblichen Objekt zum Subjekt

Nachdem die Kamera zu Beginn des Films über die Dächer eines in der Nacht funkelnden New York geflogen ist, stellt sich die Protagonistin Abby Russell (Huerta) vor dem Spiegel einer aufwändig im Retrostil eingerichteten und in dämmrigen Bordellrot beleuchten Damentoilette eines exklusiven Nachtclubs mittels Voice-over dem Publikum vor. Kurz darauf steht sie mit einem Herren im schicken Anzug flirtend in erhabener Höhe über der Stadt am Rande des Hausdachs. Wirkt der Film schon generell wie die Adaption eines Erwachsenencomics, so erinnert diese Szene besonders an den Anfang von Sin City (2005). Doch hier sind die Rollen vertauscht, der Mann ist das hilf-, weil willenlose Opfer, Abby eine selbstgerechte Vollstreckerin. Wie wir aus dem vorangegangenen Voice-over wissen, macht die titelgebende Krankenschwester nach Dienstschluss Jagd auf untreue Ehegatten, und generell all die Männer, die Elend über Familien und „innocent vaginas“ bringen. Wie auf dem Plakat wird die Hauptfigur Abby auch in der filmischen Inszenierung zunächst ganz zu einem dem männlichen Blick ausgesetzten Objekt. Allerdings muss sie das nicht passiv erdulden, sondern legt es gezielt darauf an, um ihre selbstgewählten Widersacher genau so zu entwaffnen. Die vermeintliche Unterwerfung wird zur Selbstermächtigung, Abby damit zum eigentlichen Subjekt des Blicks und der Jagd, die Schürzenjäger zur Beute.

Auch dramaturgisch ist es das weibliche Geschlecht, das den aktiven Part innehat. Frauenfiguren dominieren den Plot, Männer spielen lediglich Nebenrollen, reagieren meist nur. Zudem sind alle Männerfiguren ähnlich negativ gezeichnet, vor allem die in gesellschaftlichen Machtpositionen wie ein Chefarzt (Judd Nelson), ein angesehener Psychologe (Martin Donovan) oder ein muskulöser Cop (Boris Kodjoe): extrem simpel gestrickt, die meiste Zeit nur von ihren Trieben gesteuert und einfachst zu manipulieren. Das einzige Mannsbild, das sich ansatzweise als Sympathieträger anbietet, ist Steve (Corbin Bleu), aber der ist auch nur ein bodenständiger Sanitäter.
Herrliche Optik mit dämlicher Erotik

Das mag nun nach einem angriffslustigen feministischen Ansatz klingen, doch darf man da Nurse keineswegs überschätzen. Letztlich will Douglas Aarniokoskis Film nicht mehr sein als ein unterhaltender, bewusst sleaziger Neo-Noir, allerdings in Hochglanzformat, mit viel Gewicht auf visuellen Attraktionen. Der größte Teil der Handlung spielt in Innenräumen mit aalglatter Optik, neben dem Krankenhaus in durchgestylten New Yorker Lofts und Clubs. Paz de la Huerta zeigt gern viel nackte Haut, hin und wieder auch mal in der ungewöhnlichen Kombination oben mit und unten ohne. Stimmlich gibt sie sich alle Mühe, möglichst verrucht zu klingen. Äußerst gelassen, beinahe schläfrig kommen ihr die Sätze über die Lippen, die Mimik weitestgehend auf einen Schlafzimmerblick reduziert. Das könnte man durchaus als erotisch empfinden – oder spätestens beim dritten nach dem gleichen Muster verlaufenden Auftritt doch eher als dämlich.
Neo-Noir-Glamourtrash

Die von Abby verübten Morde sind keineswegs nur ideologisches Programm, sondern dienen – neben ihrer funktionalen Blutgehaltssteigerung –, mitunter auch als rein pragmatische Lösung eigener Probleme. Auch die erwähnten „unschuldigen Vaginen“ können zu ihren Opfern werden, in libidinöser wie mörderischer Hinsicht. Nachdem die Nachwuchskrankenschwester Danni Rodgers (Katrina Bowden) unter Drogeneinfluss eine wilde Nacht mit Abby verbracht hat, aber sich, kaum wieder bei Sinnen, nicht weiter auf ihre Kollegin einlassen möchte, sondern ihren treu-braven Freund Steve vorzieht, steht auch sie auf Abbys Abschussliste. Die Perspektive wechselt im Verlauf der Handlung zunehmend auf Dannis Seite, die Abbys dunkles Treiben aufdeckt, aber keine Verbündeten findet, die ihr beistehen. Diese Erzählung verwebt in ansehnlicher Film-noir-Stilistik Elemente des Psychothrillers, wie Identitätsübernahmen und traumatisierende Backstory Wounds, mit ein bisschen Krankenhausflair und einigen atmosphärisch wenig passenden Splatterszenen, die vor allem dazu dienen, dem 3D-Zuschauer CGI-Blut oder menschendurchbohrende Gartenzaunlatten entgegen rasen zu lassen. Und natürlich kann man Nurse wegen der flachen Story, die erprobte Handlungsfragmente aus Erotikthriller-Klassikern à la Basic Instinct (1992) zusammenflickt, keinen Vorwurf machen. Seine Konzeption als sensueller Glamourtrash erlaubt schließlich eine Rezeptionshaltung, der so etwas keinen Abbruch tut.
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