New World – Kritik
Taktisch kluge Züge auf dem großen Spielfeld des Syndikats.

Lee Ja-sung (Lee Jung-jae) legt noch eines der Steinchen auf das Brett, doch er scheint in eine Zwickmühle geraten zu sein. Zusammen mit seiner Frau (Kim In-seo) spielt er eine Runde Go, das Spiel mit den linsenförmigen schwarzen und weißen Steinen, die man strategisch geschickt auf einem kleinen Tischchen anordnen muss, um seinen Gegner auszustechen. Bis zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch recht wenig über ihn. Er ist Handlanger des Geschäftsführers eines Unternehmens namens Goldmoon, eines Konglomerats aus vielen einflussreichen Clans, die sich eine riesige Wirtschaftsmacht aufgebaut haben. Seine Gattin ist verwundert darüber, dass er nach so vielen Jahren das Spiel immer noch nicht beherrscht. Es sei zu kompliziert für ihn, erwidert er. Bald aber wird klar: Lee kann sehr gut spielen, auf einem viel größeren Spielfeld. Sowohl mit Schwarz als auch mit Weiß.
Ganz durchschauen kann man die Strukturen in New World (2013), der zweiten Regiearbeit von Park Hoon-jung, im Grunde nie. In diesem Sumpf aus Macht, Korruption und Verrat müssen eindeutige Zuweisungen scheitern, Schwarz und Weiß in Graustufen verschwimmen. Lee Ja-sung erweist sich unmittelbar nach der Spielszene schließlich als Polizist, der in die Firma eingeschleust wurde, um diese zu bespitzeln. Unwillkürlich werden Erinnerungen an Internal Affairs (Wu Jian Dao, 2002) geweckt, doch zum bloßen Bastard lässt sich New World nicht einfach so herunterbrechen.

Die Fülle der antagonistischen Beziehungen ist kaum wiederzugeben. Verachtung an allen Ecken und Enden, keine klaren Linien. Die Gefechte eskalieren, als der Kopf des Unternehmens plötzlich ums Leben kommt. Das Syndikat braucht einen Thronfolger. Und schon befinden wir uns mitten auf der riesigen Spielwiese, die Park für die intriganten Machtkämpfe in seiner Geschichte konstruiert. In kürzester Zeit gelingt es ihm, uns knapp mit dem involvierten Personal vertraut zu machen, eine Übersicht zu geben über die Figuren, die hier zum Zuge kommen werden.
Eine erfolgreiche Partie verlangt eine kluge Strategie. Die Genre-Bausteine, aus denen der Film zusammengebastelt ist, sind vorgegeben und müssen irgendwie zur Verwendung gebracht werden. Worauf es aber ankommt, sind die bedachten Spielzüge. Da zeigt sich Park als außerordentlich guter Spieler, der sich nicht so leicht in die Karten schauen lässt. Ist man beim einleitenden Folterszenario noch in dem Glauben, auf den Spuren von The Chaser (2008) zu wandeln, wird man schnell eines Besseren belehrt. Im Gegensatz zu seinem Landsmann Na Hong-jin nimmt sich Park mehr zurück und baut seinen Film weit weniger auf Actionsequenzen und Verfolgungsjagden. Eine Entfesselung von Bewegungen und Kamera findet nur recht vereinzelt statt, stattdessen bleibt New World weitestgehend statisch. Hier wird viel herumgesessen und herumgestanden, in Autos, Büros, Gefängnissen, heruntergekommenen Baracken.

Dennoch entwickelt sich eine ungemeine Dynamik, und New World funktioniert über die mehr als zwei Stunden außerordentlich gut. Es sind einzelne Spielfelder, ausstaffiert mit fahlen Filtern und sterilem Dekor, auf die Park seine Figuren platziert, wo Vorkehrungen getroffen werden für den nächsten und übernächsten Spielzug. Wir glauben, eine Taktik dahinter zu erkennen, doch ganz sicher dürfen wir uns nie sein. Immer zieht der Regisseur neue Konstellationen und Figuren aus dem Ärmel, und die Geschichte wird zunehmend verdichtet. Nur wenige Male geht er in die Offensive und arbeitet mit expliziter Gewalt. Diese trifft, lange und sorgsam vorbereitet, dafür umso mehr ins Schwarze. Park hat das Spiel fest im Griff.
So wie er selbst seine Figuren herumführt, lässt er dann auch die handlungsmächtigen Charaktere in diesem Szenario agieren. Auch sie legen sich Taktiken zurecht und schicken ihre Gefolgsleute ins Gefecht. Es ist eine gefügige Armada aus gleichförmigen Anzugträgern, in der gleichen Farbe wie die Kieselchen auf dem Go-Tisch, die sich stillschweigend auf Befehl in diesen Arealen herumbewegen. Sie werden vor- und zurückgeschoben oder reihen sich aneinander wie die Bauern auf dem Schachbrett, schwarz-weiß rückt auf schwarz-weiß. In einer Szene im Krankenhaus, in der das Gefolge vom Tod des Clanoberhaupts erfährt, wirken sie in ihrer Uniformität und Aufstellung gar wie eine mehrfache Spiegelung.

Jeder der Antagonisten versucht, Steinchen für Steinchen aus dem Weg zu räumen, das umkämpfte Gebiet für sich zu beanspruchen. Getäuscht und intrigiert wird dabei mehr als nur einmal. Beim Go geht es darum, seinen Gegner auszutricksen, ihn in die Enge zu treiben und einen Weg zu finden, sich über ihn zu stellen. So auch hier. Und in New World sind alle Gegenspieler.
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