Museum – Kritik
Kindisch oder altklug oder beides: Alonso Ruizpalacios sieht einem Durchschnitts-Tunichtgut dabei zu, wie er im größten Museum des Landes einbricht – und lässt ihn dann feixend mit seiner Beute allein.

Der Moment des größten Triumphs wird zur größtmöglichen Demütigung: Juan (Gael García Bernal) hat einen aufwändigen Kunstraub hinter sich, er hat die Beute aus der Stadt gebracht, vorbei an einer Militärkontrolle, und nun sitzt er endlich vor jenem Händler, von dem er sich die ersehnte Million erhofft. Nur erstens nimmt der britische Liebhaber altamerikanischer Kunst Juan und seinen Gehilfen Benjamín (Leonardo Ortizgris) von der ersten Sekunde an nicht ernst. Und zweitens macht er ihm bald unter eindrucksvoller Mithilfe diverser Beleidigungen mehr als deutlich, dass niemand auf diesem verdammten Planeten so bescheuert sein wird, die seltenen Maya-Artefakte zu kaufen, die vor Kurzem aus dem geschichtsträchtigen Museo Nacional de Antropología gestohlen wurden. „Ihr seid ein paar Kinder, mehr nicht!“, wütet der Brite und lässt zwei verdatterte Mexikaner in viel zu großen Anzügen zurück.
Nicht der Hellste

Juan hört das nicht zum ersten Mal, selbst die kleine Schwester nennt ihn zu Hause „Kleiner“. Und natürlich, das wird der Vater am Ende noch einmal aussprechen, ging es ihm beim Diebstahl wohl auch um gekränkten Stolz, darum, der Welt die eigene Größe zu beweisen. Alonso Ruizpalacios bedient sich also eines bekannten Topos, das er über die reale Geschichte eines Kunstraubs aus dem Jahr 1985 legt. Nun ist Juan allerdings auch nicht der klassische Underdog, der sich gegen die Welt auflehnt und mit dem wir deshalb mitfiebern. Er ist tatsächlich nicht der Hellste, ziemlich fies zu seinen Mitmenschen und vor allem ganz und gar kindisch, und der Film ist Letzteres irgendwie auch, was ihn sympathisch macht, aber nicht retten kann.

Denn Museum springt zwischen unterschiedlichsten Registern hin und her, sodass man sich hier nirgendwo richtig niederlassen kann, nimmt uns mal viel zu sehr an die Hand und lässt uns dann viel zu schnell wieder allein, führt mal ganz klassisch Figuren ein, rast dann durch indie-smarte Dialoge, umschwebt mal mit der Kamera die präkolumbianischen Schätze und spielt zwischendrin mit albern-hübschen Meta-Spielchen, etwa indem er die bekannten Schlaggeräusche in einer Massenprügelei ironisch verstärkt und asynchron ablaufen lässt. Und dann führt uns noch Juans Komplize per Voice-over durch die Handlung, spendet dem Ganzen an Anfang und Ende noch ein paar Gedanke zur Motivik des Menschen im Allgemeinen, und der Film ist dann auch einmal nicht mehr kindisch, sondern ein bisschen altklug.
Weg mit Santa

Und natürlich will Ruizpalacios, das bleibt kaum aus bei einem solchen Sujet, auch etwas über die mexikanische Volksseele sagen, die irgendwo zwischen präkolumbianischen Kulturen und US-Kulturindustrie festhängt, die Geschichte der Mayas und Azteken stolz gegen jeden Übergriff der Gringos in Stellung bringt, zu dieser Geschichte aber eben auch nur ein instrumentelles Verhältnis hat. Die dann doch ganz froh ist über die post-kolumbianischen Errungenschaften und von noch lebenden Mayas nicht wirklich etwas wissen will. Dass der reale Kunstraub sich am Heiligabend abgespielt hat, lässt Museum also auch nicht ungenutzt: Um seine alljährliche Rolle als Weihnachtsmann der Familie an diesem Abend nicht spielen zu müssen, zeigt Juan kurzerhand den anwesenden Kindern schon im Voraus die Geschenke in der Besenkammer, zerstört damit den bloß importierten Mythos, um sich in Richtung der authentisch altamerikanischen Mythen aufzumachen – aber eben auch nur für die schnelle Million. Wenn Ruizpalacios diesen mexikanischen Durchschnitts-Tunichtgut mit der bescheuerten Idee immer wieder aufs Neue scheitern lässt, dann also weniger mit väterlicher Sympathie als mit der Freude am Zerstören einer nationalen Doppelmoral – einer ganz schön kindischen Freude zwar, aber immerhin.
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