Moonfall – Kritik

Look up, please: Roland Emmerich arrangiert ein Rendezvous zwischen Mond und Erde nach seinem Geschmack. Tsunamis und andere Katastrophen sind dabei diesmal nur der Auftakt.

Ein Asteroid reicht für die Apokalypse völlig aus, die Dinosaurier oder die uneinsichtige Weltbevölkerung in Don’t Look Up (2021) könnten ein Lied davon singen. Für Roland Emmerich, der schon seine jedes Superechsenmaß sprengende Godzilla-Version mit dem Slogan „Size does matter“ bewerben ließ, reicht er nicht. Das Sujet, nun gleich den Mond auf die Erde stürzen zu lassen, schien aber schon bei Bekanntwerden der ersten Teaser selbst für seine Verhältnisse over the top.

Erdkollision in drei Wochen

Tatsächlich ist diese Prämisse von Moonfall nur das Sprungbrett für noch wahnwitzigere Ideen. Denn schließlich bedarf es ja auch noch einer Erklärung, warum es unseren Trabanten aus der Bahn wirft (die hier ebenso wenig gespoilert wie etwa vor dem Film gewarnt werden soll). Einen ersten Hinweis liefert immerhin der zehn Jahre vor der Haupthandlung angesiedelte Prolog, in dem drei Astronaut*innen in ihrem Space Shuttle von einem aus dem Nichts kommenden dunklen, amorphen Schwarm angegriffen werden – was genau es damit auf sich hat, werden wir erst in der zweiten Hälfte erfahren.

In der ersten Hälfte kommt zunächst das Emmerich-Weltuntergangsprogramm zügig zur Sache: Nach der Entdeckung des sich verändernden Mondorbits wird die Zeit, die bis zur Erdkollision bleibt, fix von drei Monaten auf drei Wochen verkürzt, und schon nach wenigen Minuten sehen wir den Mond in gigantischer Pracht am Nachthimmel strahlen. Über die CNN-Bildschirme flackern die ersten Bilder der Katastrophen aus aller Welt, ausgelöst von der aus den Fugen geratenen Schwerkraft, und kurz darauf werden die Küsten von Emmerichs Fantasie-USA – der Rest der Welt bleibt wie immer ein Hintergrundrauschen, auch die Weltrettungsbemühungen bleiben später weitgehend amerikanische Sache – von Tsunamis geflutet. Allerdings erscheinen diese Bilder diesmal eher als Beiwerk denn als Hauptattraktion, wirken mit den scheinbar menschenleeren Stadtlandschaften vergleichsweise kühl und abstrakt – und mit den bald den halben Himmel bedeckenden Mondaufgängen und dem abbröckelnden Trümmerfeld vielleicht doch zu weit von jedem denkbaren Szenario entfernt, um ähnlich einzuschlagen wie die Katastrophenbilder in 2012 oder The Day after Tomorrow.

Durchs Mondinnere cruisen

Die von Physik und Handlungslogik unbekümmerte Drehbuchmechanik dient wie immer bei Emmerich allein dazu, alle Figuren möglichst rasch auf die Startplätze für ihr großes Abenteuer zu bringen. Zum einen gibt es da eine aufgrund der Umstände zusammengewürfelte Gruppe, die, warum auch immer, vor der drohenden Katastrophe in die Berge fliehen wird. Zum anderen und in der Hauptsache führt Moonfall mit zwei der Astronaut*innen aus der Eingangssequenz (Halle Berry und Patrick Wilson) und dem Bilderbuch-Nerd KC Houseman (John Bradley) ein Trio zusammen, das mit einem flugs aus dem Museum geholten Space Shuttle aufbricht, um einem von tumben Militärs geplanten Atombombenhagel zuvorzukommen und Erde wie Mond auf schonendere Weise zu retten. Die Gravitation des sich nahenden Trabanten nutzt man als Hebel, um trotz defekten Triebwerks starten zu können, schon bald darauf cruist man durchs Mondinnere: Nichts ist unmöglich. (Und ein paar haarsträubende Einfälle kommen da erst noch.)

Es ist eine so leichte wie fade Übung, das alles als abstrusen und hohlen Unsinn abzutun. Sympathisch an Emmerichs eskalierender Megalomanie ist aber auch bei diesem Film, dass sie eher übermütig als großkotzig wirkt. Im Grunde haben alle seine Filme den Gestus eines kindlichen Rollenspiels, das sich von einem Einfall zum nächsten treiben lässt und sich aller Versatzstücke bedient, die von Science-Fiction- und Raumfahrtgeschichten begeisterten Gemütern so in den Sinn kommen können. In Moonfall ist da von Mondlandungshistorie und Mondlandungsverschwörung über eine Dosis Matrix und eine Prise 2001 bis hin zu einer Jahrmillionen in die Vergangenheit führende Zeitreise alles dabei. Und bei der Theorie, dass es sich beim Mond in Wahrheit um eine künstliche „Megastruktur“ handele, für die der Nerd KC zunächst belacht wird, könnte er sich sogar darauf berufen, dass die Existenz einer solchen Struktur vor einigen Jahren, wenn auch nur sehr kurzzeitig, von Wissenschaftlern als ernsthafter Erklärungsansatz für einen verhaltensauffälligen Stern vorgeschlagen wurde: Gut möglich, dass auch diese Story um Tabbys Stern zu den Inspirationsquellen von Moonfall gehört.

Die Emmerich-Figur schlechthin

Nebenher geht es auch immer um familiäre Konflikte, die die auseinandergerissenen Figuren zwischendurch noch via Smartphone-Konferenz klären müssen und die ihnen mindestens ebenso wichtig sind wie die Weltrettung selbst. Wie das stets in großen Gesten von Verantwortungsbeschwörung und Opferbereitschaft mündet, kann in seinem Schematismus schon nerven und hat meist nur wenig emotionalen Nachhall. Sympathisch wiederum – und passend zum oben beschriebenen Rollenspiel-Gestus – ist, dass in Emmerichs Buddy-Gemeinschaften, die die Welt retten müssen, immer schnell, quer zu allen Hierarchien, eine völlige Egalität hergestellt ist, in der der internet-gebildete Nerd bald gleichberechtigt neben dem Astrophysiker steht (und von diesem sogar den Doktorgrad verliehen bekommt). Als großes Kind mit staunenden Augen, zunächst ängstlich und ungeschickt, dann über sich hinauswachsend, ist KC vielleicht die Emmerich-Figur schlechthin und bekommt auf dem Mond denn auch seinen gebührenden Lohn.

Auch wenn man mit der willentlichen Aussetzung der Ungläubigkeit bei Emmerich-Filmen nie weit kommt: Auf den Pakt, zwar nicht alles zu glauben, aber das meiste mitzuspielen, lasse ich mich von Zeit zu Zeit doch lieber ein als auf das Angebot von Don’t Look Up, sich für zwei Stunden gemeinsam über den doofen Rest der Menschheit zu mokieren. Zu diesem besserwisserischen Film, der gerade für den Oscar nominiert wurde, ist Moonfall ein ganz brauchbares Antidot.

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