Mission: Impossible 7 - Dead Reckoning Teil Eins – Kritik
Gegen einen übermächtigen KI-Gegner muss Ethan Hunt analog werden. Das heißt aber nicht, dass Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins „retro“ sein möchte. Vielmehr erzählt Christopher McQuarries Film vom Willen zur ewigen Jugend.

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (Indiana Jones and the Dial of Destiny, 2023) ist ein Film, der sehr bewusst auf seine Vorgänger rekurriert. Die neuen Figuren, die neben den ganzen alteingesessenen auftreten, fühlen sich durchgängig wie Wiedergänger alter Bekannter an. Der junge, mit allen Wassern gewaschene Dieb Teddy ist beispielsweise Ersatz für Short Round aus Der Tempel des Todes (Temple of Doom, 1984). Helena und Basil Shaw sind Indys Vater aus Der letzte Kreuzzug (The Last Crusade, 1989) auf zwei Figuren aufgeteilt. Aus diesem Film scheint auch der Auftakt im Zug entliehen, und überhaupt kehren die Nazis nach dem vierten Teil, der ohne sie auskam, ebenfalls wieder. Und so weiter und so fort.
Brocken der Film- und Seriengeschichte

Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins ist fast genauso von Echos der Vergangenheit durchzogen. Aber weniger durch Figuren, die wieder aufgegriffen werden – wie etwa Ilsa (Rebecca Ferguson) und the White Widow (Vanessa Kirby), die erneut Teil des Casts sind. Weniger dadurch, dass wir es mit einem Mission: Impossible-Film nach bekanntem Muster zu tun haben, in dem unsere kleine Gruppe des IMF undercover gegen die halbe Welt kämpft und sich vor allem mit wenig vertrauenswürdigen Vorgesetzten herumschlagen muss. Weniger, weil wieder Masken getragen werden und nie ganz sicher ist, ob die anwesenden Personen sie selbst sind. Weniger, weil Ethan Hunt (Tom Cruise) wieder mit seiner Verantwortung und Reue zu kämpfen hat, weil er Frauen, die ihm etwas bedeuten, in Gefahr bringt. Weniger, weil wir das bekommen, was ein Mission: Impossible-Film eben verspricht.

Vielmehr ist es so, dass durchgängig Brocken der Film- und Seriengeschichte das neue Abenteuer zu durchziehen scheinen. Ethan wird dieses Mal von zwei Agenten des CIA (Shea Whigham und Greg Tarzan Davis) so verbissen wie glücklos verfolgt, als würden Colonel Decker und Captain Crane wieder als Comic-Relief-Nebenfiguren Jagd auf das A-Team machen. Die psychopathische Paris (Pom Klementieff), die in einer faszinierenden Mischung aus kindlicher Freude und innerlichem Totsein eine Schneise der Zerstörung hinterlässt, erinnert an Gogo Yubari aus Kill Bill: Vol. 1 (2003). In dem Auto, das in Rom eine verwundert dreinblickende Verfolgerin umkreist, hallt die Autoverfolgungsjagd aus Der rosarote Panther (The Pink Panther, 1963) um einen Brunnen der ewigen Stadt wieder. Und das Finale in von einer Klippe hängenden Zugwaggons ist die eskalierte Version des gleichen Szenarios mit einem Transporter aus Vergessene Welt: Jurassic Park (The Lost World: Jurassic Park, 1997).

Bei besagtem Zug handelt es sich selbstredend um den Orient-Express, der nicht nur für Hercule Poirot schon oft den Handlungsort bot. Und so weiter und so fort – mal ist eben mehr, mal weniger Assoziationskraft vonnöten. Wird beim Rad des Schicksals die Vergangenheit jedoch durchgängig für Nostalgie instrumentalisiert – weshalb Indy selbst, wenn er in seiner Gegenwart Fuß fassen soll, dafür seine alte Liebe wiedertreffen muss –, hat Dead Reckoning einen anderen Zugang zu seiner Vergangenheit und der seines Mediums. Vor allem ist dieser weniger klar.
Im Grunde bleibt es schön simpel

Schon die Handlung treibt Ethan Hunt, seine Mitstreiter und Gegenspieler zurück in die Vergangenheit. Der dieses Mal gesuchte MacGuffin, ein Schlüssel, führt zu einer künstlichen Intelligenz, die ein eigenes Bewusstsein erlangt hat, sich in sämtlichen Datenbanken der Welt herumtreibt und „die Wahrheit angreift“ – trotz einigem Gerede darüber, wer wie motiviert ist, diese KI zu jagen und unter seine Kontrolle zu bekommen, bleibt es im Grunde schön simpel: Wer das Wissen in der nahen Zukunft kontrolliert, wird die in der kommenden Klimakatastrophe anstehenden Verteilungskämpfe kontrollieren. Alle werden von diesem Ring, sie alle zu knechten, verführt, weshalb Hunt nicht einfach nur zwielichtige Vorgesetzte hat, sondern solche, die Botschaften hinterlassen, die sich anhören, als bekomme er inzwischen seine Befehle von Jigsaw aus der Saw-Filmreihe (2004–2021).

Gegen einen Gegner jedenfalls, der alles über einen weiß, der einen mittels Videoüberwachung ständig ortet, der in Echtzeit Überwachungskamerastreams verändert, der einen weltweit zur gesuchten Person machen, der ausrechnen kann, wie sich alle verhalten, und damit in die Zukunft blickt, gegen einen solchen Gegner gilt es natürlich analog zu werden – wie die „Entity“ ebenso das Problem des Zugriffs auf die „reale“ Welt lösen muss. Sprich, sie braucht alte Technik beziehungsweise Handlanger und Schergen. Dies führt aber nicht dazu, dass Dead Reckoning in irgendeiner Form „retro“ sein möchte. Die Transponder und Bildschirme sehen gleich aus, funktionieren gleich und sollen doch nun analog sein. Computer werden weiter benutzt, nur werden nun auch Festplatten ausgebaut, um möglicherweise Teile der KI festsetzen und analysieren zu können.
Etwas digitale Nachhilfe

Dieser Ansatz, der durchgängig zwischen alt und neu festsitzt, zieht sich durch den ganzen Film und gibt ihm etwas Klassisches, ohne ihn irgendwo in der Vergangenheit festzuhalten. So ist Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins ein rasanter Paranoiathriller, bei dem die Erkenntnis der Verstrickungen von Regierungen und Geheimbehörden nicht wie in den 1960ern und 1970ern eine große Überraschung ist, sondern in dieser Welt das täglich Brot. Ein Thriller, der wieder mehr auf das Team setzt, der gerade bei den Slapstickverfolgungsjagden durch Rom, wo zeitweise jedes parkende Auto gerammt wird – durch Unfähigkeit und gefesselte Hände – wieder mehr Sinn fürs Komödiantische zeigt, der atemberaubende Stunts bietet, aber digital sichtlich nachhilft. Auch dabei übrigens, den inzwischen 61-jährigen und immer noch unverschämt jung aussehenden Tom Cruise noch ein, zwei Falten zu nehmen, während Simon Pegg daneben zunehmend wie ein alter, verbrauchter Mann aussieht.

Kurz: Dead Reckoning ist zuweilen wunderschön fotografiert – die Schießerei im Sandsturm, der von blauen digitalen Bildschirmen eingehüllte Club, der die KI als ätherische Würgeschlange unserer Protagonisten zeigt – und ein bei allen Längen rasanter Film. Vor allem aber einer, der vom Willen zur ewigen Jugend erzählt, von Willen, sich von der Zeit nicht abhängen zu lassen, und doch die Brüche in diesem Vorhaben sichtbar und seine Vergangenheit spürbar zu machen. Was ihn eben zu einem Film für Jung und Alt macht.
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