Mission: Impossible – Rogue Nation – Kritik
Der Agententhriller als undurchsichtige Oper: Geheimdienstliche Verstrickungen und eine Frau namens Ilsa bringen Ethan Hunt ganz schön durcheinander, machen Christopher McQuarries rasanten M:I-5 aber umso schöner.

Auch wenn das ultraböse Terror-Syndikat, das die Welt bedroht, dem riskanten Übereifer des britischen Geheimdiensts entspringt, kommt die CIA im mittlerweile fünften Mission: Impossible namens Rogue Nation nicht viel besser weg. Deren Chef Hunley (Alec Baldwin) hält ausgerechnet die Impossible Mission Force (IMF), dieses rechtschaffene Kleinstunternehmen im Geheimdienstgewerbe, für obsolet und will sie am liebsten abschaffen – IMF-Chef Brandt (Jeremy Renner) protestiert vergeblich. Gut, dass sein Topagent Ethan Hunt (Tom Cruise) gerade ohnehin untergetaucht ist, um den mysteriösen Solomon Lane (Sean Harris) aufzuspüren, der an verdächtig vielen Unglücksschauplätzen rund um den Erdball auftaucht, von Naturkatastrophen bis zu Flugzeugunglücken und Terroranschlägen. Ein secret agent of history, ein geheimes Syndikat, und viel mehr werden wir auch am Ende von Rogue Nation nicht wissen, was auch ganz gut so ist. Das Drumherum ist gerade bestimmt genug, um ein bisschen Plot-Schmieröl in die filmische Maschine zu werfen, steht der wilden Raserei, um die es hier eigentlich geht, aber auch nicht groß im Wege – und nervt nicht mal mit der üblichen Plottwist-Eskalation.
Die unmögliche Mission als Oper

Weniger rasend, aber umso schöner ist eine Sequenz in der Wiener Staatsoper, in der Ethan das geplante Attentat auf den österreichischen Kanzler verhindern will. Nicht nur die Weltpolitik scheint hier gewissermaßen provinzialisiert, auch die ihr entsprechende Vogelperspektive wird zur Augenhöhe eines gar nicht mehr übermenschlichen IMF-Agenten, der höchst verwirrt ist, weil sich gleich drei verdächtige Personen ihre bedrohlichen Wege durch den in alle Richtungen und Dimensionen offenen Backstagebereich der Oper bahnen. Mittendrin etwa jene Ethan schon bekannte Frau mit dem tollen Namen Ilsa Faust (Rebecca Ferguson), die – mehr Femme fatale als Bond-Girl – zugleich großes Geheimnis und Bruchpunkt der männlichen Kausalitätsketten von Rogue Nation ist. Hier schwebt sie in einem gelben Abendkleid über die Gerüste unter dem Dach des Opernhauses; und selbst Ethans treuer Nerd-Assistent Benji (Simon Pegg), auch in diesem Teil der Serie zuverlässiger Lieferant von comic relief, verliert vor seinen angezapften Monitoren den Überblick.

Perfekt getaktet ist diese Sequenz, schwirrt von den Überwachungskameras über die feindlichen Bewegungen der designierten Attentäter zu Ethans sonst so zuverlässigem Maschinen-Körper, dem der Agent ein Handeln abringen muss, obwohl ihm der sonst gewisse Durchblick abgeht. Neben der Suspense liefert die Montage nebenbei eine sorgfältige Kartografie des Wiener Opernhauses, in 3D: Gänge, Kurven, Treppen, nach oben fahrende Plattformen, und im Hintergrund, irgendwo da unten, werden die Arien von Puccinis Turandot geschmettert und spenden dem ganzen Treiben die angemessene musikalische Untermalung. Alles, was die M:I-Serie in Basis und Überbau ausmacht, ist da in dieser Szene, gewissermaßen zur Oper geworden: das symphonische Zusammenspiel von digitalen Manipulationen aus der Distanz und physischer Körperlichkeit, der bevorstehende Eskalationen antizipierende und doch die Ruhe bewahrende Blick, schließlich der Stellvertreterkampf Eins-gegen-eins in luftigen Höhen, während dort unten auf der Bühne sich das abspielt, was wir für das eigentliche Drama halten, weil der Backstagebereich der Weltpolitik sich unserem Blick entzieht.
Furiosa Faust

Dass selbst für Ethan Hunt diese Backstagewelt nun komplizierter geworden ist, sodass es für einen kurzen Moment tatsächlich so aussieht, als könnte er nur tatenlos dem Attentat beiwohnen, dafür steht diese geheimnisvolle Ilsa, die bald darauf in einem Swimmingpool in Casablanca (!) auf Ethan warten wird. Frau gewordene Komplexität einer Geheimdienstwelt in Zeiten internationaler Verflechtungen, terroristischer Schattenvereinigungen und V-Mann(oder Frau)-Dilemmata, arbeitet sie für alle und für niemanden, führt den Helden zum Schurken und damit auch den Schurken zum Helden. Obwohl Rogue Nation mit ihrer Weiblichkeit als dem großen Anderen spielt, ist Ilsa zugleich ziemlich konkret und furiosa, kann Motorradjagd wie Messerkampf, und irgendwann wird sie dem doch eigentlich auf eigene Faust unsterblichen Ethan gar das Leben retten.
Mit George Millers grandiosem Spektakel Mad Max: Fury Road teilt Rogue Nation nicht nur die progressiveren gender politics, sondern zugleich den noch in größter Beschleunigung präzisen Schnitt und die Disziplinierung der Visual Effects zugunsten physischer Nachvollziehbarkeit. Wo aber Miller sich an der radikalen Reduktion auf die Horizontale als Bewegungsraum körperlicher Konfrontationen erprobte, da entfesselt Rogue Nation die Dimensionen. Schon zu Beginn hängt Ethan gleich mal von außen an einem startenden Flugzeug; die Gebäude sind konsequent auch in der Vertikale offen; und schließlich wird der Film von naturgewaltigen Kreisbewegungen heimgesucht, als Ethan in einer unter Wasser gelegenen Schaltstation mit angehaltenem Atem einen Chip auswechseln muss, während er in einen Strudel ... ach, es ist ja auch egal. Es geht um physische Kräfte und Gegenkräfte, um Gesetze, die ausgehebelt werden, durch die Allmöglichkeit modernster bis futuristischer Technologie und die Allresistenz von Ethans Körper, im besten Fall durch ihr perfektes Zusammenspiel.
Sag mir deine Mittel, und ich zeig dir einen Zweck

Wer will da nach Wahrscheinlichkeiten fragen? Die eigentümliche M:I-Form der suspension of disbelief darf gleich zu Beginn der für die Abschaffung der IMF plädierende CIA-Chef kommentieren, im stets um das Grundprinzip der eigenen Konstruktion wissenden, aber nie deeskalierend ironischen Modus dieses Films: „Your results look suspiciously like luck.“ Gut erkannt, denn die Resultate sind ja nun wirklich nicht die entscheidende Variable: Auch wenn sich die IMF in den Filmen die passenden Methoden erdenkt, um die unmöglichsten und für den Weltfrieden doch so dringlichen Missionen bewältigen zu können, geht es den Mission: Impossible-Filmen natürlich darum, nichts macht das klarer als die Anfangssequenz, sich Missionen zu erdenken, um sich an Methoden zu erproben – nicht um die Nuklearwaffen der tschetschenischen Separatisten im Flugzeug geht es, sondern darum, dass Tom Cruise beim Abflug an eben diesem Flugzeug dranhängt. Diesem Grundprinzip ist sich Rogue Nation vielleicht noch mehr bewusst als seine Vorgänger, und deshalb macht er grandiosen Spaß.
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