Matrix 4 – Resurrections – Kritik
Die Matrix ist nun voller warmer Farben. Der vierte Teil der Reihe erlaubt sich eine Leichtigkeit, für die in den todernsten Vorgängern kein Platz war. Zugleich fühlt sich Matrix 4: Resurrections manchmal an, als ob vier Filme gleichzeitig ablaufen.

Am Anfang der ersten drei Matrix-Filme wird jeweils tanzen gegangen. Es spielt keine zentrale Rolle, und doch lässt es sich die Reihe nicht nehmen, Leute in einen Club zu schicken und etwas modernes Savoir-vivre zu zelebrieren. Und so regelmäßig das geschieht, so unterschiedlich sind die dazugehörigen Szenen. In The Matrix (1999) ist es lediglich eine Impression der subkulturellen Lebenswelt der Hauptfigur. In The Matrix Reloaded (2003) ist es das zelebrierte Fest von Körpern, die sich in Zeitlupe aneinanderreiben, wie um ihrer kargen Wirklichkeit zu trotzen – in Parallelmontage zu einer Sexszene. In The Matrix Revolutions (2003) ist es eine Steampunk-Unwirklichkeit, die sich zu einem äußerst bevölkerten Mexican Standoff entwickelt.
Das Gleiche immer wieder anders

Im Grunde ist es sinnbildlich für eine Reihe, die von einer klaren ästhetischen Vision gezeichnet ist, die eine fortlaufende Geschichte in einer fest definierten Welt erzählt und die bisher doch drei ziemlich divergente Filme hervorgebracht hat. War der stilprägende Erstling ein gradliniger Thriller in einer Welt voll philosophischer Anschlusspunkte – hier findet sich nochmal eine knappe Zusammenfassung des Phänomens –, folgte darauf die Ausfransung des Bedeutungsschwangeren zu einem kruden Film, in dem Thriller und Actionsequenzen nun ausufernden Schwurbeldialogen gegenüberstehen und dabei so etwas wie nerdigen Camp erschaffen. Der dritte Teil fuhr das Eigenwillige wieder etwas zurück, war in seinem leichten Mehr an Einfachheit aber kaum noch Thriller als vielmehr Science-Fiction-Kriegsfilm. Irgendwie bekamen wir das Gleiche doch immer wieder anders.

The Matrix Ressurections heizt dieses Grundprinzip nun noch einmal an. Es beginnt wie vor 22 Jahren. Ein leerer Bildschirm. Ein Telefonat. Eine Frau in Lack und Leder, die von Polizisten umstellt wird. Eintreffende Agenten, die den Einsatzleiter informieren, dass seine Mitarbeiter im Gebäude bereits tot sind. Kurz bevor der Abspann einsetzt, dann Wake Up von Rage Against the Machine. Nur wird der Song diesmal von Brass Against interpretiert, wie die Schauspieler zu Beginn denen im Original höchstens ähneln. Immer wieder nimmt The Matrix Ressurections Bezug auf seine Vorgänger und den ersten Teil im Besonderen. Mal wird der eins zu eins nachgestellt, mal wird die Handlung der Vorgänger gespiegelt, mal sind Ausschnitte aus den anderen Filmen ins Geschehen geschnitten, mal werden sie an die Wände hinter die Handlung geworfen. Manchmal wirkt es wie ein Klassentreffen, wenn sich immer wieder alte Bekannte wiedertreffen und wieder das Gleiche machen.
Fast schon ein Essayfilm

Thomas A. Anderson/Neo (Keanu Reeves), im Original ein kleiner Hacker, dem offenbart wird, dass seine Realität eine virtuelle ist, erschaffen von Maschinen, um die als Energiequellen in Tanks gehaltenen Menschen bewusstlos zu halten, und dass er der Messias ist, der diesen Zustand ändern wird, hat eine neue Identität. Er ist Spieleentwickler, dessen beispiellos erfolgreiche Trilogie The Matrix ihn zur Ikone der Szene machte. Doch wird er von Visionen verfolgt. Mit einem Psychiater (Neil Patrick Harris) erarbeitet er, dass er mitnichten von einer verdrängten Vergangenheit heimgesucht wird und dass sein Spiel auch keineswegs auf der Wirklichkeit beruht. Nur dass dann doch wieder Morpheus (Yahya Abdul-Mateen II) auftaucht, der ihn abermals aus der Matrix befreien möchte.

Mehrmals steht das Wort im Bild, mehrmals wird es ausgesprochen: Déjà-vu. The Matrix Ressurections geriert sich als Echo von etwas anderem. Wenn Neo von seiner Firma mehr oder weniger gezwungen wird, einen vierten Teil seiner Spielereihe zu entwerfen, dann wird im Film selbst die eigene Marke und das, was sie ausmacht, thematisiert. So offensiv die eigene Identität (als Kopie) aber ins Bild gerückt wird, so schwer ist zu übersehen, wie sehr sich doch wieder alles geändert hat. Schon allein durch die spielerische Verhandlung des Matrix-Film-Seins, die hier fast schon die Ausprägung eines Essayfilms annimmt. Diese Leichtigkeit, manchmal geradezu Albernheit, hatte in den bisherigen, todernsten Filmen, die von Fetischen angetrieben wurden – Fetischen für Lack, für als Dialoge getarnte Orakelsprüche, für Stilbewusstsein, das bis ins Affektierte reichte – keinen Platz. (Was aber andererseits nicht heißt, dass diese Fetische nicht auch diesen Film weiter beherrschen würden.)
Ein bunter Klecks im farbreduzierten Blockbusterkino

Vor allem wohnt Neo innerhalb der Matrix nicht mehr in einem Großstadtmoloch, sondern in einer offenen, modernen Metropole voll Sonne und Weite. Womit der Film einen zentralen Teil der Identität seiner Reihe aufgibt. Das Warner-Bros-Logo zu Beginn leuchtet vielleicht wieder im bekannten Matrix-Grün. Die Matrix selbst ist aber nun voller warmer Farben. Hatte das Color Grading der Vorgänger diesen Prozess massiv popularisiert, vollführt dieser Teil nun die Rolle rückwärts und wird zum bunten Klecks im modernen Blockbusterkino mit seinen reduzierten Farbpaletten.

Eine andere Änderung ist, dass Yuen Woo-Ping nicht mehr für die Kampfchoreografie zuständig ist. Die Optik der Kämpfe ist damit eine deutlich andere, weniger stilvolle. Dass wiederholt binäre Logiken hinterfragt werden und dies wiederum hinterfragt wird, wäre ein anderer Punkt. Oder dass der bisher obligatorisch scheinende Abstecher in einen Club dieses Mal wegfällt. Sichtlich haben wir es mit einem Film zu tun, der das Bekannte variieren und anreichern, der nicht hängenbleiben möchte und lieber Neues ausprobiert – was mal mehr, mal weniger funktioniert.

Lana Wachowski ist jedenfalls auch ohne ihre Schwester Lilly weder eine subtile Regisseurin noch Drehbuchautorin. Der erste Teil wird wohl der einzige bleiben, der sich nicht in seinen Schleifen und einem gewissen Hang zum Grobschlächtigen verliert. Der Grad des Durcheinanders und des Unausgewogenen ist jedoch abermals ein neuer. Manchmal fühlt es sich nicht nur an, als ob wir zwischen den bisherigen Filmen hin und her springen, sondern als ob drei bis vier Filme gleichzeitig ablaufen. Das Ergebnis ist dann ganz sicher Geschmackssache, aber genauso sicher nicht ausrechen- und erwartbar. The Matrix Ressurection lädt uns nicht auf den ewig gleichen Tanz, sondern auf einen ganz eigenen. Was ihm kaum genug hoch angerechnet werden kann.
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Kommentare
Paul Hackett
Matrix Resurrections ist jetzt nicht wirklich schlecht, aber auch alles andere als gut. Der enttäuschende vierte Teil scheitert insbesondere daran, dass der erste Teil ein Meilenstein der Filmgeschichte war. Aus Nostalgie-Gründen kann man sich den mal ansehen.
1 Kommentar