Mandy – Kritik
Blutverkrustete Fratzen: In Panos Cosmatos Mandy macht sich Nicolas Cage auf einen brutalen Rachefeldzug. Der Film verzichtet dabei auf jedes Innehalten vorm Schwingen der Axt.

Einer etwas schematischen Gegenüberstellung der klassischen und der romantischen Musik zufolge erzielte Erstere ihre Wirkung – infolge der damals üblichen kleineren Orchesterbesetzung – vor allem über die Gestaltung von Melodien, die genaue Führung der einzelnen Stimmen und die Feinheiten ihres inneren Aufbaus. Die Musik der Romantik dagegen konnte sich ganz auf die Wucht ihres Klangs und auf die vielen obertonreichen Harmonien verlassen, die ihr aufgrund der schieren Masse der Instrumente in ihrem Orchester zur Verfügung standen.
Analog zu dieser Gegenüberstellung lässt sich auch Panos Cosmatos’ Mandy beschreiben: Der Film funktioniert nicht über den Entwurf ausgefallener Melodien, er will die Grundstruktur seiner bewusst schematischen Geschichte nicht durch gegenläufige Motive ins Wanken bringen, diese Geschichte nicht um neue Facetten erweitern oder mit unerwarteten Abschweifungen anreichern. Vielmehr will er die einzelnen Elemente der von ihm entworfenen Grundkonstellation mit einem solchen Exzess an gestalterischem Einsatz betonen, mit allen ihm zur Verfügung stehenden bildlichen und akustischen Mitteln so weit überhöhen, dass sie aus ihrem Inneren zu vibrieren und an ihren Rändern auszufransen beginnen. Nicht etwas Neues, Unbekanntes soll in Mandy zum Vorschein kommen, sondern das vermeintlich bereits Vertraute soll derart roh und brutal in Erscheinung treten, dass man ihm hilflos gegenübersteht, ganz so, als sähe man es zum ersten Mal.
Eine Ästhetik der permanenten Verstärkung
Dieses Vertraute nimmt in Mandy die Form eines blutigen Rachedramas. Der Holzfäller Red (Nicolas Cage) lebt mit seiner Frau Mandy (Andrea Riseborough) abgeschieden in einem dichten, schauerromantisch-düsteren Wald. Mitten in der Nacht werden sie dort von der herumstreunenden Sekte um den egoistischen Propheten und gescheiterten Musiker Jeremiah (Linus Roache) überfallen, und es kommt zu seelischen und körperlichen Gewaltakten, in denen das gemeinsame Glück auf sadistische Art und Weise zerstört wird. Gebrochen und allein tritt Red daraufhin einen Rachefeldzug an, in dem er seinen Peinigern nicht nur nach dem Leben trachtet, sondern ihre Körper zerstückeln, zerbrechen, zur unförmigen Masse zerlegen will. Die archaische Dynamik einer sich ständig steigernden Brutalität peitscht Mandy auf vielfältige Art und Weise immer weiter hoch: Der Raum und die Figuren werden immer wieder unvermittelt in ein leuchtendes Blau oder ein blutig-sattes Rot getaucht. Dröhnende Gitarrenakkorde begleiten unablässig das Geschehen und verleihen jeder Eskalation und jedem emotionalen Ausbruch eine unerbittliche Härte. Vor allem jedoch werden die einzelnen Wendungen der Rachegeschichten durch Anleihen aus der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur ins offen Fantastische überhöht – kämpfende Horden werden in einem okkulten Beschwörungsritual herbeigerufen, mit schweißtriefendem Gesicht wird eine Axt geschmiedet, und plötzlich hängt ein grell leuchtender galaktischer Nebel im amerikanischen Nachthimmel.
Die schwerfällige Mechanik eines hochtourigen Rachedramas
Die Ästhetik ist in Mandy so ausschließlich auf Amplifikation ausgerichtet, dass sich der Film vollkommen den Zwängen seiner Ausgangssituation ausliefert und über die Parameter, die diese Situation bestimmen, nie hinauskommen kann. Besonders das Statische, gar Undramatische eines jeden Rachedramas wird im Laufe von Cosmatos Film immer drückender: Denn irgendwann ist die einzige Frage, die den Film von einer Szene zur nächsten treibt, nur mehr, wie Nicolas Cage nun sein nächstes Opfer niederringen und brutal zurichten wird. Ein Zweifel an der heilenden Wirkungen der Rache, ein kurzes Innehalten vor dem Schwingen der Axt oder auch nur ein exzessiver Genuss an der Gewaltausübung müssen in Mandy grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, denn derartig mehrdeutige und unbeherrschbare Motive würden den Ablauf des dem Film zugrunde liegenden Getriebes stören, würden die Wucht, die der Film mit jeder Szene zu akkumulieren sucht, empfindlich mindern. Und so bekommt Mandy irgendwann etwas sehr Mechanisches und Schwerfälliges: Es ist ein klar vorhergezeichnetes Programm, das abgearbeitet werden muss und aus dem es folglich auch kein Entkommen geben kann. Spaß kann man an den immer aufwendiger werdenden Tötungsaktionen somit nur wenig haben, so enthemmt und überdreht manche der visuellen Einfälle auch sein mögen. Denn der Film muss stets auf seiner eigenen Drastik beharren – eine Brechung, ob nun ironischer oder nur motivischer Art, hat in seinem ästhetischen Programm schlicht keinen Platz.
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