Mad Max: Fury Road – Kritik
Hin und zurück, doch eigentlich geht es nur ums Geradeaus. George Miller peitscht im lange erwarteten vierten Teil der Mad Max-Reihe rigoros nach vorne und kreiert ein die Bewegtheit tilgendes Monster des Bewegungskinos.
Eine einzige Verfolgungsjagd

Nach etwa zwei Dritteln der Spielzeit kommt es doch noch zu einem Bruch in der bis dahin maximal stetigen Verlaufsform von Mad Max: Fury Road. Das gelobte („grüne“) Land, das die kleine Helden-Gruppe um Max Rockatansky (Tom Hardy) und Furiosa (Charlize Theron) aufzusuchen gedachte, entpuppt sich endgültig als Phantasma. Oder konkreter gesprochen, und um die Insistenz auf das Materielle und Körperliche von George Millers Reboot, das selbst die zahlreich auftauchenden psychischen Traum(a)-Bilder seines Protagonisten immer wieder von ihrer Physis her in den Blick nimmt, zu offenbaren: als ein riesiges Matschloch. Für einen Moment wird diese von Minute zu Minute immer unaufhaltsamer und unendlicher erscheinende Fluchtreise auf einem zu einer Art Kriegsschiff auf Rädern umgebauten Truck buchstäblich ausgebremst. Die kinetische Energie, die bis dahin jeden Winkel des Bildraums eingenommen und jede Figurenpsychologisierung, sollte sie sich doch einmal in der Enge eines der Fahrerhäuschen breitgemacht haben, getilgt hatte, ist ausgesetzt. Nervös rutsche ich in meinem Kinosessel hin und her, der Stillstand ist nach knapp eineinhalb Stunden reinsten Bewegungskraft-Kinos kaum zu ertragen. Das Lachen im Saal muss eines der Verlegenheit sein, konfrontiert mit der Angst vor der eigenen, zurückkehrenden Emotionalität möchte man am liebsten in diesem Zustand der Abgestumpftheit, den der Film da mit aller Macht zu erzeugen gesucht hat und der vielleicht als ein Erfahrungsmodus des Actionfilms schlechthin beschrieben werden kann, verweilen.

Mad Max: Fury Road tut uns diesen Gefallen, wie er auch seine Figuren selbst vor jeglicher melodramatischen Emotion bewahrt. Zwar bricht es kurz aus Furiosa, die mit der Entführung einer „The Five Wifes“ genannten und dem tyrannischen Warlord Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) als Genpool und Gebärmaschinen dienenden Frauengruppe die riesige Verfolgungsjagd erst auslöst, heraus. Die emotionale Entladung, das Herausschreien ihrer Enttäuschung, Trauer und Wut ob der Nicht-Mehr-Existenz ihrer ursprünglichen Heimat gehen aber im ständig die Sprache verschlingenden Soundtrack und der Weite der Sanddünen – die postapokalyptische Hermetik der Mad Max-Welt erzeugt Miller (erneut) durch die offene Landschaftsform der Wüste – unter. Und auch das (Ab-)Stoppen ist nur von kurzer Dauer, das scheinbare Einziehen einer Differenz, an der sich Affekt- und Handlungskonstellationen entladen könnten, erweist sich als paradoxe Umkehrung: nach wenigen Minuten und mit einigen alten Damen auf Motorrädern, den letzten Vertreterinnen des Volkes der „Many Women“, im Schlepptau geht es zurück – dahin, wo man hergekommen ist!
Stockcar-Wrestling

Weiter, immer weiter, die Spuren im Sand bleiben die gleichen, sie werden nun lediglich in entgegengesetzter Richtung (erneut) befahren. Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Die Richtung des Bewegungsvektors kehrt sich zwar um, der Betrag aber bleibt der Gleiche: auf und zwischen mit viel Set-Design-Liebe hergestellten Auto-Monstern spielen sich Kampfszenen ab, die auch durch die bildliche Analogizität – Miller geht verhältnismäßig sparsam mit digitalen Effekten um – als akrobatische Performances ausgestellt sind. Diesbezügliches Highlight: Die Musik dazu kommt direkt aus der filmischen Welt, live von einem den Tross ständig begleitenden Band-Fahrzeug. Zu nicht aufgelösten Akkorden, brummenden Beats und ins scheinbar Unendliche adressierten Gitarren-Soli eines gespensterartigen Musiksklaven wird geballert und gerammt, gerungen und geschlagen (und, als jetzt schon ikonische Besonderheit: gependelt!). Irgendwie ist das alles mehr Sport und Spiel als Krieg: eine Mischung aus Stockcar und Wrestling, allerdings ohne Bahn oder einen Ring, sondern auf einer nicht endenden Geraden.
Alles bewegt und nichts regt sich

Das kinetische Konstrukt Mad Max: Fury Road ist im Prinzip eine durch ständige Bewegung hergestellte Stillstellung. Im stetigen (Fort-)Schreiten gibt es hier kein Handeln mehr, in der Dauererregung kein Ergriffensein – eine Namensnennung und ein anerkennendes Zunicken sind die höchste Gefühlsintensität zwischen dem Heldenpaar, auch wenn sich Miller da kurz vor Schluss mit einer völlig aus dem Rahmen fallenden melodramatischen Lebensrettungs-Szene kurz untreu wird. Das hat, auch in Abgrenzung zur ständigen körperkinohaften Ausstellung degenerierten menschlichen Fleisches, viel von einer Maschinen-Gemeinschaft, funktionierend durch und betäubt von der eigenen Bewegung um der Bewegung willen. Hier, und nicht unbedingt in der bereits angelaufenen feministischen Diskussion um die Konzeption des Weiblichen – da ist der Film, glaube ich, in seiner dialektischen Ironie immer schon schlauer – wird Mad Max: Fury Road gesellschaftspolitisch, in Bezug auf so etwas wie eine postkapitalistische Kondition lesbar.
Neue Kritiken

Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes

Kung Fu in Rome

Dangerous Animals

Versailles
Trailer zu „Mad Max: Fury Road“


Trailer ansehen (2)
Bilder




zur Galerie (11 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.