Le parc – Kritik

Es wird dunkel im Park. Da fängt der Spaß erst an.

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Damien Manivels zweiter Spielfilm ist nach dem in Locarno entdeckten Un jeune poète genau das, was man von ihm erwarten durfte: eine Weiterentwicklung und eine völlig neue Richtung in einem. Zunächst sind da wieder jugendliche Körper im Zentrum: ein junger Mann, etwas ungelenk, wenngleich nicht ohne Selbstbewusstsein – was sich ja ohnehin nicht auszuschließen braucht und viel zu selten so lebendig und unverstellt eingefangen wird wie hier. Außerdem eine junge Frau, etwas scheu, eher wortkarg und mit zurückhaltender Freude an der Zweisamkeit. Sie treffen sich auf einer Parkbank, schlendern durch den Park, suchen einsame Ecken im Gestrüpp, Plätze mit Ausblick. Hoffnung, Annäherung, Vergewisserung. Manivel fängt das mit Gelassenheit ein und lässt seine bedachte Inszenierung von Laien den Film tragen – sie ist sein größtes Ass.

Kein Abluchsen, kein Entblößen

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Laien und Inszenierung: Beides ist hier gleichermaßen wichtig, denn wie in Un jeune poète bedingen sich das Herausbrechen der Darsteller und der dafür bereitgestellte Rahmen gegenseitig. Dieses innige Verhältnis von zwei äußerlichen Facetten ermöglicht eine Art Provokation der Wahrhaftigkeit, die Innen und Außen verbindet. Diese Provokation fußt vor allen Dingen auf einer Klarheit in der Struktur und einer Überlegtheit der Einstellungen. Hier stiehlt keiner Momente vom Leben, will niemand jemandem etwas abluchsen oder jemanden unfreiwillig entblößen. Im Gegenteil ist der Film zu jeder Zeit Komplize, gibt Sicherheit und gestaltet das fiktive Setting als vertrautes Terrain.

Le parc öffnet den Blick verführerisch auf ein sich selbst spielendes Spiel, eine Manifestation der Jugend, die sich nicht zu rechtfertigen braucht und im Spiel einfach ist. Der junge Mann, er wird keine 18 sein, bemüht den Schulunterricht in Philosophie, seine Lektüre von Sigmund Freud, um das Mädchen zu beeindrucken. Sie zeigt nicht, ob es klappt. Unsicherheit und Verunsicherung als liebenswerte Momente, ohne Verniedlichung einzufangen, ist schon an und für sich eine schöne Leistung. Manivel hat aber noch viel mehr parat, denn er strapaziert sein Setting so weit über, bis es in einen komplett anderen Film kippt.

Und dann die Dämmerung

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Es ist toll für das Filmerlebnis, wenn man vorher nicht weiß, was in der zweiten Hälfte der ohnehin sehr kurzen Laufzeit passiert. Es ist aber genauso müßig, über Le parc zu schreiben, ohne darauf zumindest ein paar vage Hinweise zu geben, weil hier der Schlüssel zu seiner Wirkung liegt. Völlig ohne Vorwarnung, im Zeitraum einer Abenddämmerung, die wir auf dem Gesicht des Mädchens langsam sich einschleichen sehen, hält die Fantasie Einzug. Eine neue Begegnung, eher unwirtlicher, vielleicht auch unwirklicher Art, bringt die Geschichte ins Schleudern. Oder ist es ihr Trotz, ihr Spaß? Eine amüsant frustrierende SMS-Konversation, die Manivel etwas gimmickhaft in heute modischer Weise auf die Bilder legt, gibt ihr das Stichwort für eine absurde Handlung. Sie zieht sie gegen Sinn und vernünftiges Timing immer weiter durch.

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Manivel hatte in seinem Erstling mit einem fantastischen Element etwas unvermittelt gespielt – das Grab, zu dem der junge Dichter den Film über immer wieder spricht, irgendwann antwortet es ihm. Le parc ist auf andere Weise verspielt. Zunächst im Tonfall durch den Gegensatz des heiteren Tages und der sich daraus entspinnenden, tristen Nacht. Formal hat das einen besonderen Reiz, weil die Nacht nicht nur irgendwie dunkel ist, sondern wirklich finster. Das Verbotene – man muss wissen, dass Frankreich Parks nachts geschlossen werden – schleicht sich in die Geschichte. Doch dem Verbotenen widersetzt sich Manivel zugleich, in dem er den Bildern etwas Entrücktes gibt, und durch geschickte Perspektivenwechsel lösen sich auch die Anker der Erzählposition immer mehr. In der Nacht kommt das Laienspiel erneut voll zur Entfaltung, weil es Vereindeutigungen verhindert und sich dem psychologischen wie narrativen Zugriff immer mehr entzieht. Le parc verliert bis zum Schluss die Komik nicht, aber vielleicht – und das wäre der einzige Wermutstropfen bei diesem großen, leisen Vergnügen –, vielleicht verliert sich durch die Komik am Schluss der Film.

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