Jumanji: Willkommen im Dschungel – Kritik
Alle Lebensalter in der Schwebe: In Jake Kasdans Fortsetzung zu Jumanji bewohnen Jugendliche die Körper erwachsener Filmstars – was Figuren wie Schauspieler in hochkomische Pubertätsnöte stürzt.

Das Spiel Jumanji ist im Grunde ein Raubtier. Beständig auf der Jagd nach Kindern und Jugendlichen, die es in seinen undurchschaubaren Regeln gefangen nehmen kann, ist es darauf angewiesen, sich immer wieder aufs Neue den Lebensbedingungen seiner Beute anzupassen. So steht auch am Anfang von Jake Kasdans Jumanji: Willkommen im Dschungel eine Verwandlung: aus dem massiven Brettspiel des Vorgängerfilms von 1995 wird, mit lautem Donner und einer Explosion grünen Nebels, ein Videospiel. Doch dieser Evolutionssprung ist nur ein halber, unvollständiger: denn die neue Form, die sich das Spiel gibt, ist die einer klotzigen 80er-Jahre-Konsole – die Welt, die der Film (nach einem kurzen Intermezzo im Jahr 1996) entwirft, ist dagegen eine betont heutige. Inmitten all der Selfie-Sticks, Skype-Gespräche und aufwändigen 3D-Videospiele wirkt das eigentlich so bedrohliche Jumanji-Spiel somit nur mehr wie das Relikt einer vergangenen Zeit, eine nostalgisch aufgeladene Spur früherer Tage.

Es ist nur eine kleine Dissonanz, konzentriert auf ein einzelnes (wenn auch zentrales) Requisit, und doch äußert sich in ihr ein Grundprinzip sowohl des alten wie des neuen Jumanji-Films. Beide beziehen ihre Energie ganz wesentlich aus einer Verschränkung der Lebensalter, und in beiden geht es, bei allem computergeneriertem Chaos, immer auch um den Prozess des Erwachsenwerdens – genauer: um die plötzliche (wenn auch nur zeitweilige) Aushebelung dieses Prozesses. Nahm das Erwachsenwerden-vor-der-Zeit im ersten Film noch die Form einer schlagartigen Verwandlung der äußeren Welt (indem die beschauliche Vorstadtwelt der jungen Hauptfiguren von bedrohlichen Dschungelkreaturen heimgesucht wird), so kommt es in Jumanji: Willkommen im Dschungel zu einer schlagartigen Verwandlung des eigenen Körpers.

Die vier Teenager Spencer, Bethany, „Fridge“ und Martha werden von der verstaubten Jumanji-Konsole in eine virtuelle (dem äußeren Anschein nach aber vollkommen reale) Abenteuerwelt entführt und dabei in Avatar-Körper mit dem Aussehen von Dwayne „The Rock“ Johnson, Kevin Hart, Jack Black und Karen Gillan versetzt. Um aus dem Spiel wieder zurück in die reale Welt zu gelangen, haben die vier nun eine zweifache Prüfung vor sich: Sie müssen die in einzelne Levels angeordneten Herausforderungen des Spiels bestehen, und vor allem müssen sie mit der ungewohnten Wucht und den ungeordneten Impulsen ihrer plötzlich erwachsenen Körper zurande kommen.
Wenn Erwachsene und Heranwachsende dieselben Körper bewohnen

So reiht sich in Jumanji: Willkommen im Dschungel Szene an Szene, in denen die Figuren die Kontrolle über ihre Körper verlieren, ihren eigenen körperlichen Fähigkeiten fremd gegenüberstehen („Warum laufe ich so langsam?“) oder aber eine sexuelle Souveränität auszustrahlen versuchen, von der sie zumindest meinen, dass ihr erwachsenes Äußeres sie erfordern würde. Dabei entsteht die Komik oft dadurch, dass nicht nur die Figuren mit ihren Körpern zu kämpfen haben, sondern dass anscheinend auch die Schauspieler damit kämpfen, die ungelenken Gesten und den formlosen Überschwang der eigenen, bereits durchlebten Pubertät zu reaktivieren (oder dies zumindest zu simulieren).

So wird die jugendliche Unsicherheit oft weniger verkörpert als heranzitiert und bis ins Groteske überzeichnet – etwa wenn ein erster Kuss darin besteht, dass zwei weit aufgerissene Münder hilflos aufeinander zu- und aneinander vorbeigeschoben werden. In diesen Szenen findet eine doppelte und doppelt vergebliche Suche statt: auf der fiktionalen Ebene suchen die Figuren nach einem ihren Körpern angemessenen Verhalten – und auf der darstellerischen Ebene suchen die Schauspieler nach dem äußeren Erscheinungsbild eines früheren, eigentlich längst überwundenen Lebensalters. Erwachsene und Heranwachsende bewohnen in Jumanji: Willkommen im Dschungel somit dieselben Körper – und finden doch nie wirklich zusammen, scheinen einander immer gerade so zu verpassen, bis diese kleine, aber ständig spürbare und bisweilen auch schmerzhafte Lücke es irgendwann völlig unmöglich erscheinen lässt, dass die einen mal unsichere Jugendliche waren und die anderen jemals gefestigte Erwachsene werden könnten.
Ein freies Spiel der Lebensalter

Diese Lücke verleiht der überdrehten Komik von Jumanji: Willkommen im Dschungel eine interessante Instabilität – und diesen Reiz verliert sie auch dann nicht, wenn manche der Szenen komplett ins Kindische und Klamaukige abdriften. Denn selbst die vereinzelten Momente einer etwas zu angestrengten Herumclownerei fügen sich irgendwie doch noch ein in die Grundstruktur des Films: Es ist dann, als wüsste er auch selbst nicht, ob er nun erwachsen oder nicht doch noch ein Kind ist.

Überhaupt scheint der neue Jumanji-Film eigentümlich zweigeteilt: In den Dschungelszenen wirkt er wie gelöst, scheint sich immer aufs Neue an den gleichen Witzen erfreuen zu können und begreift auch die Level-Struktur des Spiels als ein befreiendes Element, das ihm erlaubt, sich in regelmäßigen Abständen ganz neue Handlungsorte, neue Gefahrenquellen, neue Rhythmen und Bildmotive zu geben. In den Szenen in der realen Welt jedoch wirkt der Film unsicher und gehemmt, verfällt etwa in Kernfamilien-Klischeebilder, lässt einzelne Figuren mit ernster Stimme abgegriffene Lebensweisheiten formulieren oder flüchtet sich in eine Musikuntermalung, die immer ein wenig zu spät und mit ein wenig zu viel Emphase einsetzt. Jumanji: Willkommen im Dschungel scheint somit als Film nur dann ganz bei sich, wenn er den Prozess des Erwachsenwerdens nicht als einen endgültigen Vorgang in der realen Welt darstellen muss, sondern ihn als einen spielerischen Zustand inszenieren kann, in dem die verschiedenen Lebensalter beständig in der Schwebe gehalten werden und jede Entwicklung immer nur eine vorläufige ist.
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