Joe Strummer - The Future is unwritten – Kritik
Die Flut an Bildern, die Julien Temple in seiner Hommage an den Frontmann von „The Clash“ auffährt, hätte drei Punk-Rock-Dokumentationen füllen können. Stattdessen ist es eine geworden. Eine, die mitreißt und bewegt.

Als sich „The Clash“ 1976 in Newport gründeten, beherrschte nur einer der vier Bandmitglieder ein Instrument. Die Aufnahmekriterien für die übrigen: „If you were ugly, you were in.“ Der Diplomatensohn Joe Strummer - Geburtsname John Graham Mellor - mit seinen schiefen, gammeligen Zähnen war ohne zusätzlichen Aufwand mit von der Partie. Bis dahin in der Londoner Hausbesetzerszene unterwegs, wandelte er sich kurzerhand vom Hippie zum Punk und zum Sänger und Gitarristen der Gruppe. Diese produzierte in den neunzehn Jahren ihres Bestehens Hits wie „London Calling“, „Rock the Casbah“ oder „Should I stay or should I go“ und mischte erstmals Punk-Rock mit diversen anderen Musikrichtungen wie Reggae, Disco oder Gospel, oft in Kombination mit politischen Texten. Wegen Drogeneskapaden und Egokämpfen büßte sie nach und nach ihre Originalbesetzung ein. Darüber hinaus pflegte sie eine jahrelange leidenschaftliche Feindschaft mit den „Sex Pistols“.

Regisseur Julien Temple (Glastonbury, 2006), der seit über zwanzig Jahren Musikvideos und Konzertfilme dreht - darunter auch zwei über die feindlichen „Pistols“ - verband mit Strummer vor dessen Tod im Jahr 2002 eine Freundschaft, die man seinem wohlwollenden Portrait anmerkt. Es beginnt rasant und vibrierend, wild und unübersichtlich. Szenen aus Animal Farm (1954), Musik- und Nachrichtenclips, Homevideos und animierte Original-Notizzettel von Strummer wechseln sich in einer Schnelligkeit ab, dass man von der Masse an Impressionen und Ideen fast überrollt wird. Mit der Zeit verlangsamt sich das Tempo, aber das, was Temples Dokumentation lebendig und pulsierend macht, bleibt: Der beeindruckende Reichtum an zusammengetragenem Bild- und Tonmaterial, das von Strummer und „The Clash“ existiert. Es vermittelt einen so greifbaren, unmittelbaren Eindruck, dass man sich diesem auch als Punk-Rock-Abstinenzler kaum entziehen kann. Die packend unterlegten und eingeschobenen Songs tun ihr Übriges.
Zwischendurch erinnern sich Freunde und Familienmitglieder, prominente und nichtprominente Weggefährten an den nicht immer pflegeleichten, aber dafür nie langweiligen Strummer. Versammelt um ein nächtliches Lagerfeuer, als Referenz an eine Tradition, die dieser hinter den Bühnen von Musikfestivals als Austauschforum pflegte. Temple erzählt Strummers persönliche und musikalische Entwicklung sehr chronologisch und setzt dabei wenig inhaltliche Schwerpunkte, was besonders bei der Länge des Portraits ein größeres Problem hätte werden können. Wäre dieses Leben nicht derart reichhaltig und ergiebig, abwechslungsreich und spannend, wie es hier der Fall ist.
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