Jackass Forever – Kritik

Männer, die glücklich sind: Jackass Forever beutet kein Erfolgsrezept aus, sondern zelebriert einen Lebensstil, mit infantiler Lust und Altersmilde.

Preston Lacey steht auf einer Wiese. Ungläubig sagt er mehr zu sich selbst, dass er ein erwachsener Mann, dass er 51 Jahre alt ist. Und doch steht er lediglich in seinen weißen Unterhosen zwischen seinen lachenden Mitmenschen und hat gerade eingekackt. Ein brauner Fleck zeichnet sich im Weiß ab, deutliche Konturen sind im Schlüpfer zu sehen. Das war noch nicht mal Absicht, nicht Teil seines Stunts für Jackass Forever. Es ist einfach so passiert. In der Aufregung. Im Stress. Womit sich ein Moment der Selbstreflexivität offenbart, der auf unterschiedliche Weisen den vierten Jackass-Kinofilm durchzieht.

Bürgerlichkeit mit Füßen treten

Etwas mehr als 22 Jahre nach dem Start der Serie auf MTV und 12 Jahre nach dem letzten Film versucht es die Gruppe von Jackass nochmal. Abgesehen von der opulenten Tricksequenz, die den Film eröffnet und in der Chris Pontius’ Penis als Godzilla über Stadt und Cast herfällt, werden lediglich alte Ideen variiert. Johnny Knoxville, Gesicht und Oberhaupt der Truppe, wird durch die Luft geschossen und von einem Stier gerammt. Leute riskieren ihre körperliche Versehrtheit mit (klitschigen) Rampen, Skateboards und ähnlichem. Schritte werden beständig malträtiert. Jemand wird von einem Skorpion in die Lippen gestochen. Brutale Streiche werden gespielt und der Schmerz und der Ekel der Mitmenschen genossen – wenn nicht gleich der eigene. Leute werden in Dixi-Klos durch die Luft geschossen oder in diesen in die Luft gesprengt. Es gibt nichts, was es nicht schon gab, nur ist es mal mehr, mal weniger drastisch. Mit anderen Worten: Bürgerlichkeit wird immer noch mit der gleichen infantilen Lust an Selbstzerstörung und Geschmacklosigkeit mit Füßen getreten.

Seinen Zenit hat Jackass längst überschritten. Die diversen Ablegerserien (Wildboyz, Viva La Bam) sind schon wieder Geschichte. Die Anschlusskarrieren wollten nie so richtig starten. Die Anwesenheit von Eric Andrés, der das Format mit seinem Late Night Talk The Eric Andre Show oder seinem Film Bad Trip sichtlich weiterentwickelte, lässt am deutlichsten spüren, wie altbacken der Film ist. Wenn Jason „Wee Man“ Acuña fast nackt auf einen Friedhof gebunden liegt und ein Geier Fleisch von ihm pickt, dann könnte das als stellvertretende Szene für den Film gelesen werden: Die Geier möchten vom Ass eines früheren Erfolges leben. Der anfangs erwähnte Preston Lacey wäre dann ein erwachsener Mann, der nicht so richtig verarbeiten kann, dass er sich immer noch an diesem Punkt in seinem Leben befindet.

Es könnte ewig so weitergehen

Doch es verhält sich genau andersherum: Eigentlich zeugt Jackass Forever davon, dass hier ein paar Menschen etwas in ihrem Leben gefunden haben, mit dem sie glücklich sind. Und von dem sie leben können, obwohl sie sich lediglich wie Idioten benehmen. Die Synchronisation, in der ich den Film sah, lässt das helle Lachen Knoxvilles leider vermissen, in dem immer wieder das Wissen um die Absurdität der eigenen Karriere zu finden ist. Darin findet sich beständig eine ähnliche Ungläubigkeit wie die Preston Laceys, nur ist diese voll kindlicher Glückseligkeit.

Die Beteiligten sind sichtlich gezeichnet, aber anders als beim abwesenden Ryan Dunn – der 2011 betrunken bei einem Autounfall starb und dem am Ende des Films Tribut gezollt wird – und bei Bam Margera – dessen Alkoholprobleme dazu führten, dass er während der Produktion gefeuert wurde und der sich innerhalb und außerhalb der Gerichte eine Schlammschlacht mit den Machern von Jackass bot – beschränkt sich die Zerstörung bei den Verbliebenen aufs Physische. Und selbst das in einem geregelten Maß.

Während des Abspanns werden die neuen Stunts mit alten, teilweise über zwanzig Jahre alten Clips in Splitscreens in Beziehung gesetzt. Oder es ist Johnny Knoxvilles Haar, das beständig zwischen Schwarzfärbung und komplettem Silbergrau wechselt. Immer wieder erzählt Jackass Forever davon, dass dies nicht mehr die jungen Esel von früher sind, sondern gesetzte Männer. Es geht eben nicht darum, ein Erfolgsrezept weiterhin auszubeuten, sondern zu zelebrieren, dass dieser Lebensstil auch nach zwei Jahrzehnten immer noch gelebt wird. Dass man etwas geschaffen hat, was Relevanz hat, wenigstens für einen selbst. Der Titel ist schlicht ernst gemeint: Für die Beteiligten könnte es anscheinend ewig so weiter gehen.

Einfach mehr Hoden und Penisse

Tatsächlich ist Jackass Forever hier und da eine Altersmilde anzumerken. Es wird weniger (zwanghaft) gekotzt. Dafür werden einfach mehr Hoden und Penisse in die Kamera gehalten. Es gibt kaum mehr Musik, die die Geschehnisse antreibt, sondern viel mehr Sachlichkeit – was auch immer das in diesem Kontext heißt. Der Abspann jedenfalls, in dem sich in energetischer Montage wieder Outtakes und unbenutzter Wahnsinn überschlagen, macht dieses Mal noch schmerzhafter spürbar, wie ruhig es bis dahin zuging.

Oft steht der alte Cast auch nur am Rand und lässt neuen Gesichtern wie Sean “Poopies” McInerney, Zach Holmes und Jasper Dolphin den Vortritt. Also Leuten, die nun wiederum darüber sinnieren, dass sie Jackass als Kinder sahen und noch immer nicht ganz glauben können, dass sie mit dabei sind – was wiederrum ein wenig erklärt, warum ihnen das Charisma ihrer Vorgänger ein bisschen abgeht.

Was Jackass Forever wiederum an Innovation und Energie abgeht, macht der Film damit wett, dass er sich ziemlich subtil ständig selbst reflektiert. In Form der vergangenen Zeit oder wenn Jaspar Dolphins Vater am Rand immer die große Klappe hat, aber jegliche Souveränität verliert, sobald er sich in den ottonormalen Jackass-Stunts wiederfindet – und somit für große Teile des Publikums einsteht. Davon abgesehen wissen die Leute von Jackass einfach immer noch, wie sie ihrem anarchischem Spaß nachgehen müssen. Am meisten kann davon wohl Erren McGehey ein Lied singen, dem, nachdem er mit einem Bären alleingelassen wurde, am deutlichsten ins Gesicht geschrieben steht, welcher Irrsinn hier abläuft. Im Guten wie im Schlechten.

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