Iron Man 3 – Kritik
Die Kunst, sich selbst zugleich zu verstümmeln und zu retten: Iron Man 3 meint es ernster als seine Vorgänger.

Die Iron Man-Serie hat sich schon seit Teil 1 (Iron Man, 2008) mit der Einsicht herumgeschlagen, dass Amerikas Stärken – namentlich seine technologische Innovationskraft wie seine individuellen Freiheiten – immer auch seine schlimmsten Schwächen sind. Tony Stark, der superreiche und oberschlaue Rüstungsfabrikant, war damals ganz perplex, als er erfahren musste, dass seine peacekeeping weapons in den Händen afghanischer Terroristen genau den Frieden torpedierten, den er mit ihnen sichern wollte. Also wurde er mithilfe einer selbstentwickelten Kampfmontur zum Superhelden Iron Man, nur um in Teil 2 (Iron Man 2, 2010) wiederum ganz baff zu sein, dass seine Feinde mit genau diesen Techniken weiter Stunk und Krieg machen wollten.
Auch wenn solcherlei selbstzweiflerische Moral von Anfang an naiv, wenn nicht verlogen, erscheinen mag: Allzu ernsthaft wird ein Multimillionendollar-Superheldenblockbuster seine eigenen Fundamente wohl nicht infrage stellen. Das Publikum will ja, allen düsteren politischen Kommentaren zum Trotz, auch zerstörerisches Spektakel genießen können. Iron Man 3 krankt da erwartbar an den sich gegenseitig bekämpfenden Anforderungen von Entertainment und Sozialkritik – aber wenn man gewillt ist, diese Einschränkungen einmal hinzunehmen, dann zeigt der Abschluss der Trilogie, trotz vieler inszenatorischer Fehltritte und Durststrecken, eine thematische Geschlossenheit, die sich zu würdigen lohnt.

Die Figur des Tony Stark selbst eignet sich ganz gut, die Autoaggressionen amerikanischer (Pop-)Kultur nachzuvollziehen. Er, der Playboy und narzisstische Zampano, immer im neusten Audi-Sportcoupé unterwegs und von Regenbogenkameras belagert, ist in Teil 3 erst einmal mies drauf. Nach dem Kampf gegen Aliens am Ende von The Avengers (2012) leidet er an einem Kriegstrauma: eine wahrlich lachhafte Vorstellung, die durch Robert Downey Jr.s maßlose Gesichtsgymnastik nicht glaubwürdiger wird. Aber schon hier versucht der Film, etwas Realität in die selbstverliebten Welten des Marvel Cinematic Universe einzuspeisen: Der Spaß des Publikums ist nicht ganz kostenlos zu haben. So geil es sein mag, New York im Film zu zerfetzen, so fehl würde man gehen, wenn man nicht ein bisschen an die Folgen dächte. Auch wenn alles innerhalb einer großen fiktiven Blase stattfindet.

Das Thema der Spätfolgen amerikanischer Kriege wird noch an anderer Stelle in Iron Man 3 angeschnitten: da geht es um ein biologisches Wundermittel, mit dessen Hilfe Kriegsversehrten die verstümmelten Gliedmaßen nachwachsen sollen. Aber wie bei allen Techniken in der Welt von Iron Man hat auch diese potenziell heilsbringende Erfindung ihre zerstörerische Gegenseite: Manche Organismen stoßen das Medikament ab, um in einer Art spektakulärer Immunüberreaktion zu menschlichen Bomben zu mutieren. Unter der Aufsicht des schmierigen Aldrich Killian (Guy Pearce) werden auf diese Weise feurig glühende Zombieheere abgerichtet. Noch so ein fragwürdiger Drehbucheinfall: amerikanische Kriegshelden als hirnlose, feuerspeiende Dämonen? Doch auch diese Geschmacklosigkeit kann man, wenn man den Superheldenwelten ihren Hang zur Überzeichnung nachsieht, pointiert finden. Nach zahllosen Selbstmorden und ersten Amokläufern von Afghanistan- und Irakveteranen ist klar, dass sich Amerika mit seinen Gespenstern konfrontieren muss. The past will come back to haunt you ...

Überhaupt kämpft Amerika in Iron Man 3 ausschließlich gegen die Geister, die es rief. Da gibt es noch den mysteriösen Superterroristen „Der Mandarin“ (Ben Kingsley), der als Frankensteinversion aller medialen Feind-, Fremd- und Selbstbilder der USA auftritt: mit Bin Laden-Bart, einem gen Fernost deutenden Kampfnamen und dem Rededuktus eines Baptisten-Priesters kapert er regelmäßig alle Fernsehkanäle, um in hochfrequent geschnittenen, nach Digitalkunst schmeckenden Videobotschaften unklar mit dem Ende der bestehenden Verhältnisse zu drohen. Was sich hinter dieser haarsträubenden Figur verbirgt, darf nicht vorweggenommen werden. Allein es reicht zu sagen, dass der Film hier seinen mit Abstand stärksten und cleversten Moment der Selbsterkenntnis inszeniert.

Ansonsten, und das sollte nicht verschwiegen werden, verschiebt Iron Man 3 die Koordinaten des sichtlich an Alterungserscheinungen leidenden Superheldenfilms kein bisschen. Es ist ja nicht so, als hätten Watchmen (2009) und The Dark Knight (2008), um nur zwei zu nennen, nicht schon ziemlich viel für eine gesteigerte Ernsthaftigkeit des Genres getan. Iron Man 3 reiht sich in diese bald über dreißigjährige Traditionslinie des Dark Age of Comic Books mit ihren selbstzweiflerischen Charakteren und tendenziell apokalyptischen Weltbildern weitestgehend ein. Der Film fällt mit seinen zwar lauten und größenwahnsinnigen, aber schlecht choreographierten Actionsequenzen auch hinter Joss Whedons The Avengers und seine filigran durchkomponierten Massenvernichtungsschlachten zurück, übrigens ein Film, der auf alle realweltlichen Bezüge pfeifte und sich stattdessen ganz ernsthaft mit den Blödsinnigkeiten seiner Fantasiewelten auseinandersetzte.

Nichtsdestotrotz lohnt es sich, Iron Man 3 als Seismographen für die Situation der sich zunehmend selbst zerfleischenden amerikanischen Kulturindustrie zu würdigen. Der Film beschäftigt sich durchaus ernsthaft mit der Hybris einer Gesellschaft, die in seinem Verständnis überall auf der Welt nur Konflikte mit sich selbst austrägt. Als Ausweg, soviel kann ohne viel Spoilern verraten werden, entscheidet sich Iron Man 3 für eine Rückbesinnung auf alte Stärken und die Option des klassischen amerikanischen Pragmatismus. Nichts – weder Waffen, noch Überzeugungen, nicht die Wissenschaft noch der Mensch als solcher – ist seinem Wesen nach schlecht. Menschliches Zusammenleben wie wissenschaftliches Forschen ist immer ein Prozess des Abwägens und Maßhaltens, der stets nur halbgare, verunreinigte und optimierungsbedürftige Kompromisse hervorbringt. Wie diesen Film eben, lauwarmer Mischmasch aus sozialkritischem Stückwerk und effektgeiler Zerstörungsorgie der er ist. Aber, soviel ist ihm zuzugestehen: Er erkennt sich selbst durchaus präzise.
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Kommentare
Leander
Im Gegensatz zu einigen anderen Blockbustern, inclusive Iron Man 1 (Teil 2 hab ich nicht gesehn) hatte ich bei diesen erfrischenden dritten Teil das Gefühl, daß die behandelten Thematiken - Gentechnik, Technik-Glaube, sogenannter Terrorismus, Liebe in Zeiten der Ehe - ehrlich dargestellt wurden, also:
Gentechnik: Dont do that.
Technik-Glaube: Glaubt nicht dran, benutzt es.
Sogenannter Terrorismus: Fake. Die wahren Verursacher sind ... Wer weiss es? Wer weiss es?
Liebe in Zeiten der Ehe: Sagt, was euch stört, aber überlasst es eurem Partner, die Lösung zu finden.
Also alles in allem war ich richtig gut drauf, als ich diesen Film gesehen hatte. Insbesondere die Aussagen zum sogenannten Terrorismus waren toll, und Ben Kingsley kann ja richtig witzig sein, lol. Auch Guy Pierce war extraklasse, Gwyneth Paltrow ebenso, selbst Don Cheadle war klasse, toll, richtig positiver Film. Das habt ihr gut gemacht, MEHR, MEHR davon :-)
Gute Filmkritik auch. Loblob.
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