Human, Space, Time and Human – Kritik

Das Alte Testament nach Kim Ki-duk: In Human Time, Space and Human steigt ein Kriegsschiff für Urlauber in den Himmel auf. Über den Wolken folgt der Kreislauf des Lebens jedoch nur Kims Menschenhass.

Nur ein paar Tage nach Beginn der Kreuzfahrt ziert eine blutige Möbiusschleife das Deck. Das Blut spendet eine Jugendgruppe, ein junges Paar, ein Präsidentschaftskandidat mit seinem Sohn, eine Fraktion von Gangstern, eine Gruppe von Prostituierten und natürlich die Crew. Einen Grund für das Blutbad braucht Kim Ki-duk gar nicht erst suchen, schließlich sind alle Beteiligten Menschen.

Denn das ist die These, die der koreanische Regisseur vorlegt: Der Mensch ist schlecht. Und diese These ist einfach genug, um nicht drauf hinarbeiten zu müssen. Entsprechend braucht Kim keine Argumente, keine Gesellschaft und keinen sozialen Raum, um sie zu belegen. Man könnte den Zustand, den der Film beschreibt, prä-zivilisatorisch nennen, aber solche Unterscheidungen greifen im Kosmos von Human Time, Space and Human gar nicht erst. Auf seiner Kreuzfahrt bildet Kim einen Urzustand nach. Mord, Vergewaltigung und Folter beginnen ohne Motivation oder moralische Bedenken. Mit der Kapiteleinblendung „Human“ erhält die Horror-Kreuzfahrt gleich das dazu passende Label.

Eine freischwebende Parabel

Natürlich hat man all das bei Kim Ki-duk schonmal gesehen: Totschlag und sexuelle Gewalt sind in seinen Filmen so alltäglich wie das Soju-Gelage bei Hong Sang-soo. Für Kim scheint es dabei stets zwei Modi zu geben, die sich innerhalb seines Œuvres gerne abwechseln: den konkreten Bezug auf die koreanische Gesellschaft (Address Unknown, Coast Guard, Pieta, etc.) und die ins Fantastische hinausgreifende, symbolüberladene Parabel (Seom, Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling). Ob man in diesen Modi nun gesellschaftsanalytische Schonungslosigkeit oder prätentiöse Effekthascherei erkennt – klar ist, dass beide Spielarten die ewige Kontroverse nähren, in der Kims Filmografie mal mehr und mal weniger konkret verwurzelt ist. In Human Time, Space and Human ist der Versuch des Filmemachers deutlich erkennbar, sich an den eigenen Haaren aus der Einsilbigkeit seines Schaffens zu ziehen und mit einer Rückkehr zum symbolbefrachteten Teil seines Œuvres wieder eine schwergewichtige Parabel in den Raum zu stellen. Also enthebt Kim seine Geschichte, nachdem der erste Durchgang die allzu bekannte menschliche Barbarei durchgespielt hat, buchstäblich der irdischen Verwurzelung. Das Kriegsschiff steigt über die Wolken in das Himmelreich empor.

Genesis aus Scheiße

Mit dem Schiff hebt auch die Inszenierung in die Sphären des Überirdischen ab. Freilich wird das Elend auch über den Wolken gnadenlos weiter durchexerziert. Denn auf dem havarierten Zerstörer wird langsam das Essen knapp. Zu Vergewaltigung und Mord, die auf alte Weise in neuen Formen durchgespielt werden, gesellt sich der Kannibalismus. Man könnte die nicht enden wollende Gewalt fast mit den Höllenkreisen aus Blut und Scheiße vergleichen, die Pasolini in Salò entwirft – wenn sie denn mehr darstellten als Kims biblisch ausufernde Misanthropie. Die Motive des moralischen Verfalls beim Schiffbruch dienen ihm aber ausschließlich als das Fundament seiner eigenen Variante des Alten Testaments.

Die spannt von der Arche Noah bis zum Garten Eden. Kims Arche beherbergt natürlich die gleichen Unmenschen. Und so serviert Human Time, Space and Human die göttliche Strafe genüsslich den namenlosen, aber frevelhaften Passagieren. Nicht eine Flut läutert die Welt, der Mensch tut es – angefangen bei sich selbst. Mit Messern, Pistolen und Handgranaten entsorgen sich die Verbliebenen gegenseitig. Mit den Leichenbergen – und damit kommt Kim dann auch endlich auf dem Olymp seines prätentiösen Schaffens an – wird der Grundstein für die nächste Generation gelegt. Wie Kompost liegen die Kadaver über das Schiff verteilt, um als Nährboden zu dienen. Denn genau so sieht Kims Garten Eden aus: Wie ein rostiger Stahlkoloss, übersät mit menschlichen Abfallbergen, auf denen neuer Abfall wächst. Der Sündenfall ist in diesem Paradies so unvermeidlich wie die Erkenntnis, dass Kim mit seinem Genesis-Entwurf ein weiteres Mal die Möbiusschleife der eigenen Misanthropie gebunden hat.

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