Horst Buchholz ... mein Papa – Kritik

Sehr persönliche Interviews hat Horst Buchholz’ Sohn mit seinem Vater kurz vor dessen Tod geführt. Jetzt hat er diese mit alten Filmaufnahmen, Photographien und Gesprächen mit der restlichen Familie zu einer eindringlichen Dokumentation verarbeitet.

Horst Buchholz ... mein Papa

In der ersten Szene folgt die Kamera Christopher Buchholz auf seinem Weg zu einer Wohnungstür. Er schließt auf und betritt eine leere Wohnung. Hell ist sie, einen Balkon gibt es auch. Besonders groß ist sie nicht, aber ausreichend für eine Person. Es ist die Wohnung seines 2003 verstorbenen Vaters, eines der wenigen deutschen Schauspieler, die auch international erfolgreich arbeiteten: Horst Buchholz, der von den Berlinern noch heute liebevoll „Hotte“ genannt wird.

Die leere Wohnung füllt Christopher Buchholz schnell mit Erinnerungen, mit früheren Aufnahmen der Wohnung, als der Vater noch lebte. Die Einrichtung ist spartanisch, Bücher scheint es keine zu geben. Man sieht den alt gewordenen Star beim Rauchen auf seinem Sofa sitzen. Die Kamera hält starr auf ihn, während Christopher seine Fragen stellt. Manche scheinen belanglos, Fragen eben, die man als Kind den Eltern stellt. Aber Horst Buchholz scheint dies alles unangenehm. Er spricht nicht gerne.

Tatsächlich ist das erste, was der Sohn über den berühmten Vater erzählt: „Er hat nichts gesagt.“ Das Interview mit der DVCam-Kamera hat er anfangs geführt, um seinem Vater zum Sprechen zu bewegen und ihn dadurch besser zu verstehen. Im Laufe zweier Jahre hat er mehrere Stunden Gespräch aufgezeichnet, in denen sich der Vater, laut Christopher, wie noch nie geöffnet hat.

Horst Buchholz ... mein Papa

Horst Buchholz wusste wohl, dass aus dem Rohmaterial einmal ein Dokumentarfilm über ihn entstehen sollte und dieses Wissen um ein fremdes Publikum merkt man seinen Aussagen manchmal an. In einigen Momenten scheint er Horst Buchholz, den Schauspieler, zu mimen, was wiederum mit dem dürren Mann, den man Kette rauchend in seinem weiten hellblauen Hemd auf dem Sofa sieht, gar nicht zusammenpassen will. Manchmal verweigert er auch die Aussage. Es ist ihm unangenehm, bestimmte Umstände seines Lebens zu reflektieren oder gar zu rechtfertigen.

Aber der Sohn kennt kein Erbarmen. Er hat diese unbehaglichen Momente und langen Schweigeminuten im Film gelassen, jedoch nicht, um den Vater vorzuführen. Sein Film ist der Versuch eines Sohnes, einem Elternteil näher zu kommen und vielleicht der Familiengeschichte eine gewisse Kohärenz zu geben. Denn dieser Film portraitiert nicht nur Horst Buchholz, sondern in gewisser Weise auch dessen Frau, die französische Schauspielerin und Schauspielagentin Myriam Bru, und die Kinder Christopher und Béatrice, die inzwischen unter dem Namen Simran Kaur Khalsa als Sikh in Kalifornien lebt. Alle Familienmitglieder äußern sich in Interviews über ihre Beziehung zu dem Schauspieler und fast immer blickt die Kamera dabei starr auf sie.

Simran Kaur Khalsa spricht davon, dass die Eltern sich immer bemüht haben – und da fällt sie vom Englischen ins Französische – „brouiller les traces“, auf Deutsch „die Spuren zu verwischen“. Was sie wohl meint ist, dass es keine Sprache gibt, die sie uneingeschränkt als Muttersprache bezeichnen können, kein Land, das sie als Heimatland betrachten könnten. Geboren in den USA als Kinder eines Deutschen und einer französischen Jüdin, aufgewachsen unter anderem in England und Frankreich, könnte man Christopher und Béatrice Buchholz als Weltbürger bezeichnen. So spannend das wohl klingen mag, es macht Identifikation schwierig. Auch das wird in Horst Buchholz …mein Papa thematisiert.

Horst Buchholz ... mein Papa

Dazwischen montieren Christopher Buchholz und Sandra Hacker Super-8-Aufnahmen, die Myriam Bru über 20 Jahre von der Familie gemacht hat, Photos von Horst Buchholz aus den Tagen großen Ruhmes, Ausschnitte aus seinen Filmen, sei es Roberto Benignis Kunstwerk Das Leben ist schön (La vita è bella, 1997) oder Helmut Käutners Monpti (1957), in dem Buchholz mit einem anderen internationalen deutschen Star spielte: Romy Schneider. Diese Einspielungen machen die Dokumentation lebendig, lockern auf zwischen den bewegungslos auf die Personen blickenden Kameraeinstellungen während der Gespräche. Sie machen aber gleichzeitig deutlich, dass der Mensch Horst Buchholz auch immer mit seinem Bild in der Öffentlichkeit rivalisieren musste.

Die Nähe Christopher Buchholz’ zu den Protagonisten seiner Dokumentation ermöglichen intime Einblicke in das Leben des Schauspielers und seiner Familie. Wer die Abrechnung eines Sohnes mit seinem Vater erwartet, wird ebenso enttäuscht werden wie jemand, der auf glanzvolle Geschichten eines Idols oder neue Bekenntnisse hofft. Der Sohn respektiert den Vater, er möchte ihn nicht vorführen, sondern ihm nahe kommen. Er und Sandra Hacker haben versucht, einen leeren Raum zu füllen, vielleicht mehr für private Zwecke als für die Öffentlichkeit. Gelungen ist ihnen dabei ein auch für ein breiteres Publikum durchaus aufschlussreicher Dokumentarfilm.

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Kommentare


Joachim Wiesecke

ich bin tief beeindruck von dem film, den ich gerade bei arte gesehen habe.
ich bin beeindruckt von der mutter, von HORST BUCHHOLZ natürlich, tief beeindruck von christopher buchhholz.
horst buchholz als auch sein sohn und vor allem die MUTTER weisen weit über ihr PERSÖNLICHES hinaus - sie treffen MICH - sie tragen eine BOTSCHAFT: SO SPIELT DAS LEBEN - keine kritik, schon gar keine MORAL! SO IST ES....
TIEFE ERGRIFFENHEIT - auch jetzt noch - eine stunde nach dem film.


Bernd

Eine der tragischsten Folmdokumente, die ich sah. Keiner der beiden, Vater wie Sohn hat sich mit diesem Film ein Gefallen getan. Weder der Vater, der offenbar nicht ansatzweise willens ist, tatsächliche Auskunft über sein Leben zu geben, noch der Sohn, der peinlich im Leben seines Vaters herumkramt, als wäre es ein Wühltisch. Horst Buchholz` Künstlerleben erfährt nicht ansatzweise die entsprechende Würdigung. Das Peinlichste ist, wenn der (von Beruf)Sohn sich über intimste Geheimnisse seines Vaters vor der Kamera auslässt und kommentierend(?) dazu sein Unverständnis auch noch äußert. Nein. Leider hat man dem Zuschauer mit diesem Film und der Person des Vaters keinen Dienst erwiesen.


Andrea

Ich wollte diesen Film sehen, erwartete etwas, das mich mehr als Bewunderer interessierte und erfuhr, wie sehr ein Künstler "auch nur Mensch" ist.Den Mut des Sohnes, seine Eltern zu befragen, nach Erlebnissen, die wie in vielen Familien ungeklärt bleiben, sehr ehrlich....ich habe meinen Vater nie Dinge fragen können, die mich an ihm interessiert haben, weil mir der Mut dazu fehlte.....und das Leben meines Vaters war dem des Lebens von Horst Buchholz ähnlich.....auch wenn wir keine Künstler waren und sind.....und peinlich fand ich an diesem Film nichts...eher sehr menschlich nah......und seine Magie wird dadurch nicht zerstört.......


Susanne

welcher Vater dieser Generation spricht schon über sich?
Christopher,sei glücklich über eure "Begegnung"-auch wenn Dein Vater schwieg-Hut ab-über diesen Film.SEI NICHT MEHR TRAURIG.


Karin

Der Film von Christopher Buchholz macht nachdenklich und traurig.
Die verzweifelte Suche eines Sohnes nach der Person des Vaters,
der die Familie in einer Lebenskrise verlässt.
Horst Buchholz hat sicher immer den Anspruch gehabt, so zu leben, wie er
es für richtig hielt.
Doch die letzten Lebensjahre werfen Fragen auf, Fragen, die einen Sohn, der
zu seinem Vater eine starke emotionale Bindung aufrechterhalten hat, vor einer Camera beantwortet haben will.
Sicher gab es im Vorfeld, ganz privat, ein paar Antworten.
Horst Buchholz hat es im Interview mit einem Satz auf den Punkt gebracht:
„That`s my UR-UR-Privatelife....“
Die Aussage seiner Frau, dass sie die Bisexualität ihres Mannes geduldet, aber nicht akzeptiert hat, ist aussagekräftig genug.
Der Star Buchholz hatte Erfolge und ein ausgefülltes Star-Leben, im Alter hat er sich
selbst überlebt.
Alkoholismus und Nikotinabusus machten aus einem agilen, lebensbejahenden Menschen,
der den Erfolg und seine jugendliche Erscheinung schwinden sah, einen depressiven
früh gealterten Mann.
Der Film gibt auf alle Fragen eine Antwort, diskret, leise, unaufdringlich, eine
ungewollte Meisterleistung, die mich tief bewegt hat.


jens

Ich (Geburtsjahr 43) hätte gewünscht, meinem Vater (einen Monat vor meiner Geburt gefallen) einmal solche Fragen stellen zu können. Und hätte gerne die Kraft gehabt, meiner Mutter, solche Fragen zu stellen, die über die wesentlichen Dinge ihres und unseres Lebens sich bis zu ihrem Tod ausgeschwiegen hat. Insofern bewundere ich den Sohn für dieses Werk zutiefst, aber auch den Vater, der sich immerhin zu sprechen bemüht hat, wobei selbst das vielsagende Schweigen beredt war.
Grandioses Portrait einer schwierigen Familie.


Hans Zeller

Mich hat dieser Film über Horst Buchholz, von seinem Sohn Christopher gedreht, sehr nachdenklich und auch melancholisch gestimmt. <br> <br>

Welch ein Leben, Triumphe und Abstürze so dicht beieinander! <br> <br> Ja, auch so ist das Leben, und was bleibt, wenn die Lichter erlöschen und man alleine zurück bleibt? Einsamkeit und der Alkohol?

Horst Buchholz hat zwei Leben geführt, das des Stars, dessen Ruhm viel zu früh verblasste und der dieses nicht wahrhaben wollte und das eines bisexuellen Mannes. Immer auf der Suche nach dem Neuen, dem aufregenden "Kick".

Horst Buchholz, für mich war er der deutsche James Dean, genauso talentiert und genau so tragisch geendet. Er möge seinen Frieden finden!


Karmen

Habe die Doku so nebenbei im Nachtdienst gesehen - bin sehr berührt - beneide diesen Christopher fast,der da so offen mit seiner familiären Situation umgehen kann - habe aber auch die Liebe in den Augen des Horst Buchholz gesehen die ja bekanntlich viele Seiten hat danke für diesen Film


tina

Habe gestern abend durch zufall in das dritte programm gezäppt, es war spät ich war müde und kaputt. tage zuvor bin ich bei den spannensten filmen einfach eingeschlummert. doch diese anrührende geschichte macht mich so neugierig und ernsthaft interessiert, obwohl der horst buchholz für mich nicht so eine interessante person war, interessierte mich die ganze geschichte des sohnes, der tochter, der witwe - ich wusste noch nicht einmal das er verstorben war und musste hier dann erfahren das er bereits 2003 von dieser welt gegangen ist. ich bewundere den sohn das er die kraft besaß, obwohl er wusste es wird ihm nicht gelingen, das zu erfahren was er gern erfahren hätte, dieses private interview zu führen, wieder und wieder. toll. danke das wir so in das privatleben der buchholz familie blicken durften. ein gelungenes projekt. und ich werde mir das sicher nochmal ansehen. ich wünsche der familie alles alles gute und viel gesundheit.
nochmals danke....


Marcel

Ich habe per Zufall auf 3 sat die Doku über Horst Buchholz gesehen, die hat mich sehr berührt. Mann hat immer so seine Idealvorstellung von Menschen die berühmt oder einmal berühmt waren. Dabei vergisst man, dass auch Sie nur Menschen sind, die Ihre Stärken und Schwächen haben.Vielen Dank für den Einblick in ein sehr bewegtes Leben.


Dr. Frucht

Der Film „Horst Buchholz ... mein Papa“ berührt, weil er meisterlich die Nöte einer Generation schildert, die in den prägenden Jahren, im Krieg und danach, unvorstellbares erlebt hatte und von denen später vor allem glatte Normalität erwartet wurde. Diejenigen, die über ihre Erlebnisse erzählen wollten, wurden oft nicht gehört oder verstanden: "Großvater erzählt mal wieder vom Krieg...". Die Anderen, die Sprachlosen wie Horst Buchholz, hatten damit zu tun ihre Verletzungen unsichtbar zu machen.






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