Greetings to the Devil – Kritik
Der kolumbianische Film Greetings to the Devil liefert raues, sperriges Actionkino und vermittelt eine bedrückende Atmosphäre der omnipräsenten Gewalt.

Im Jahr 2005 wurde in Kolumbien das Gesetz für Frieden und Gerechtigkeit verabschiedet, das dem Land einen Ausweg aus dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen der Regierung und den mehreren zehntausend Mann starken Guerillatruppen bieten sollte. Wer bereit sei, die Waffen niederzulegen und sich in ein bürgerliches Leben einzufügen, sollte im Rahmen dieses Gesetzes Strafminderung, teilweise sogar -erlass erhalten. Allerdings brachte diese Regelung kaum Lösungen, sondern erzeugte vor allem neue Konfliktlinien. Regisseur Juan Felipe Orozco nimmt sich in der Form des Actionthrillers dieser nach wie vor akuten Problematik seines Heimatlandes an. Die Kritik des wohlhabenden Leder (Ricardo Vélez) an der Amnesie für einstige Verbrecher leitet Greetings to the Devil ein und lässt ihn am Ende in wörtlicher Wiederholung ausklingen.
Der Protagonist des Films ist Ángel, früher Diablo genannt, einer jener ehemaligen Guerilleros, die nun versuchen, ein normales Leben zu führen. Leder und sein Vater wurden einst von Diablo und seiner Gruppe entführt. Der Vater wurde getötet, Leder selbst 1230 Tage in einem Erdloch eingesperrt, in dem seine Beine verkümmerten. Da seine Peiniger aufgrund des neuen Gesetzes ungestraft davonkamen, nimmt er die Schaffung von Gerechtigkeit selbst in die Hände. Leder und seine Schwester Helena (Carolina Gómez) lassen Ángels Tochter entführen und drohen damit, sie zu töten, wenn er nicht innerhalb von 72 Stunden seine ehemaligen Kameraden liquidiere.

Ángels frühere Gefährten, die nun auf seiner Abschussliste stehen, allesamt Verbrecher gegen die Menschlichkeit, führen die Missstände vor Augen, die dieses Gesetz mit sich bringt. Der Erste erscheint im Gewand eines ehrenwerten Mitglieds der Gesellschaft. Als wohlhabender und liebevoller Vater bringt er seine Tochter im großen Familienauto zum Musikunterricht. Der Zweite, Moris, wiederum verweist auf die Verbindungen zwischen staatlichen Akteuren und den paramilitärischen Gruppen. Seinerzeit Diablos Kommandante, ist er mittlerweile Polizeichef, wobei sich an seinen Methoden nicht viel geändert hat. Entführung, Einschüchterung und Mord gehören für ihn immer noch zur Routine.
Thematisch ließe sich der Film als Rachestory fassen. Nimmt man das Ultimatum hinzu, kommt einem Pierre Morels 96 Hours (2008) in den Sinn. Dieser Vergleich funktioniert jedoch nicht. Zwar bietet Greetings to the Devil durchaus spannende Momente, setzt aber viel mehr auf nüchterne Distanzierung als auf Unterhaltung. Die Actionszenen werden von Gewaltdarstellungen dominiert, die zwar grausam, aber in ihrem Schauwert eher reduziert sind. Die Bilder der sich beschießenden und prügelnden Gegner entbehren der gängigen Überästhetisierungen, sind rau, brutal und unangenehm. Auch ist die Rache eher vordergründiges Motiv, um eine Reihe von Ereignissen in Gang zu setzen, die insgesamt vor allem einem dienen: der Erzeugung einer düsteren und permanent gewaltgeladenen Atmosphäre, aus der kein Ausweg erkennbar ist.

Neben der rohen Wucht der Bilder ist es besonders die Figurenzeichnung, die verunsichert. Zunehmend wird dem Zuschauer jegliches Ein- und Mitfühlen schwerer gemacht. Nur ganz zu Beginn funktioniert Ángel ansatzweise als Sympathieträger, wenn man ihn als um seine Tochter bemühten Vater erlebt. Aber Ángel ist kein Held, er taugt nicht einmal zum Antihelden. Schnell wird deutlich, dass er seinen Gegnern im Ernstfall an Kälte und Unmenschlichkeit in nichts nachsteht. Als Leder ihn mit seiner brutalen Vergangenheit konfrontiert, unternimmt er nicht einmal den Versuch, sich auf irgendeine Weise moralisch zu rechtfertigen. Édgar Ramirez, der mit Che Guevara und Carlos zuvor zwei Exponenten der lateinamerikanischen (Gewalt-)Geschichte verkörperte, agiert diesmal nicht als historische Figur, sondern als ein unbedeutendes kleines Rädchen im Getriebe des kolumbianischen Gewaltzyklus. Sein Ángel ist darin zugleich Verursacher und Opfer. Leder wiederum funktioniert in die andere Richtung. Seine Geschichte relativiert sein anfängliches Auftreten als grausamer Entführer, für Empathie reicht das jedoch nicht.

Ángel und Moris vermögen streckenweise beinahe übermenschlich ihre Verletzungen wegzustecken. Dennoch entsprechen sie keineswegs dem nicht totzukriegenden, mitunter selbstironischen postmodernen Actionheldentypus. Zusätzlich verschiebt sich das Machtverhältnis der drei Widersacher mehrfach im Verlauf der Handlung. Hier wird deutlich, dass es Orozco nicht darum geht, eine plausible Psychologie für seine Figuren zu entwerfen. Es geht auch nicht um eine simple Schwarzweiß-Dichotomie. Die Kontrahenten Leder, Ángel/Diablo und Moris, die sich allenfalls innerhalb eines Grauspektrums gegenüberstellen lassen, fungieren vielmehr als Chiffren eines Klimas der absoluten Gewalt und Unsicherheit. Am Ende kann es somit auch keine Katharsis geben, nicht einmal einen Showdown. Es bleibt lediglich Bedrückung angesichts der dargestellten Unmenschlichkeit, die trotz ihrer Überzeichnung sicherlich nicht eines gewissen Realitätsanspruchs gegenüber Kolumbiens Problemen mit den paramilitärischen Organisationen entbehrt.
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