Gladiator II – Kritik

Auch im Nachfolger zu seinem 2000er-Hit interessiert sich Ridley Scott für Todessehnsucht, blutige Weltlichkeit und den Kampf für die Tugend. Gladiator II wartet mit Seeschlachten im Kolosseum und Denzel Washington im Rampensau-Modus auf, verliert jenseits des Spektakels aber auch immer wieder an Fahrt.

Als Commodus der Thronfolger von Marc Aurel wurde, endete die Zeit der Adoptivkaiser. Wie der Name der Epoche im römischen Kaiserreich schon sagt, waren Marc Aurel und seine Vorgänger nicht die leiblichen Söhne der vorherigen Cäsaren gewesen, sondern ihre Adoptivsöhne – ausgewählt wegen ihrer Fähigkeiten. In Gladiator (2000) wurde dieser Traditionswechsel damit erklärt, dass Commodus (Joaquin Phoenix) seinen Vater tötete und den designierten Nachfolger aus dem Weg schaffte. Womit er aber auch dem Cäsarenwahnsinn wieder Tür und Tor öffnete – Phoenix’ Commodus gesellte sich als paranoider Herrscher, der sich durch Gefühle von Unzulänglichkeit in die Rolle des Gottes rettete, zu Kaisern wie Caligula und Nero. Unterdessen kämpfte sich der eigentliche Thronfolger Maximus (Russell Crowe) als Gladiator nach Rom, um den Usurpator zu stürzen und die Demokratie, den römischen Traum, wiederzubeleben.

Nur Ansätze von Schönheit

Der Film kam im Mai 2000 in die US-amerikanischen Kinos, zu einer Zeit also, als ein Wahlkampf langsam Fahrt aufnahm, in dessen Verlauf diverse Prominente bekundeten, die USA verlassen zu wollen, sollte George W. Bush gewinnen. Das Timing war also exzellent und fing das kommende Drama sehr schön ein: Entweder gewinnt der eine, und der amerikanische Traum lebt, oder der andere läutet das Ende einer einst gelebten Utopie ein. War Gladiator in diesem Aktualitätsbezug aber eher unbestimmt, ist die Fortsetzung darin viel deutlicher, aber auch vieldeutiger.

Ridley Scott macht mit Gladiator II im Grunde einen klassischen zweiten Teil. Er klont das Original, weiß aber auch darum, dass das Gleiche nun höher, schneller und weiter hinaus muss. Der Film handelt also abermals von einem rechtmäßigen Thronfolger und der auf dem Thron sitzenden Dekadenz. Aber auch in ihren drei Kerninteressen gleichen sich die Filme. Einmal ist da die Sehnsucht nach einem Elysium, nach Ruhe respektive dem Tod. Wieder verliert unser Held (Paul Mescal als Hanno) seine Frau, die nun im Jenseits auf ihn wartet, solange er noch seine Kämpfe zu Ende bringen muss. Wieder wird das damit Einhergehende in prächtigem, prätentiösem Kitsch dargeboten – in stahlgrauen Bildern, in denen die Welt von einem abfällt. Während die anderen beiden Aspekte der Filme hier aber geradezu eskalieren, hat Scott für diesen Punkt ein wenig das Interesse verloren. Von der elegischen Schönheit, die der erste Teil zuweilen zeigte, bleiben nur Ansätze übrig.

Gallige Freakshow

Dieser Sehnsucht stand und steht eine Weltlichkeit entgegen, die durch Blut und Schmerz gekennzeichnet ist. Zwar widmet sich Scott kaum seiner Vorliebe für Gore – zumindest die Kinofassung ist von ein, zwei abgetrennten Köpfen und Händen abgesehen erstaunlich blutarm –, aber dafür gibt es nun Seeschlachten im Kolosseum inklusive eines Wasserbeckens voller blutrünstiger Haie sowie Kämpfe gegen angestachelte und aufgeputschte Paviane oder gegen einen Nashornreiter. Wo das Jenseits also vergilbt, da wird die allgegenwärtige Brutalität wilder, irrealer, absurder. Der Schmerz des Lebens wird zur galligen Freakshow, die die Leute seelisch und/oder körperlich zerstört oder der sie gereinigt und potent entsteigen. Wenn Gladiator II seinem Vorgänger etwas voraushat, dann seine blumige, aberwitzige, schrille Verkommenheit, die keine Zurückhaltung mehr kennt.

Was uns zum dritten zentralen Aspekt von Gladiator II bringt, dem Kampf der Tugend gegen die Verkommenheit, und damit auch zur Gegenwart der Veröffentlichung des Films. Die klare Front zwischen Usurpatoren und rechtmäßigen Helden wird komplexer, die Zugehörigkeit zu Gut und Böse fragiler. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Figur des Maximus wird aufgespalten in Hanno und den General Acasius (Pedro Pascal), der desillusioniert dem Treiben am Kaiserhof ein Ende bereiten möchte und mit alten Bekannten aus dem ersten Teil (vor allem Connie Nielsen als Lucilla) gegen den Thron intrigiert. Vor allem wohnt dem Traum Roms, der sehr viel deutlicher als zuvor der amerikanische Traum ist, nun der Keim des Verderbens inne. Ehemalige (sicherlich nicht zufällig schwarze) Sklaven wollen sich für ihr Leid rächen, während aus den Rändern des Reichs ein orientalisch kodierter Widerstand gegen die Kolonialmacht erwächst. Die Maske Rom, die den USA beziehungsweise dem Westen aufgesetzt wird, ist tatsächlich sehr dünn und durchsichtig.

Offene Zeichensysteme

Gladiator II kam nun viel knapper vor einer Präsidentschaftswahl in die US-amerikanischen Kinos, und viel deutlicher zeichnet sich diese in ihm ab. Auf der einen Seite ein orangefarbenes Brüderpaar auf dem Kaiserthron – ihre Haut ist zwar kränklich weiß, umso greller leuchten ihre Haare in der Erkennungsfarbe Trumps –, das sich in Handeln und Auftreten um Fakten und guten Geschmack nicht schert. Auf der anderen Seite geht der Niedergang Roms Hand in Hand mit der Auflösung von Heteronormativität und einer übermäßigen, rachedurstigen Kritik an begangenen Fehlern/Gräueln (Sklaverei, Kolonialherrschaft). Statt klaren Botschaften also reichhaltige, aber offene Zeichensysteme.

Dass der Film aber überhaupt zu einem solchen Graben im Subtext verführt, ist sein größtes Problem. Wie schon in Gladiator ist der Kampf für die Tugend ein dröger Kampf. So schrill und aufregend die Verkommenheit von Kaiserhof und der brutalen Welt ist, so bieder ist ihr Gegenpart. Sowohl die Verschwörungen von Acasius und Lucilla als auch der Kampf Hannos um die richtige Sicht der Dinge werden von umständlichen Diskussionen und unnötig ausgedehnten Handlungssträngen begleitet. Abseits des Spektakels gewinnt der Film nur an Fahrt, wenn die dubiosen Figuren auftreten.

Was zuvor Joaquin Phoenix als Commodus war, sind nun Joseph Quinn als Kaiser Geta und Fred Hechinger als Kaiser Caracalla, die nur begrenzt Platz bekommen, vor allem aber Denzel Washington als Macrinus, dessen Amtsjahr als Kaiser sich hier auf einen Ritt vor die Tore Roms verkürzt. Macrinus ist eine dankbare Rolle, weil die Figur doppelte Spiele spielt und manipuliert, weil sie im Graubereich aus Tugend und Verderbtheit agiert, weil sie unklar ist. Und Washington ist ein Glücksfall für diese schillernde Rolle, weil er sich ihr hingebungsvoll als Rampensau annimmt. Er – zusammen mit den Haien, Nashornreitern und Co. – holt uns in den Film, wo uns sonst allzu viel zu einem Blick ins Hier und Jetzt einlädt.

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