Gerhard Richter Painting – Kritik
Malen, Spachteln, Kratzen, Grübeln. Corinna Belz’ Dokumentation über Gerhard Richter konzentriert sich auf dessen Arbeitsweise.

Am Anfang steht Gerhard Richter vor zwei weißen Leinwänden. Mit einem breiten Pinsel bemalt er sie mit offenen Farbflächen in Rot, Gelb und Grün. Dann lässt er die Farbe kurz antrocknen, nimmt eine Rakel zur Hilfe und beginnt das Bild zu bearbeiten. Immer wieder geht er auf Distanz, grübelt und verteilt die Farbe durch vertikale oder horizontale Bewegungen aufs Neue. Wenn der Maler schließlich nicht mehr weiter weiß, wird das Bild erst mal stehen gelassen. Das kann bis zu zwei Wochen dauern.

Bis eine Arbeit von Deutschlands am teuersten gehandelten lebenden Maler fertig ist, vergeht viel Zeit. Währenddessen werden die Bilder bis zur Unkenntlichkeit verändert. In den 1960er und 70er Jahren ist Richter vor allem durch abgemalte Fotos und Experimente mit Farbtafeln bekannt geworden. Seine aktuellen, abstrakten Gemälde durchlaufen unzählige Stationen. Die leuchtend bunte Leinwand übermalt Richter etwa irgendwann schwarz. Nur einige Farbspuren werden durch das Glätten und Kratzen wieder sichtbar. Dann übermalt er sie doch wieder weiß. Und so weiter.
Corinna Belz hat sich in ihrem Dokumentarfilm Gerhard Richter Painting dafür entschieden, ihr Augenmerk auf den Prozess der Bildproduktion zu legen. Zum Glück, muss man sagen. Die meisten Künstler-Dokus kommen über eine uninspirierte Nacherzählung des beruflichen und persönlichen Werdegangs nicht hinaus. Nur selten konzentriert sich ein Film auf die Arbeit selbst.

Hans Namuth, zum Beispiel, hat Anfang der 1950er Jahre in mehreren Filmen Jackson Pollock bei der Arbeit beobachtet. Doch zwischen Pollocks expressionistischen Malritualen und der bedachten, fast meditativen Arbeitsweise seines deutschen Kollegen liegen Welten. Und das ist bereits die zweite Stärke von Belz’ Dokumentation. Denn Richter bedient keine altbackenen Künstlerklischees vom geltungsbedürftigen Malerfürsten. Stattdessen merkt man ihm seine Aversion gegen die Kamera an. Seine wenigen Äußerungen sind knapp und oft auch ein wenig kryptisch.
Corinna Belz hat bisher fürs Fernsehen gearbeitet, war unter anderem an dem Mammutprojekt 24h Berlin – Ein Tag im Leben (2009) beteiligt und hat auch schon einen Beitrag über die von Richter bemalten Fenster des Kölner Doms gedreht. Gerhard Richter Painting ist zwar fürs Kino konzipiert, kann sich aber nicht ganz von den Fesseln seiner Fernsehästhetik lösen. Der Film sieht nicht nur aus wie eine schicke Arte-Doku, sondern ist auch tatsächlich von dem deutsch-französischen Sender mitproduziert worden.

Letztlich begnügt sich Belz auch nicht damit, das Große im Kleinen zu sehen. Zunächst bleibt der Blick noch konsequent auf der Arbeit Richters oder den notwendigen Übeln, die damit einhergehen. Man sieht, wie Richters Assistenten Farbe anrühren, und folgt dem scheuen Maler während Ausstellungsplanungen und -eröffnungen. An manchen Stellen kommt es aber dann doch zu einer lexikalischen Informationsvermittlung. Mehrmals gleitet die Kamera etwa an einer Wand mit Richter-Miniaturen entlang, um das Oeuvre des Malers im Schnelldurchlauf abzuhaken. Gegen Ende versucht sich Belz dann auch noch als Hobbypsychologin. Zuvor hat sie sich noch die meiste Zeit beherrscht und lediglich mal ein naives „Das versteh’ ich jetzt nicht” eingeworfen. Beim Betrachten alter Fotos kann sich die Regisseurin aber nicht zurückhalten. Biografische Details wie Richters Flucht aus der DDR, sein zunächst falsch eingeschlagener Berufsweg und der abgebrochene Kontakt zu den Eltern scheinen dann doch zu verführerisch zu sein, um sie ganz zu ignorieren. Dabei wäre gerade das eine durchaus radikale Geste gewesen.
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