Furiosa: A Mad Max Saga – Kritik
Auf den alles niederwalzenden geradlinigen Fury Road lässt George Miller nun ein episches und verwinkeltes Drama folgen. In Furiosa: A Mad Max Saga wird die Titelfigur zur skrupellosen Waffe der Rache geschmiedet, während sie doch nur überleben will.

„Es gab im letzten Jahr diesen Insta- und TikTok-Trend, in dem Frauen auf Anraten einer schwedischen Influencerin ihre Boyfriends (oder manchmal auch Väter oder Brüder) fragten, wie häufig sie ans Römische Reich dachten. Die Antworten lassen sich wie folgt zusammenfassen: verblüffend oft.“ Auch ein Text zu Furiosa: A Mad Max Saga könnte wie Till Kadritzkes Megalopolis-Kritik beginnen, denn George Miller, so macht sein neuester Film klar, dürfte auch die ein oder andere Minute mit Gedanken an das Römische Reich verbringen.
Odyssee durchs Ödland

Die Details sind vielfältig. Hier der neu eingeführte Warlord Dementus (Chris Hemsworth), der sich mittels eines Streitwagens durch die Wüste fortbewegt. Nur wird dieser nicht von Pferden, sondern von Motorrädern gezogen. Dort der Minister des bekannten Warlords Immortan Joe (Lachy Hulme), der seine fehlende Nase durch eine goldene ersetzt hat, wie eben Justinian II, dessen Nase nach byzantinischer Sitte abgeschnitten wurde, um ihm seines Thronanspruchs zu berauben, der aber einfach mit goldener Nasenprothese zum zweiten Mal den Thron bestieg.
Doch auf eine Formel lässt sich George Miller auch in seinem fünften Mad-Max-Film nicht festlegen. Sicherlich geht es auch hier im gröbsten Sinn um eine Odyssee durch ein postapokalyptisches Ödland. Es geht um (selbstgeschraubte) Autos, um Oktan, Sand und das Leben mit Schmerz. Aber auch wenn die Brüche nie wieder so groß waren wie zwischen dem ersten Mad Max (1979) und Mad Max: Der Vollstrecker (Mad Max II, 1981), so suchten sie sich doch alle ihre eigenen Ausdrucksformen für das Gleiche – wie kaum anders zu erwarten bei einem Regisseur, dessen Karriere sich kaum greifen lässt. Mal geht es um die Apokalypse, mal um die Poesie des ewigen Lebens (Three Thousand Years of Longing, 2022), mal um tränenreiche Dramen (Lorenzo‘s Oil, 1993), mal um tanzende Pinguine (Happy Feet, 2006).

Statt des sehr geradlinigen, niederwalzenden Actionfilms des Vorgängers (Mad Max: Fury Road, 2015) – ein Tanklaster fährt unter Beschuss durch die Wüste – folgt nun das eher verwinkelte epische Drama. In fünf Kapiteln wird die Geschichte von Furiosa (damals noch Charlize Theron, jetzt Anya Taylor-Joy) erzählt, der heimlichen Hauptfigur von Fury Road, die die nominelle Hauptfigur an den Rand gedrängt hatte. Sie wird von Plünderen aus ihrem geheim gehaltenen Paradies in der ewigen Wüste entführt, zu der Australien nach einer atomaren Katastrophe geworden ist. Sie wird erst bei Dementus zu dessen „Tochter“, dann in der Zitadelle Immortan Joes zum Haremsmädchen, zur Mechanikerin und schließlich zur Generalin, die die Transporte zwischen den weit auseinanderliegenden Punkten der kleinen Zivilisation gegen Räubermilizen verteidigt. Währenddessen gibt es Schlachten, Kriege, eine Liebesgeschichte und eine menschliche Gesellschaft, die nach der Tabula rasa in Barbarei verfallen ist und sich erst wieder austarieren muss.
Überzeichnetes Höllenloch voller Schnörkel

Selbstredend gibt es atemberaubend aussehende Verfolgungsjagden, fantasievolle Dekors und Vehikel, mit denen kreativ aus den Ruinen der alten Zivilisation neue Mode und neue Technik entstehen, die vor allem da sind, damit hochtechnisierte Barbaren, fast schon wieder Höhlenmenschen, einander das Leben zum Alptraum machen. Zumindest die Farbpalette sieht in diesem Abgrund inzwischen wieder etwas natürlicher aus. Darin eben die Geschichte eines Mädchens, die den Verlust der letzten Reste von menschlichem Miteinander am eigenen Leib zu spüren bekommt und in eine Welt des Schmerzes und wölfischer Menschlichkeit geworfen wird, wo sie unter Anleitung von Dementus lernt, hart zu sein. Zur effektiven und skrupellosen Waffe der Rache wird sie geschmiedet, während sie im Grunde nur überleben möchte. Dass sie Liebe und Zuneigung findet, dass sie ihren Körperpanzer minimal öffnet, wird brutal bestraft werden. Die Lust am überzeichneten Höllenloch voller Schnörkel ist groß.
In diesem – bei aller Düsternis ziemlich poppig bunten – Endzeitactionfilm fühlt es sich aber nur noch bedingt so an, als wären wir an einem Endpunkt angelangt. Die Suche nach mythischen Paradiesen ist in diesem Genre kaum etwas Neues, aber darum geht es nicht. Furiosa ist gerade auch in der Hinsicht eine einzige Sackgasse für alle Hoffnungen, das verlorene Paradies wiederzufinden. Ganz anders verhält es sich mit dem Status quo. Immortan Joe ist nicht einfach nur mehr der Warlord, der ruchlos und dekadent über die Reste der Menschheit herrscht, sondern eine Art Stabilisator. Schon ein Fortschritt zu den reisenden Plünderern von Dementus. Seine Herrschaft ist schon eine erste Stufe in Richtung einer Zivilisation, der der Anarchie einfallender Rockerlegionen nur ins Gesicht lacht.
Bäume aus dem Unterleib

Millers Film handelt somit von kleinen verstreuten Völkern in einer kleinen, auf sich zurückgeworfenen Welt. Diese kämpfen miteinander, Territorien werden abgesteckt, alles ist so fremd wie vertraut, es geht um Wüsten, Legionären, Herrscher und (verkommene) Dekadenz unter den Reichen und Mächtigen. Kurz: Der fünfte Mad Max ist auf seine Weise ein Sandalenfilm. Mit Gummireifen statt Sandalen, wie auch die Dekadenz dem Backcover von Miles Davis Live Evil entsprungen sein könnte. Und damit geht es nicht um das Ende der Zivilisation, sondern um einen neuen Aufbruch. Anders als in Mad Max – Jenseits der Donnerkugel (Mad Max Beyond Thunderdome, 1985) nicht durch Kinder, sondern durch einen Hauch von Gesellschaft und durch Bäume, die phallisch aus dem Unterleib vergehender Gegner wächst. Manchmal wirkt es so, als könnte Conan, der Barbar nicht in einer fantastischen Vorzeit spielen, sondern in der Zukunft dieser Welt, wenn sich wieder mächtige Reiche erheben.
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