Freaky Tales – Kritik
Freaky Tales schwelgt zunächst selig im bunten Inventar der 80er Jahre, doch bald blitzen die politischen Konflikte unserer Gegenwart hervor. Nostalgische Weltflucht und kritische Zeitdiagnose halten in dem Film von Anna Boden und Ryan Fleck eine prekäre Balance.

Die Sehnsucht nach der Vergangenheit findet im zeitgenössischen Kino ihren vielleicht prägnantesten Ausdruck, denn gerade im Medium Film ist Nostalgie ein effektives und deshalb populäres Mittel des Affekts. Insbesondere der Hollywood-Film hat schon immer eine gewisse Nostalgie für seine eigene Vergangenheit empfunden – nicht ohne Grund gewinnen Filme wie La La Land dutzende Preise oder gehören Blockbuster wie Top Gun: Maverick zu den zentralen Filmen ihres jeweiligen Produktionsjahres. Seit den 2010er Jahren schwappt nun eine Welle der 80er-Jahre-Nostalgie über die Kino- und TV-Landschaft. Diese Nostalgie-Welle führt zu einer besonderen Form der Fetischisierung: Es geht nicht um eine Repräsentation der 80er Jahre, sondern vielmehr um eine Fetischisierung zweiter Ordnung – wir erleben nicht die Epoche selbst, sondern die nostalgische Vorstellung, die wir heute von ihr haben.
Freaky Tales (2024) von Anna Boden und Ryan Fleck präsentiert sich als Anthologiefilm, der in Oakland im Jahr 1987 angesiedelt ist. Der Film navigiert dabei zwischen zwei widerstreitenden Impulsen: Einerseits schwelgt er in einer überladenen 80er-Jahre-Ästhetik mit Jeansjacken, bunten Trainingsanzügen und zeitgenössischer Musik. Andererseits durchbricht er diese nostalgische Oberfläche immer wieder, um die strukturellen Probleme jener Zeit – Rassismus, Sexismus, Polizeigewalt – offenzulegen und Formen des Widerstands zu zeigen. Diese Grundspannung zwischen nostalgischer Verklärung und kritischer Zeitdiagnose zieht sich durch alle vier Episoden des Films.
Solidarischer Widerstand

Die ersten beiden Geschichten verbindet nicht nur das Motiv eines mysteriösen grünen Leuchtens am Himmel – einer Art übernatürliche Energie, die den Protagonisten ermöglicht, über sich hinauszuwachsen – sondern vor allem ihr Fokus auf gemeinschaftlichen Widerstand gegen Unterdrückung. In der ersten Episode verteidigen Punks ihren Club gegen eine Nazi-Bande. Die eigentlich pazifistisch lebenden Außenseiter greifen zu selbstgebauten Waffen und wehren sich gegen die Angreifer in einem blutigen, an Exploitation-Filme erinnernden Showdown. Die zweite Episode folgt dem Rapperinnen-Duo Danger Zone, das sich gegen mehrfache Diskriminierung behaupten muss: Die jungen Frauen werden von den Nazis aus der ersten Episode beschimpft, von einem korrupten Polizeiinspektor sexuell belästigt und sollen schließlich vom Rapper Too $hort in einem inszenierten Rap-Battle mit misogynen Texten gedemütigt werden. Mit Hilfe der mysteriösen grünen Energie gelingt es ihnen jedoch, das Blatt zu wenden. Beide dieser Episoden zeigen marginalisierte Gruppen, die durch Solidarität und gemeinsames Handeln triumphieren. Der Film kontrastiert damit bewusst die individualistische Tendenz der 80er Jahre mit Beispielen erfolgreichen kollektiven Widerstands.
Einsame Rachefantasien

Die letzten beiden Episoden schlagen einen deutlich dunkleren Ton an. Hier stehen Einzelpersonen im Mittelpunkt, deren individuelle Ausstiegsversuche in Gewalt und Tragödie enden. Pedro Pascal verkörpert in der dritten Episode einen sympathischen Schuldeneintreiber, der nach einem letzten Job aussteigen möchte. Die Tarantino-Anleihen sind unübersehbar, besonders als Tom Hanks in einem Cameo als Videothekbesitzer seine Top-5-Underdog-Filme herunterrattert. Dem Genre-Klischee entsprechend scheitert Pascals Figur schließlich bei ihrem Ausstiegsversuch. Die vierte Episode basiert auf der realen Geschichte des Basketballspielers „Sleepy“ Floyd, der 1987 einen Punkte-Rekord bei den NBA Playoffs aufstellte. Im Film wird während des Spiels sein Haus überfallen und seine Familie angegriffen. Floyd übt im Anschluss blutige Rache an den Tätern – darunter der korrupte Polizist aus Episode zwei, der sich als Vater des Nazi-Anführers aus Episode eins entpuppt. Während die ersten beiden Episoden Selbstverteidigung und solidarischen Widerstand zeigten, münden diese individuellen Rachefantasien in sinnloser Gewalt. Der Film stellt damit die Wirksamkeit gemeinschaftlichen Handelns der Ausweglosigkeit individueller Gewaltspiralen gegenüber.
Das Alte wird ersehnt, das Neue wird erhofft

Freaky Tales bleibt letztlich ein uneinheitliches Werk. Der Film beginnt mit einer fast fetischisierten Darstellung der 80er Jahre, komplett mit allen erwartbaren visuellen Markern jener Zeit. Diese oberflächliche Nostalgie wird jedoch immer wieder durchbrochen, wenn der Film die hässlichen Realitäten der Ära – struktureller Rassismus, alltäglicher Sexismus, korrupte Institutionen – ungeschönt darstellt. Die vignettenhaften Episoden leiden dabei unter ihrer Kürze; Charaktere werden kaum etabliert, Handlungsstränge bleiben skizzenhaft. Am überzeugendsten funktioniert der Film, wenn er zeigt, wie marginalisierte Gruppen durch Zusammenhalt Widerstand leisten können. Die späteren Episoden, die in konventionellere Rache- und Gewaltmuster zurückfallen, können diese aktivistische Energie nicht aufrechterhalten.
Das wiederkehrende grüne Leuchten fungiert dabei nicht nur als mystisches Plotdevice, sondern vor allem als Symbol für die Möglichkeit politischer Alternativen. In einer Zeit, die oft als Ära des Stillstands wahrgenommen wird, deutet der Film zumindest die Möglichkeit von Veränderung an – auch wenn er selbst zwischen progressivem Impuls und nostalgischer Verklärung gefangen bleibt.
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