First Comes Courage – Kritik
Dorothy Arzners letzte Regiearbeit: First Comes Courage verlegt den Kampf gegen das Nazi-Regime vom Schlachtfeld in den Alltag – und lotet die Möglichkeit der Liebe in Zeiten des Widerstands aus.

Der Soldat bringt sein Opfer auf dem Schlachtfeld. Im Dienst für ein höheres Ideal, für die Kameraden, für das Vaterland oder auch für absolut gar nichts wird das eigene Leben riskiert und im Gemetzel der Front als einmaliges und finales Opfer gebracht. Wer diesen Dienst lebend übersteht, wenn der Krieg gewonnen oder der Frieden ausgehandelt ist, kehrt nach Hause zurück. Wer allerdings im Widerstand kämpft, der trägt das Schlachtfeld ins eigene Leben, das eigene Heim und somit auch in das Leben der Menschen, die ihm am nächsten stehen. Wer im Widerstand kämpft, opfert sein Leben nicht einmalig, er opfert es täglich. Nicole Larsen (Merle Oberon) bringt dieses Opfer. Von den eigenen Landsleuten geächtet, bändelt sie mit den Nazigrößen an, die ihre norwegische Heimat besetzen. Als Widerstandskämpferin, die sich gegen die langsame Erstickung der Menschlichkeit durch die Faschisten wehrt, tritt sie dabei nicht als nazimordende Femme Fatale auf, sondern als Spionin, die bereit ist, ihr Leben für jede potenziell nützliche Information über die Nazi-Verwaltung zu geben. Auch geht sie dieses Risiko nicht für das Vaterland ein, sie tut es für das höhere Ideal: die Liebe.
Hochzeit unterm Hakenkreuz

Nichts anderes steht in Dorothy Arzners letztem Film auf dem Spiel. First Comes Courage, den Charles Vidor 1943 nach einer Pleuritis-Erkrankung Arzners fertigstellte, ist dementsprechend keiner der vielen Vollblut-Propagandafilme der Zeit geworden. Vielmehr ist der Kampf gegen den Faschismus, den die Nazi-Besatzer als dekadente Kaste aus SS- und Wehrmachtsoffizieren verkörpern, ein Kampf gegen die Zerstörung der Sinnlichkeit. Reinhold Schünzel gibt als Oberst Kurt von Elser den Prototyp dieses kalten Pflichtbewusstseins, das der norwegischen Gesellschaft das Leben entzieht. Mit mechanischer Gleichgültigkeit knüppelt er Griegs Peer Gynt Suite in den Flügel, um darauf mit einem lustlosen Hitlergruß, für den er nicht einmal den Arm hebt, abzutreten. Vergnügen bereitet ihm nur der norwegische Hering, den er mit einer solchen Wonne in sich hineinschlingt, dass die Reste ihm noch bis zum Ende der Szene im Mundwinkel kleben.

Tatsächlich ist dieses kleine Malheur, sind diese wenigen Spritzer Sahnesoße vielleicht der letzte, symbolische Rest von Sinnlichkeit, der im Leben für das Pflichtbewusstsein geblieben ist. Die großen Gesten der Liebe sind bereits von Hakenkreuz und Stechschritt durchdrungen. So ist die Hochzeit, die Nicole mit dem Wehrmachts-Major Paul Dichter (Carl Esmond) eingehen wird, für keinen der Beteiligten ein Akt der Liebe; es ist eine militärische Zeremonie, die sie näher an Informationen und ihn näher an den Status eines bedeutenden Offiziers bringt. Vollzogen wird die Heirat wie eine Exerzierübung. Stolz marschiert Dichter mit seiner Frau an der Hand durch die Reihen der stramm stehenden Faschisten. Die Ringe werden auf einer „Hitler-Bibel“ gereicht, die Ehe und damit auch Nicoles Schicksal als Spionin im Dienst des Widerstands, mit einem Hitlergruß besiegelt. Es ist diese Hochzeit, die Nicole Zugang zu den Informationen ermöglicht, die man von ihr braucht, um die entscheidende Operation in Gang zu setzen.
„They still love“

Für eben diese dazugehörige Operation, ein Undercover-Militäreinsatz à la Das dreckige Dutzend (The Dirty Dozen, 1967) oder Der Adler ist gelandet (The Eagle Has Landed, 1976) interessiert sich Arzner dabei kaum. Es ist dieses Ethos, mit dem der Film sich aus der Masse der Propaganda-Filme der 1940er heraushebt, von denen Hollywood allein dem norwegischen Widerstand eine Handvoll Filme widmete. First Comes Courage konzentriert sich bei der Militäraktion einzig aufs Personal. Der britische Captain Allan Lowell (Brian Aherne) leitet die Operation, für die er des nachts von einem U-Boot in Stavag abgesetzt wird. Seine Motivation ist dabei nicht das Pflichtbewusstsein, es ist seine alte Liebe zu Nicole. Was der Elitesoldat zunächst nicht weiß, dann nicht akzeptieren und letztlich nie verstehen kann: dass Nicole ihre Liebe bereits für den Widerstand aufgegeben hat.

Der Glanz der unterdrückten Tränen, die Merle Oberon in so vielen Einstellungen in ihren Augen trägt, ist bereits erloschen. Als der Captain sie wieder sieht, hat die Ehe mit dem Feind das zerschlagen, was sie für andere erkämpfen will. „They still love“, wird Allan Nicole entgegenwerfen, als sie ihn fragt, was den Menschen unter der Herrschaft der Faschisten bleibe. Doch Nicole hat bereits eine andere Realität erlebt. Um sich ihr entgegenzustellen, hat sie alles geopfert – ihre Freiheit, ihr Leben. Das wahre Opfer ihres Widerstands offenbart sich jedoch erst in diesem Moment. Nicole gibt ihre Beziehung zu Allan auf und damit auch endgültig ihren Glauben an die Liebe. Und genau hier beginnt die wahre Tragik des Widerstands: wenn das Ideal, für das man in den Widerstand tritt, ihm selbst zum Opfer fällt.
Den Einführungstext zu unserer Dorothy-Arzner-Reihe sowie einen Überblick aller Texte gibt es hier
Zu den Filmen:
Craig's Wife (1936)
Nana (1934)
The Bride Wore Red (1937)
Christopher Strong (1933)
The Wild Party (1929)
Merrily We Go to Hell (1932)
Dance, Girl, Dance (1940)
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