Fighting – Kritik
Dito Montiel interessiert sich kaum für die Kämpfe, die das vom Titel suggerierte Genre ausmachen – stattdessen widmet er sich dem Alltagskampf von Großstadtbewohnern.

Ein Film, der das Kämpfen so im Titel trägt wie Fighting, weckt gewisse Erwartungen an sein Thema und dessen Umsetzung; genretypisch wäre mit schwitzenden Männerkörpern und dramatischen Momenten der maskulinen Selbstfindung zu einpeitschender Musik zu rechnen. Dass Channing Tatum als Hauptdarsteller auftritt, macht diese Erwartungen nicht eben obsolet, fiel er doch bisher vor allem durch seine Rolle als Tyler Gage im Tanzfilm Step Up (2006) auf – ein Streifen, der alle Genreerwartungen brav erfüllte, die unvermeidliche Fortsetzung in Step Up to the Streets (Step up 2 the Streets, 2008) eingeschlossen.
Wie Fighting solche Erwartungen und Genreelemente von den ersten Szenen an unterläuft, macht dann umso größere Freude. Statt eines aufrüttelnden Kampfes zum Einstieg gibt es erst einmal ruhige Szenen: Ein breitschultriger, aber sehr freundlicher junger Mann verkauft irgendwo in New York auf der Straße gefälschte Bücher und iPods. Er ist ein sanfter Typ, der alten Damen die Tür aufhält und dann noch eine Weile stehen bleibt, weil Passanten nachdrängen und er es nicht fertig bringt, die Tür einfach loszulassen; ein bisschen naiv ist er auch.

Shawn MacArthur, so heißt Tatums Figur, wird dann bald auf Harvey Boarden (Terrence Howard) stoßen, der Shawns Potenzial erkennt und den ehemaligen Ringer aus der Provinz zu Untergrundkämpfen überreden kann, mit denen sich rasch viel Geld verdienen lässt. Ein ganz selbstloser Menschenfreund ist der vom Leben enttäuschte Harvey allerdings nicht; er verfolgt noch seine ganz eigene Agenda.
Die Konflikte, die Harveys Verhalten begründen – etwa alte Auseinandersetzungen mit seinem Erzfeind Martinez (Luis Guzmán) – inszeniert Regisseur Dito Montiel in kleinen Szenen, die tiefe Verletzungen in den Charakteren ahnen lassen, ohne dass es bis zum Schluss je zu aufgeputschten Auseinandersetzungen käme; ähnlich zurückhaltend werden sogar Shawns Kämpfe gezeigt. Sie beginnen fast ohne Einleitung, nur kurz werden die Kämpfer und Raum eingeführt, und sind dann nach meist kurzer Dauer nicht weniger unvermittelt wieder vorbei. Die Kämpfe selbst sind dabei flott und dramatisch in Szene gesetzt, allerdings weit von dem Schnittgewitter entfernt, das andere Filme während vergleichbarer Auseinandersetzungen entfesseln und das zumeist eher zu Übersichtlichkeit als zu Spannung führt.

Ganz zur Ruhe kommt Fighting in den Szenen, die Shawn und Harvey miteinander zeigen, aber auch Shawn und Zulay (Zulay Henao), der jungen Frau, der er in den ersten Momenten des Films „Harry Potter und das Nilpferd“ verkaufen will und deren Zuneigung er sich dann erarbeitet – auch das ist, genreuntypisch, nie ein Kampf, nie zugespitzt, sondern langsames, beharrliches Voranschreiten der Gefühle.
Wenn Montiel seine Protagonisten zusammenführt, und aus diesen Momenten besteht der Großteil des Films, sind das Einstellungen ohne jede Kamerabewegung: Innenaufnahmen, die die Enge des ärmlichen Wohnens ebenso zeigen wie sie Geborgenheit ermöglichen, Momente auf den Straßen, die den Figuren viel Raum lassen und damit deutlich machen, dass auch für sie hier Platz wäre. Die Stadt wird nie als feindlich inszeniert, allenfalls und gelegentlich als hektisch; in echte Auseinandersetzungen begeben sich die Protagonisten stets gezielt und wissentlich.

Umso mehr irritiert es, dass das Drehbuch, von Montiel und Robert Munic verfasst, den Figuren immerzu den Wunsch in den Mund legt, die Stadt zu verlassen, das Glück auf dem Land zu suchen, als sei die Stadt ein ihnen feindlicher Moloch. Das wirkt nicht eben konsequent – warum ist dann etwa der freundliche Shawn mit seinem Collegeabschluss überhaupt nach New York gekommen und geblieben? Es sind solche Fragen, die darauf aufmerksam machen, dass Montiel, der bereits bei seinem ersten Film A Guide to Recognizing Your Saints (2006) mit Channing Tatum zusammengearbeitet hatte, nur allzu oft auf filmische Gemeinplätze zurückgreift, wo seine Story und die Charaktere schwächeln.

Gelegentlich wechselt die Kamera für Zwischenschnitte auch in die Vogelperspektive, man blickt in die Häuserschluchten und wundert sich über den Perspektivwechsel, der dem Film außer Desorientierung – denn die Welt der Wolkenkratzer ist nicht die seine – nichts hinzufügt außer einer Standardeinstellung des Großstadtfilms, die nur besagt: Dies ist New York. Zugleich suggeriert der Film aber durch den Blick von oben auch, dass seine Geschichte Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben könne; das macht die Diskrepanz zwischen der sympathischen Darstellung der Großstadt und der Provinzsehnsucht der Figuren nur noch irritierender.
Auch die Hauptperson des Films ist natürlich eine stereotype: Den harten Kämpfer mit der weichen Seele gab Sylvester Stallone bereits in Rocky (1976), der Emotionalität vor allem in der Beziehung zu seiner geliebten Adrian zur Schau stellen durfte, und schon seinerzeit war dieser Typ Mann nicht neu. Die Geschlechterwelt von Fighting ist dann aber doch ganz konventionell: Hier bringt der Mann noch mit den Kräften seines stattlichen Körpers das schließlich ganz große Geld nach Hause, und kann davon nicht nur seinem Freund helfen, sondern auch noch die schöne Frau von ihrem Job in der Bar erlösen.

Letztlich scheitert Fighting daran, dass er trotz aller Bemühungen in dieser Richtung und aller Abkehr von genretypischer Action seine Figuren und ihre Beziehungen zueinander nicht überzeugend und konsequent entwickeln kann. Selbst Shawns letzter Gegner, Evan Hailey (Brian J. White), mit dem ihn eine traumatische Vergangenheit verbinden soll, kann in der Funktion als Nemesis nicht überzeugen; immerhin widersteht White erfolgreich der Versuchung, Hailey als reines Abziehbild des Bösen zu zeigen. So platt ist Fighting dann eben doch in keinem Moment.
Neue Kritiken

Mein 20. Jahrhundert

Caught Stealing

Wenn der Herbst naht

In die Sonne schauen
Trailer zu „Fighting“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (7 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Sergej
Ich hoffe auf einen baldigen Kino-Start von Fighting!!!
Frédéric
Der Kinostart ist aktuell für den 10.09.2009 angekündigt.
2 Kommentare