Fatal – Kritik
Seit der brutalen Gruppenvergewaltigung einer Studentin tobt in Indien eine Diskussion um die Todesstrafe für solche Verbrechen. Der Südkoreaner Lee Don-ku hat einen passenden Film dazu gemacht.

Boy meets Girl. Sung-gong trifft Jang-mi. Das unbeholfene Miteinander der beiden ist schön und amüsant anzusehen. Wenn die zwei etwas schüchtern und mit verschlossenen Augen am Strand nebeneinander stehen oder gemeinsam eine große Fensterscheibe putzen (sie innen, er außen, beide im Gleichtakt), dann überträgt sich ihre Fröhlichkeit auf das Publikum. Es ist eine zarte Liebe, die da langsam aufblüht – und man würde sich dieses Wachsen gerne noch weiter anschauen.
Doch Fatal (Kashi-ggot, 2012) macht nicht nur die Freude der beiden spürbar, sondern auch Jang-mis Leiden. In einer beklemmenden, nur von Kerzenschein beleuchteten Szene schauen wir in ihr Gesicht, ihre aus dem Dunkel aufblitzenden Augen. Ihre Weinkrämpfe und der Gefühlsausbruch, bei dem sie nach zehn Jahren erstmals von ihrer Gruppenvergewaltigung berichtet, schnüren einem die Kehle zu. Rape-and-Revenge statt Boy-meets-Girl.
Jang-mi (Yang jo-a) sucht nach Vergeltung, Sung-gong (Nam Yeon-woo) nach Vergebung. Deshalb findet er überhaupt erst den Weg in die Kirchengemeinde, in der Jang-mi Mitglied ist. Dort tritt sie überdreht fröhlich auf – tatsächlich aber verschließt sie ihre Wohnung mit gleich drei Türen und bekommt Panikattacken, wenn Fremde sie berühren. Wie vernarbt ihre Psyche ist, offenbart sie erst spät.

Als Sung-gong sie kennenlernt, erinnert er sich sofort an das Mädchen. Seine Schulfreunde, die auch innerhalb ihrer Clique nicht vor Einschüchterung, Schikanen und Gewalt zurückschreckten, hatten Jang-mi damals unter Drogen gesetzt und sich an ihr vergangen. Sung-gong stellt fortan sein ganzes Leben in den Dienst der Wiedergutmachung dessen, was sich nicht wieder gutmachen lässt. Jang-mi wird für ihn zu einer Obsession und das Richten über ihre Vergewaltiger – sich eingeschlossen – zu seiner Mission.
Regie-Debütant Lee Don-ku gelingt mit Fatal eine emotional aufwühlende, im Vergleich zum kanonischen Irreversibel (Irréversible, 2002) von Gaspar Noé jedoch nie effektheischende Reflexion über ein traumatisches Verbrechen und seine Folgen. Lee durchzieht sein Schuld-und-Sühne-Drama mit stilistischen Elementen, die aus dem Film mehr machen als eine bloße Wiedergabe des Plots. Neben zahlreichen Jump Cuts und einigen ungewöhnlichen Kameraperspektiven stechen in dieser Hinsicht vor allem zwei experimentell inszenierte Szenen heraus.
Einmal erleben wir einen Albtraum Sung-gongs mit. Dies geschieht auf einfache, aber äußerst effektive Weise. Wie Geister der Vergangenheit tauchen seine alten Freunde nachts in Sung-gongs signalrot beleuchtetem Schlafzimmer auf und wackeln hektisch mit Taschenlampen, deren Lichter wild durch den Raum und auf Sung-gongs Körper herumtanzen.

Ein andermal imaginiert der Protagonist sich als Priester, der die Macht hat, seinen vor Reue hysterisch heulenden Kumpanen die Absolution zu erteilen oder auch nicht. Lee übersetzt diese Fantasie in blau-grünlich schimmernde, entsättigte Bilder, in denen die Täter nackt in der Kirche knien und um Vergebung flehen. Zwar wird Sung-gong in der Realität dieses Films kein Priester mehr – doch die (selbst gewählte) Aufgabe, Gottes Werk zu verrichten, nimmt er mit aller Konsequenz an.
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