Farang – Schatten der Unterwelt – Kritik

Ein im thailändischen Exil lebender Franzose muss seine Tochter aus dem Rotlichtmilieu befreien. Xavier Gens’ mitunter an Slow Cinema grenzender Actionfilm interessiert sich für nichts als seinen Protagonisten und setzt dessen Zerfleischung mit drastischer Brutalität ins Bild.

Regisseur Xavier Gens hat seinen neuen Film seiner Tochter gewidmet. Farang – Schatten der Unterwelt kann also als Liebeserklärung gelesen werden – und als Eingeständnis von Angst vor der elterlichen Verantwortung. Der Film erzählt von Samir (Nassim Lyes), der seine entführte Tochter aus dem Rotlichtmilieu Bangkoks befreien muss. Dabei stirbt er nicht nur langsam und opfert sein körperliches Wohlergehen für die Rettung. Er arbeitet sich auch durch ein fremdes, feindlich gesinntes, ihm nur oberflächlich bekanntes Land. „Farang“ ist das thailändische Wort für westliche Ausländer, und Vatersein heißt in Farang, seine Komfortzone weit hinter sich zu lassen. Für Samir ist Vatersein Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein und Schmerz.

Ausharren im Stress

Wenn Samir nicht gerade kämpft oder wegrennt, dann schaut er vor allem konsterniert. Mit einem versteinerten Gesicht, wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Und dieses Reh wird in Farang immer wieder an den Punkt gebracht, an dem es weder ein noch aus weiß. Zu Beginn wird Samir gelobt, weil er sich nicht in eine Schlägerei im Knast verwickeln ließ. Und genau dieses Ausharren im Stress wird sein Modus Operandi, wenn er immer wieder in die Ecke getrieben wird. Zumindest bis die Handlungen dann doch aus ihm herausbrechen. Was die Widmung an Gens Tochter etwas krude erscheinen lässt. Geht es doch in Farang ausschließlich um ein männliches Leiden. Frauen (und Töchter) sind nur da, um getötet oder entführt zu werden, um das Leid des Protagonisten zu maximieren. Ihre Perspektive ist dabei nicht von Interesse.

Diese Scheuklappen gegenüber allem, was außerhalb des männlichen Subjekts liegt, müssen aber mitnichten ein Nachteil sein. Gerade mit seinen Gewaltspitzen, mit drastischer Brutalität und Gore, mit intensiven Kämpfen schafft es Gens, die Zerfleischung seines Protagonisten krachend ins Bild zu setzen. Diese Action ist Ausdruck eines Festsitzens in einer höllischen Spirale der Gewalt, in der ein endloser Strom aus Gegnern gegen Samir brandet. Und auch wenn dieser Strom irgendwann doch endet, ging es nie um die Erlösung unseres Helden durch sein Handeln, sondern um seine körperliche Zerstörung, die er wie eine Opfergabe erbringt.

Schmerzhafte Expressivität

Aber nicht nur deshalb funktioniert Farang nicht als gängiger Actionfilm. Dessen Dramaturgie wird gnadenlos ausgebremst – mit einem stillen, introvertierten Drama. Mitunter grenzt es an Slow Cinema. Samir wird zu Beginn aus dem Gefängnis entlassen, versucht sich in Freiheit in Frankreich einzuleben, muss dann nach Thailand fliehen, wo er nach seinem Glück sucht, wo ihm aber (von Vorurteilen getriebene) Beamte, Korruption und Gangster im Weg stehen. Statt schnell zu seinem Fluchtpunkt – der Lösung der eigenen Konflikte mittels Willen und Muskelkraft – aufzubrechen, sitzt Samir in unausgesprochenen Konflikten fest, in Impressionen und einer zähen Zeit.

Die Verzerrung der Dramaturgie ändert aber nichts an deren Kern, dass jemand seine Probleme und Widersprüche mit einem externalisierten Kampf löst. Weshalb wir einen Film sehen, in dem Samir im schwarzen Loch seiner Gefühle feststeckt und sich an gebrochenen Knochen und offen klaffenden Wunden aus dem Schlund befreit, der die Welt für ihn ist. Also ein Psychogramm, das das seelische Feststecken in einer Sackgasse in körperlichen Schmerz übersetzt – aber ebenso in immer grellere, monochrome Farben, in schmerzhafte Expressivität.

Zwiespältiges Vergnügen

Zugleich ist Farang aber auch ein eindimensionaler Film, der in der Gewalt zwar zu sich kommt, ansonsten aber ziemlich hilflos den inneren Widerstreit von jemandem einzufangen versucht, der so flach ist, dass kaum vorstellbar ist, dass es in ihm so etwas wie Widersprüche gibt. Ein Film, in dem die Glorifizierung des männlichen Leidens ohne Fortüne wirkt, weil die Nebenfiguren blasse Instrumente des Plots bleiben, weil Hauptdarsteller Nassim Lyes von allem überfordert wirkt, was über Erstarrung und Action hinausgeht, weil das langsame Drama schmerzlich offenlegt, wie wenig mehr als Allgemeinplätze es beizutragen hat.

Weil Samir das, was um ihn geschieht, auf ihn einwirkt und in ihm vorgeht, nicht reflektiert, und weil es im Film selbst nicht reflektiert wird, ist Farang ein zwiespältiges Vergnügen. Zuweilen ist der Abgrund des Vaterseins, in dem Samir steckt, faszinierend und mitreißend. Die Marker, die immer wieder überdeutlich darauf weisen, wie ausgelutscht und selbstgefällig er und sein Leidenswille sind, sind aber auch überdeutlich. Da braucht es nicht mal die Widmung an eine Tochter, damit es bestenfalls krude wirkt.

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